Besetzung von Pfarreien in Österreich

Die Besetzung der österreichischen Pfarreien durchlief in der Neuzeit verschiedene Phasen, die stark von den Beziehungen zwischen Staat und Kirche geprägt waren.
Eine entscheidende Station der Entwicklung der Seelsorgegebiete der österreichischen Diözesen war das Zeitalter des sogenannten Josephinismus, das unter anderem die kirchenpolitischen Reformen Kaiserin Maria Theresias (1717-1780) und Kaiser Josephs II. (1741-1790) umfasst. Die Ausweitung der Seelsorge in allen Landesteilen war bereits unter Maria Theresia begonnen worden, bevor es unter ihrem Sohn Joseph in den Jahren 1783/84 zur endgültigen Durchsetzung einer umfassenden Staatskirchenreform kam. Die ca. 3.200 neu gegründeten Pfarreien wurden von der seitens des Staates neu geschaffenen Geistlichen Hofkommission besetzt und dotiert. Die Diözesanleitungen hatten lediglich die Aufgabe, die Besetzungen zu vollziehen. Eine entscheidende Stütze der sogenannten Pfarrregulierung bildeten die Klöster: Da sich der staatliche Religionsfonds, der aus dem säkularisierten Kirchengut zur Finanzierung kirchlicher Belange geschaffen wurde, bald als defizitär herausstellte, wurde eine Vielzahl an Pfarreien benachbarten Klöstern inkorporiert, um die Seelsorge vor Ort finanziell und personell stemmen zu können.
Das Konkordat von 1855, das das Staatskirchentum zugunsten kirchlicher Mitbestimmung relativierte, eröffnete schließlich ein dreiteiliges System von Pfarreibesetzungen: Ortsbischöfe, Staat (sowie einzelne Privatpersonen) und Klöster übten das Präsentationsrecht für die ihnen unterstehenden Pfarreien aus. Daran änderte auch die am Kulturkampf des Deutschen Kaiserreichs ausgerichtete Gesetzgebung in den 1870er Jahren wenig.
Mit dem Ende der Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg wurde eine Neubestimmung der Verhältnisse von republikanisch-demokratischem Staat und Kirche auch im Blick auf die Pfarreibesetzungen notwendig geworden. Das zu diesem Zweck 1933 unterzeichnete Konkordat mit dem Heiligen Stuhl garantierte in Art. XII die vom CIC/1917 geforderte Freiheit der Ortsbischöfe, die vakanten Pfarreien neu zu besetzen, sofern der Staat nicht das Präsentationsrecht in einer Pfarrei behielt. In diesem Fall sollten dem Kultusministerium von kirchlicher Seite drei Kandidaten vorgeschlagen werden. Das klösterliche und das Präsentationsrecht von Privatpersonen blieben unangetastet. Auch der Staat behielt anders als in Deutschland eine Vielzahl von Präsentationsrechten.
Die Bestellung eines Kandidaten für die Leitung einer Pfarrei sollte nach Art. XII vom Ortsbischof umgehend an den Staat gemeldet werden, der die Eignung prüfen sollte. Voraussetzungen waren vor allem die österreichische Staatsangehörigkeit und ein abgeschlossenes Theologie- und Philosophiestudium.
Literatur
KREMSMAIR, Josef, Der Weg zum österreichischen Konkordat von 1933/34, Wien 1980, S. 198-206.
WEIßENSTEINER, Johannes, Erzdiözese Wien, in: GATZ, Erwin (Hg.), Pfarr- und Gemeindeorganisation. Studien zu ihrer Entwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Paderborn u. a. 1987, S. 27-44.
ZINNHOBLER, Rudolf, Diözese Linz, in: GATZ, Erwin (Hg.), Pfarr- und Gemeindeorganisation. Studien zu ihrer Entwicklung in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Paderborn u. a. 1987, S. 13-26.
Empfohlene Zitierweise
Besetzung von Pfarreien in Österreich, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 17078, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/17078. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013, letzte Änderung am 10.03.2014.
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