Entwurf eines bayerischen Volksschulgesetzes von 1867

Das Schulwesen wurde im Königreich Bayern vornehmlich mittels Verordnungen geregelt. Da diese jedoch eine geringere Verbindlichkeit als Gesetze besaßen und ihre Anzahl zudem durch Neuerlasse und Revisionen bald unüberschaubar geworden war, wurde seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Forderung erhoben, die schulischen Angelegenheiten auf gesetzlichem Wege umfassend zu ordnen. Ein wichtiger Schritt war dabei das Schulbedarfsgesetz von 1861. In der Kammer der Abgeordneten, in der die liberale Bayerische Fortschrittspartei die Mehrheit hatte, wurde darüber hinaus die Vorlage eines Schulgesetzes gefordert, das die rechtliche Stellung der Volksschullehrer, ihre Ausbildung und die Organisation des Unterrichts regeln sollte. Gegen den Widerstand der kirchlich-konservativ dominierten Kammer der Reichsräte gelang es schließlich, die Staatsregierung dazu zu bewegen, am 31. Oktober 1867 den Entwurf eines Volksschulgesetzes vorzulegen.
Der Entwurf unterstrich die staatliche Zuständigkeit für das Schulwesen, die in der von der Kammer der Abgeordneten verabschiedeten Fassung zusätzlich betont wurde. Dagegen erhob sich kirchlicherseits erheblicher Widerstand. Die Kirchen nutzten nicht nur ihre Mehrheit in der Kammer der Reichsräte, sondern ihnen gelang es auch, die Bevölkerung gegen den Gesetzentwurf zu mobilisieren. So erreichten die Kammer der Reichsräte 4.727 Adressen von Gemeinden, von denen 3.376 die Ablehnung des Gesetzentwurfes forderten. Insbesondere gegen den Versuch, die geistliche Schulaufsicht einzuschränken, erhob sich Protest.
Letztlich war keine Einigung zwischen beiden Kammern des Landtages zu erzielen. 1869 lehnte die Kammer der Reichsräte das Gesetz ab. Da zudem bei den Landtagswahlen vom 22. Mai 1869 die kirchlich-konservative Bayerische Patriotenpartei die Mehrheit gewann, wurde bis 1918 kein Versuch mehr unternommen, ein umfassendes Volksschulgesetz zu verabschieden, und das Schulwesen wurde weiterhin auf dem Verordnungsweg geregelt.
Literatur
LIEDTKE, Max, Von der erneuerten Verordnung der Unterrichtspflicht (1802) bis 1870, in: DERS. (Hg.), Handbuch der Geschichte des bayerischen Bildungswesens, Bd. 2: Geschichte der Schule in Bayern. Von 1800-1918, Bad Heilbrunn in Oberbayern 1993, S. 11-133, hier 48-51.
Empfohlene Zitierweise
Entwurf eines bayerischen Volksschulgesetzes von 1867, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 46, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/46. Letzter Zugriff am: 20.04.2024.
Online seit 14.05.2013, letzte Änderung am 10.03.2014.
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