Einwohnerwehren

Die Einwohnerwehren gingen aus den Bürger- und Volkswehren hervor, die sich seit dem Niederschlagen der Spartakusaufstände im Januar 1919 gebildet hatten. Im März 1919 wies das Reichswehrministerium die Gründung von Einwohnerwehren auf Landesebene an. Diese sollten die Polizei unterstützen, linksradikale Aufstände niederschlagen und als stille Heeresreserve dienen. Dabei waren sie offiziell als private, freiwillige und unpolitische Selbstschutzverbände nicht der Wehrmacht unterstellt und finanzierten sich selbst. Tatsächlich wurden die Einwohnerwehren aber durch Bestände der Reichswehr bewaffnet und sie wurden neben Spenden auch durch öffentliche Mittel finanziert.
In Bayern waren vor allem die "Orgesch" unter Georg Escherich und die "OrKa" unter Rudolf Kanzler bedeutend. Die bayerischen Einwohnerwehren wurden durch die Bayerische Volkspartei, den Christlichen Bauernverein und das Münchener Reichswehrkommando unterstützt. Im September 1919 wurde ein Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns gegründet, dem Escherich vorstand, Kanzler war sein Stellvertreter. Im Landesverband waren im November 1919 ca. 200.000, kurz vor seiner Auflösung im Juni 1921 ca. 360.000 Wehrmänner organisiert, die sich vor allem für den lokalen Selbstschutz einsetzten. Ca. 30.000 Mann waren auf überregionale Einsätze vorbereitet.
Die Alliierten sahen in den Einwohnerwehren unerlaubte Wehrersatzformen, weshalb sie sie zum 31. März 1920 verboten, was ein Auslöser für den Kapp-Lüttwitz-Putsch war. Der sozialdemokratische bayerische Ministerpräsident Johannes Hoffmann konnte sich während des Putschs nicht gegen die Einwohnerwehren durchsetzen und trat zurück. Mit Gustav Ritter von Kahr wurde auf Druck Escherichs, des Münchener Polizeipräsidenten Ernst Pöhner und des Generals Arnold Ritter von Möhl ein Förderer der Einwohnerwehren neuer Ministerpräsident, der mit deren Unterstützung die rechte "Ordnungszelle" in Bayern einrichtete.
Anders als die Reichsregierung protegierte Kahr die Einwohnerwehren, weshalb diese in Bayern noch ein weiteres Jahr bestehen bleiben konnten. Doch wegen der großen Waffendepots, die die Einwohnerwehren in Kooperation mit der Reichswehr anlegten, wurden sie im Juni 1921 unter dem Druck der Alliierten verboten. Allerdings ging aus dem Bayerischen Landesverband der Einwohnerwehren der Bund "Bayern und Reich" hervor, der dessen Aufgaben im Geheimen weiterführte.
Literatur
HÜBNER, Christoph, Bund "Bayern und Reich", 1921-1935, in: Historisches Lexikon Bayerns, in:www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
HÜBNER, Christoph, Erstes Landesschießen der bayerischen Einwohnerwehren, 1920, in: Historisches Lexikon Bayerns, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
HÜBNER, Christoph, Landesverband der Einwohnerwehren Bayerns, 1920/21, in: Historisches Lexikon Bayerns, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
HÜBNER, Christoph, Organisation Escherich (Orgesch), 1920/21, in: Historisches Lexikon Bayerns, in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
HÜBNER, Christoph, Wehrverbände in Bayern, 1918/19-1933, in: Historisches Lexikon Bayerns, in:www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
KANZLER, Rudolf, Bayerns Kampf gegen den Bolschewismus. Geschichte der bayerischen Einwohnerwehren, München 1931.
NUSSER, Horst G. W., Konservative Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933. Mit einer Biographie von Forstrat Georg Escherich 1870-1941, 2 Bde., , München 1973.
THOSS, Bruno, Einwohnerwehren, 1919-1921, in: Historisches Lexikon Bayerns,in: www.historisches-lexikon-bayerns.de (Letzter Zugriff am: 26.06.2013).
Empfohlene Zitierweise
Einwohnerwehren, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Schlagwort Nr. 7088, URL: www.pacelli-edition.de/Schlagwort/7088. Letzter Zugriff am: 18.04.2024.
Online seit 14.01.2013, letzte Änderung am 10.09.2018.
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