Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Thüringen

Die thüringische Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) blickte in der Weimarer Republik bereits auf eine lange Geschichte zurück. August Bebel und Wilhelm Liebknecht hatten 1869 in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet. Auch der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Ferdinand Lassalles war von Anfang an in den thüringischen Staaten präsent. Die Sozialdemokratie wuchs nach dem Zusammenschluss beider Organisationen 1875 in Gotha weiter. Bis zum Beginn der Weimarer Republik entwickelten sich die Industrieländer Thüringens sowohl hinsichtlich ihrer Wahlerfolge als auch ihrer Mitgliederzahlen und ihres Vereinswesens zu einer ihrer Hochburgen. Im April 1917 spalteten sich die Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) in Gotha von der SPD ab. Die USPD agierte in den thüringischen Staaten mit relativ großem Erfolg.
In der Novemberrevolution 1918 bildeten sich in allen Staaten Arbeiter- und Soldatenräte, an denen beide Flügel der Sozialdemokratie beteiligt waren. Zwischen Januar und März 1919 fanden in den thüringischen Staaten Landtagswahlen statt. In den Freistaaten Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg und Schwarzburg-Rudolstadt gewann die SPD über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen und im Freistaat Sachsen-Weimar-Eisenach ungefähr 40 Prozent. Im Volksstaat Reuß und im Freistaat Schwarzburg-Sondershausen trat die SPD mit der USPD auf einer gemeinsamen Liste an, die über 60 Prozent der Stimmen gewann. Nur im Freistaat Sachsen-Gotha dominierte die USPD. In Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt, Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Altenburg bildet die SPD eine Koalition mit der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), in Schwarzburg-Sondershausen mit der USPD. In Reuß und Gotha regierte die USPD allein.
Am 1. Mai 1920 schlossen sich die Staaten zum Freistaat Thüringen zusammen. Bei den ersten Landtagswahlen am 20. Juni 1920 gewann die SPD 20,3 Prozent der abgegebenen Stimmen bzw. 11 Mandate. Sie wurde damit zweitstärkste Partei nach der USPD. Die erste Landesregierung war eine Koalition aus USPD, SPD und DDP, die schon 1921 zerbrach. Bei den folgenden Landtagswahlen am 11. September 1921 wurde die SPD mit 22,8 Prozent bzw. 13 Mandaten stärkste Kraft und bildete mit der USPD eine neue Regierung, die von der Kommunistischen Partei (KPD) toleriert wurde. Dieses Kabinett löste 1923 eine Regierung von SPD und KPD ab, die noch im selben Jahr durch eine Reichsexekution gestürzt wurde. Obgleich die SPD auch bei den folgenden Landtagswahlen stets über 20 Prozent, teilweise sogar über 30 Prozent der Stimmen gewann, verhinderten die bürgerlichen Parteien ihre Rückkehr an die Regierung. Lediglich zwischen 1931 und 1932 duldeten die Sozialdemokraten ein bürgerliches Ministerium.
Literatur
FACIUS, Friedrich, Politische Geschichte von 1828 bis 1945, in: PATZE, Hans / SCHLESINGER, Walter (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 5: Politische Geschichte in der Neuzeit, T. 2, Köln / Wien 1978, S. 1-626, hier 258-265, 304-523.
FALTER, Jürgen / LINDENBERGER, Thomas / SCHUMANN, Siegfried, Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien zum Wahlverhalten 1919-1933 (Statistische Arbeitsbücher zur neueren deutschen Geschichte), München 1986, S. 110 f.
RASSLOFF, Steffen, Geschichte Thüringens (Beck'sche Reihe 2616), München 2010, S. 74-86.
WALTER, Franz, Sachsen und Thüringen: Von Musterländern der Arbeiterbewegung zu Sorgenkindern der SPD. Einführung und Überblick, in: DERS. / DÜRR, Tobias / SCHMIDTKE, Klaus, Die SPD in Sachsen und Thüringen zwischen Hochburg und Diaspora. Untersuchungen auf lokaler Ebene zwischen Kaiserreich und Gegenwart (Veröffentlichungen des Instituts für Sozialgeschichte e. V., Braunschweig, Bonn), Bonn 1993, S. 11-38.
VIAF: 266467388
Empfohlene Zitierweise
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Thüringen, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1404, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1404. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 24.06.2016, letzte Änderung am 06.05.2019.
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