Dokument-Nr. 11076
Neuner, Katharina an Pius XI.
Stuttgart, 21. Januar 1923

Seine heilige Heiligkeit, der einzige heilige Vater hier auf Erden, möchte der großen Sünderin verzeihen, wenn ich mir unterstelle an Seine heilige Heiligkeit zu schreiben u. zu bitten untertänigst um Gnädiges Gehör für die Armen in unserer Stadt.
Ich bin noch nicht ganz Katholik, aber mit Gottes Gnade hoffe u. harre ich darauf, es vollends zu werden. Wie ja Seine heiligste Heiligkeit wissen, herscht [sic] zur Zeit große Not in Deutschland, hauptsächlich in den großen Städten, so auch hir [sic] u. ich habe mir fest vorgenommen u. eine innere Stimme sagt immer zu mir ich soll u. müße in das Oberland gehn (das heißt Ravensburger Umgebung) wo große Oekonomien sind u. große Landgüter die die Armut nicht können [sic] u. Lebensmittel u. Geld genug haben u. können gut etwas den Armsten [sic] in der Stadt geben, aber die Leute sind ein besonderer Menschenschlag, nicht dass ich sagen wollte, dass sie hart wären u. doch geben sie nicht gernne [sic] etwas ab den Armen in die Stadt, jetzt aber würd [sic] die Not von Woche zu Woches [sic] furchtbarer u. ich will u. muß für die Armen betteln gehn bei diesen großen Oekonomen um Lebensmitteln, ich känne [sic] viele von denselben u. weiß mit ihnen umzugehn, weis [sic] aber auch, dass wenn
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ich nicht ein gutes Geistliches Katholisches Schreiben bei mir habe u. vielleicht zur Bekleidung von der Nikolauskirche eine Schwester mitbekomme u. eine Geistliche bestätigte Sammelliste wo alles sorgfältig eingetragen werden soll was ich bekomme für die Armen katholischen [sic] in Stuttgart sonst würde ich zu wenig bekommen um so große Reise zu machen u. ich will Sammeln [sic] bis ich einen Eisenbahnwagen voll habe zum mündesten [sic], was ich brauche zu der Reise will ich gerne für von mir selbst [sic] auslegen obwohl ich jetzt auch nicht mehr zu den Wohlhabenden zählen darf. Desshalb erlaube ich mir die große grose Untertänigste Bitte, dass Seine heiligste Heiligkeit sich gnädig herablassen möchte zu bewilligen dass einer von der heiligen Umgebung mir ein Seegensschreiben [sic] mit auf den Weg geben möchte dass ich viel bekomme von den großen Oekonomen, denn wenn vom heiligsten Vater von Rom etwas in die gut Katholische Gegend kommt dann geben sie gerne u. viel viel mehr als sonst. Dass aber Seine heiligste Heiligkeit vergewissert ist, dass das Schreiben nicht von einer Persohn [sic] herrührt da man denken könnte ich würde nicht die Wahrheit sagen so bitte ich Demütigst das Begleitschreiben an das Kath. Stadtpfaramt [sic] St. Nikolaus, Stuttgart, Landhausstraße No. 65. zu adresieren [sic] u. bitte nochmals unterthänigst um Gnade u. Gewährung meiner großen bitte [sic], ich hätte
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vieleicht zufor [sic] zu Herr Stadtpfarrer der St. Nikolauskirche gehn sollen u. meine Bitte vortragen, aber ich wuste [sic] nicht recht soll ich es. Nun habe ich heute zuvor [sic] ich schrieb alles unserem Herrn Jesum Christum anvertraut u. mein inneres [sic] sagte mir, ja ich darf schreiben, so wie der Hauptmann zu Kabernaum [sic] zu unserem Herrn. Jesum kam u. Ihn [sic] anflehte u. gebeten hat, dass er seinen Knecht gesund machen solle u. sein großer Glaube ihm u. dem Knecht geholfen hat, so möchte u. vertraue ich auch auf den höchsten heiligen Kirchenvater auf dieser Erde dass ich ein Schreiben bekomme womit ich das Recht habe für die Hungernden zu Sammeln u. dass ich doch ihnen helfen kann was in meiner Kraft steht will ich freudig dazu tun.
In höchster Ehrfurcht u. ständigem Gebet um die allergnädigste Gewährung zeichnet
Frau Katharina Neuner
Privatiers Ehefrau [sic]
151r über dem Text hds. von unbekannter Hand notiert: "Nr. 2"
Empfohlene Zitierweise
Neuner, Katharina an PiusXI. vom 21. Januar 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 11076, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11076. Letzter Zugriff am: 25.11.2024.
Online seit 23.07.2014.