Entwurf des Reichsschulgesetzes vom Juli 1927, § 4

"(1) Voraussetzung für die Errichtung einer Volksschule eines bestimmten Bekenntnisses (Bekenntnisschule) ist, daß für die gemeinschaftliche Pflege dieses Bekenntnisses eine Religionsgemeinschaft besteht, welche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt (Art. 137 Abs. 5 RV).
(2) Die Bekenntnisschule dient zur Aufnahme von Kindern eines bestimmten Bekenntnisses sowie von Kindern eines verwandten Bekenntnisses (Abs. 8); doch können aus besonderen Gründen auch andere Kinder eingeschult werden. Durch die Aufnahme solcher Kinder verliert die Schule nicht den Charakter als Bekenntnisschule.
(3) Die Bekenntnisschule wird nach dem Bekenntnis näher bezeichnet als evangelische, katholische, jüdische Volksschule. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erziehungsaufgaben der deutschen Volksschule gemäß dem Glauben, in dem die Kinder erzogen werden. Lehrpläne, Lehr- und Lernbücher sind der Eigenart der Schule anzupassen. Im Leben der Schule sind, unbeschadet der Bestimmungen der Artikel 136 Abs. 4 und 149 Abs. 2 der Reichsverfassung, die dem Bekenntnis eigenen religiösen Übungen und Gebräuche zu pflegen und die dem Bekenntnis eigenen Feier- und Gedenktage zu berücksichtigen.
(4) Der Religionsunterricht ist für alle Klassen ordentliches Lehrfach.
(5) An der Bekenntnisschule dürfen (abgesehen von den Ausnahmen der Abs. 6 und 7) nur solche Lehrkräfte hauptamtlich angestellt werden, die dem Bekenntnis der Kinder, für welche die Schule bestimmt ist, oder einem verwandten Bekenntnis angehören. Vorübergehende Verwendung anderer Lehrkräfte ist aus besonderen Gründen zulässig.
(6) Zur Erteilung von gesondertem Religionsunterricht an Kinder eines Minderheitsbekenntnisses (§ 14 Abs. 2) kann eine dem Minderheitsbekenntnis angehörige Lehrkraft angestellt werden, wenn die Beschaffung dieses Unterrichts auf andere Weise nicht möglich ist. Diese Lehrkraft kann auch mit anderem Unterricht betraut werden.
(7) Die Vorschrift des Abs. 5 Satz 1 bezieht sich nicht auf diejenigen Lehrkräfte, die zur Erteilung des technischen Unterrichts verwendet werden.
(8) Bekenntnisse sind verwandt, wenn die obersten Stellen der zuständigen Religionsgemeinschaften dies gegenseitig anerkennen."
Quellen
Der Entwurf vom 15. Juli 1927. Wortlaut des Entwurfs und des Begleitschreibens, in: OFFENSTEIN, Wilhelm, Der Kampf um das Reichsschulgesetz. Zweiter Teil: Die Entwürfe der Jahre 1925 und 1927 (Schulpolitik und Erziehung. Zeitfragen 24a), Düsseldorf 1928, S. 32-40.
Empfohlene Zitierweise
Entwurf des Reichsschulgesetzes vom Juli 1927, § 4, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 1982, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/1982. Letzter Zugriff am: 29.03.2024.
Online seit 25.02.2019.
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