Dokument-Nr. 1985

[Hauspflege und Hilfsvereinigung der Drittordensgemeinden Krefeld]: Merkblatt III. Hauspflege und Hilfsvereinigung (H.H.) der Drittordensgemeinden Krefeld. [Krefeld], vor dem 02. November 1922

1. Wir haben uns die Aufgabe gestellt: 1) in Familien, in welchen die kranke oder schwächliche oder durch notwendige Erwerbsarbeit längere Zeit in Anspruch genommene Mutter ihren Haushalt nicht selbst versorgen und auch bei Angehörigen oder Nachbarn keine Hilfe dafür finden kann, durch Besorgung der wichtigsten Haushaltungsarbeiten (Reinhalten der Wohnung, der Wäsche, der Betten; Flicken und Stopfen; Kochen; Besorgen der Kinder; kleine Handreichungen bei den Kranken) helfend einzugreifen; 2) älteren alleinstehenden Leuten in ähnlicher Weise beizustehen; 3) den Krankenschwestern bei der Krankenpflege,1 besonders bei Nachtwachen zu helfen. – Eigentliche Kranken- oder Wochenpflege übernehmen wir nicht. – Vorläufig können wir nur ärmere Familien bezw. ärmere Alleinstehende berücksichtigen und leisten in diesen Fällen unsere Arbeit unentgeltlich. – Nach Konfession und Weltanschauung wird nicht gefragt, sondern nur nach der Hilfsbedürftigkeit.
2. Die genannten Arbeiten werden ausgeführt von beruflichen und freiwilligen Helferinnen. Die Berufsschwestern (unsere Geldmittel ermöglichen uns gegenwärtig nur die Anstellung einer Berufskraft) müssen in der Krankenpflege und in der sozialen Hilfsarbeit ausgebildet sein. Die freiwilligen Helferinnen sind Mitglieder der Drittordensgemeinden vom hl. Franziskus (St. Elisabeth-Abteilung) und vom hl. Dominikus (St. Katharina-Abteilung), die im Geiste ihrer Ordensregeln bestimmte Stunden für die ihnen übertragene Karitasarbeit opfern. Sie befolgen die im Helferinnen-Merkblatt gegebenen Anweisungen. Unterricht über den inneren Geist der Karitasarbeit erhalten sie bei den halbjährlichen Hauptversammlungen, Unterricht über die Ausführung der notwendigen Hauspflegearbeiten bei den monatlichen Pfarrbezirksversammlungen.
Die vier letzten Jahresberichte weisen folgende Arbeitsleistungen auf: Die Zahl der angenommenen Pflegefälle betrug 1915: 125, 1916: 115, 1917: 108, 1918: 122. In diesen Fällen wurde gearbeitet an Stundenzahl: 1. für die wichtigsten Hausarbeiten (Putzen, Waschen, Bügeln, Flicken, Nähen): 1915: 4.916 Stunden, 1916: 4.751 Stunden, 1917: 5.539 Stunden, 1918: 6.319 Stunden. Gekocht wurde 1915 für 10 Familien an 564 Tagen, 1916 für 23 Familien an 1.724 Tagen, 1917 für 22 Familien an 1.360 Tagen, 1918 für 18 Familien an 1.120 Tagen.
Für Weihnachten hatten die freiwilligen Näherinnen fertig gestellt: 1915: 852 Kleid- und Wäschestücke für 107 Familien, 1916: 600 Stück für 63 Familien und selbst 1917 noch 348 Stück für 35 Familien.
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Nachtwachen waren gehalten worden: 1915: 140 mal, 1916: 123 mal, 1917: 113 mal, 191: 145 mal.
Für Krankenpflege konnten außerdem noch gewährt werden: 1915: 830 Stunden, 1916: 678 Stunden, 1917: 374 Stunden, 1918: 2.035 Stunden, wozu noch an Krankenbesuchen hinzukam: 1915: 454, 1916: 325, 1917: 210, 1918: 1.070.
3.  Die Leitung der Arbeiten (und damit die Vorstehung der H. H.) ist folgendermaßen geordnet:
1) Die ganze Stadt ist in 6 Bezirke (Pfarrbezirke) eingeteilt. Jeder Bezirk untersteht einer vom Direktor der Drittordensgemeinde vom hl. Franziskus ernannten Vertrauensdame. Die Vertrauensdamen haben u. a. folgende Aufgaben: a) Untersuchung der gemeldeten Fälle. Die Untersuchung muß gleich nach der Anmeldung geschehen; in sehr eiligen Fällen kann die Vertrauensdame sich an die Vorsitzende wenden, damit der Fall durch die Berufsschwester untersucht wird. – Eintragung in dAs Arbeitsbuch. – Über die Annahme des Falles (wie auch über die Beendigung der Arbeit) entscheidet die Vertrauensdame. – Kommt ein Fall für unsere Arbeit nicht inbetracht (z. B. bei ansteckenden Krankheiten, bei vollständig hoffnungsloser Verwahrlosung der betreffenden Familie u. ä.), dann sorge die Vertrauensdame für ev. Weitermeldung an die zuständigen Stellen. – b) Verteilung der zu leistenden Hilfsarbeiten entweder bei Gelegenheit der monatlichen Versammlungen oder in dringenden Fällen durch persönliche Mitteilung an die bereitstehenden Helferinnen oder durch Besprechung mit der Vorsitzenden. Diese bestimmt, welche Fälle bezw. welche Arbeiten die Berufsschwester übernimmt. – Für Reinigung der Wäsche kann die Vorsitzende einen Beitrag aus der Kasse geben. Für Gewährung von Mittags- und Abendkost suchen die Vertrauensdamen nach Möglichkeit wohltätige Familien zu gewinnen. – c) Überwachung der zugesagten und verteilten Hilfsarbeiten durch persönlichen Besuch bei den betreffenden Familien, durch Besprechung der angemeldeten Fälle bei den monatlichen Versammlungen, auch durch persönliche Aussprache mit der Berufsschwester und mit den Helferinnen. – Die Berufsschwester und die Helferinnen tragen die von ihnen ausgeführten Arbeiten (Stundenzahl) wie auch die auf die Karitasarbeit sich beziehenden Erfahrungen, Fragen, Vorschläge u. a. in ein kleines Arbeitsbuch ein. – Die Vertrauensdamen stellen nach Erledigung eines Falles bezw. am Schluß des Jahres zusammen, was und wieviel in den einzelnen Fällen gearbeitet wurde. – Diese Zusammenstellung benutzt die Vorsitzende für die Statistik des Jahresberichtes und für die Eintragung der einzelnen Pflegefälle in das Hauptbuch. – d) Sehr wichtig ist, daß die Vertrauensdamen ihre Helferinnen recht oft zur Ausdauer in ihren Opfern aneifern (auch durch persönlichen Besuch), dieselben mit Rat und Tat unterstützen, für deren Weiterbildung in der Karitasarbeit Sorge tragen und womöglich ihnen hier und da auch eine kleine Freude (einen kleinen Ausflug oder einen Unterhaltungsabend) zu verschaffen suchen.
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2) Die Geschäfts- und Kassenführung für alle Bezirke liegt in den Händen der ersten Vorsitzenden, die vom Drittordensdirektor der Franziskusgemeinde ernannt wird, und der stellvertretenden Vorsitzenden, die vom Drittordensdirektor der Dominikusgemeinde aufgestellt wird. Sie haben u. a. die Aufgaben:
a) die Vereinigung nach außen hin, bei geistlichen und weltlichen Behörden, bei Vereinen u.s.w. zu vertreten,
b) die Kasse, das Hauptbuch und die Chronik zu führen. – Das Hauptbuch enthält eine kurze Charakteristik der Fälle, in denen wir gearbeitet haben, mit Angabe der geleisteten Arbeit. – Die Chronik enthält die wichtigsten Daten in der Entwicklung unserer Vereinigung,
c) am Schluß des Jahres den Jahresbericht zusammenzustellen,
d) die verschiedenen Versammlungen im Einverständnis mit den Vertrauensdamen anzuberaumen und zu leiten,
3) Die Oberleitung der ganzen Hauspflege- und Hilfsvereinigung hat der Direktor der Drittordensgemeinde vom hl. Franziskus. Er ernennt die Vertrauensdamen und die Erste Vorsitzende und hält die halbjährlichen Hauptversammlungen ab. Er sorgt im besonderen, daß die Vorstehung der H. und H. stets in engster Fühlung mit dem Vorstand der ganzen Drittordensgemeinde bleibt.
4. Regelmäßige Versammlungen sind:
1) in jedem Pfarrbezirk einmal monatlich für alle Helferinnen.
a) Diese Versammlungen werden anberaumt von der ersten bezw. stellvertretenden Vorsitzenden. Die Vertrauensdamen laden den geistlichen Beirat der Vinzenz- und Elisabethvereine und die Pfarrbezirksvorsteherinnen der Drittordensgemeinde v. hl. Fr. ein.
b) Die Versammlungen werden von der ersten oder stellvertretenden Vorsitzenden bezw. von der Vertrauensdame geleitet.
c) Die Ordnung ist folgende: 1. Gebet, 2. Lesung, 3. Besprechung der seitherigen Pflegefälle: es berichten darüber zuerst die Vertrauensdame, dann die Berufsschwester, darauf die freiwilligen Helferinnen; nach der Aussprache erfolgt durch die Vertrauensdame die weitere Arbeitsverteilung. In ähnlicher Weise werden dann die neu angemeldeten Fälle vorgelegt und verteilt. Die Besprechung der Pflegefälle steht unter der Leitung der Vertrauensdame.
4. Allgemeine Angelegenheiten der H. H. 5. Unterricht über die einzelnen Arbeiten der Hauspflege und Aufklärung über die sozialen und karitativen Einrichtungen in Crefeld (durch die Berufsschwester oder die Vorsitzende oder die Vertrauensdame). 6. Gebet
2) Die Vertrauensdamen kommen in jedem 3. Monat auf Einladung der ersten (stellvertretenden) Vorsitzenden zusammen, um über die gemeinsamen Angelegenheiten und Fragen sich auszusprechen. Die Vorsitzende leitet die Besprechung, führt Protokoll über die behandelten Punkte und schickt dasselbe spätestens 6 Tage nach der Versammlung dem Drittordensdirektor ein. – Wichtige Beschlüsse erlangen nur mit der Zustimmung des Vorstandes der Drittordensgemeinde vom hl. Franziskus Gültigkeit; der Drittordensdirektor sorgt dafür, daß in jedem 6. Monat (oder auch sonst in dringenden Fällen) zwischen dem Vorstand der
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Drittordensgemeinde und der Vorstehung der H. H. eine gemeinsame Beratung stattfindet.
3) In jedem 6. Monat wird auf Einladung des Drittordensdirktors eine Hauptversammlung für alle Helferinnen, Freunde und Wohltäter der H. H. abgehalten. – Im November oder Dezember ist eine gottesdienstliche Feier für die H. H. –
5. Unsere Kasse erhält ihre Einnahmen:
1) von den Jahresbeiträgen der Mitglieder der beiden Drittordensgemeinden (0,60 M.);
2) von den Jahresbeiträgen der Wohltäter der Hauspflege und Hilfsvereinigung (2 M; oder lebenslänglich 30 M.). Diese Wohltäter erhalten einen Jahresbericht;
3) von den Erträgnissen der Sammelbüchsen;
4) von freiwilligen Spenden und testament. Vermächtnissen.
Als Auslagen kommen inbetracht außer den Verwaltungs- und Bürokosten die Besoldung der Berufsschwestern, die Kosten für Reinigung der Wäsche, für Anschaffung von Lebensmitteln, Kleid- und Wäschestoffe u. a.
Die vier letzten Jahresberichte weisen an Ausgaben auf:

1915 1388,72 M.
1916 2606,35 M.
1917 3587,16 M.
1918 4084,43 M.

Überschüsse werden als Grundstein für den Erwerb eines Franziskushauses (eines Ledigen- und Altersheimes) angelegt.
Bei einer evt. Auflösung der Hauspflege und Hilfsvereinigung fallen alle Gelder der Kasse dem Karitasverband Krefeld (bei dessen vorheriger Auflösung der Pfarrgemeinde St. Dionysius Krefeld) zu und zwar für die Unterstützung bedürftiger Alleinstehender aus dem Dritten Orden.
6. Die gegenwärtig (1.I.19) geltenden Adressen:
1) Oberleitung: P. Marcus, O.M.Cap. Drittordensdirektor. Hülserstraße 574, Telefon 2670.
2) Erste Vorsitzende: Frau W. Wetzler, Westwall 181, Tel. 3744.
Stellvertr. Vorsitzende: Frau I. Neschkes, Nordstr. 163, Tel. 3109.
3) Vertrauensdamen:
Für Bezirk St. Dionys: Frau Sommer, Wilhelmstr. 36 und Frl. Funk, Hochstr. 3.
Für Bezirk Liebfrauen: Frl. Hel. Maurenbrecher, Hofstr. 63, Telefon 2131.
Für Bezirk St. Stephan und St. Elisabeth: Frau Drießen, Ostwall 33, Tel. 4611 und Frl. H. Roßmühlen, Mariannenstr. 43, Telefon 765.
Für Bezirk St. Joseph: Frau Berting, Oberstraße 161.
Für Bezirk St. Johann: Frl. Hartwig, Gladbacherstr. 108.
Für Bezirk St. Anna: Frl. Kath. Pesch, Inratherstr. 63.
4) Berufsschwester: Schwester Sibylla Heß, Ritterstraße 305.
5) Büro: Karitashaus, Westwall 153 (Sprechstunden: Sonntags und Werktags von 11–12, Werktags auch nachmittags von 3-4 Uhr).
1Textpassage "1. Wir haben […] Krankenpflege" am rechten Seitenrand vermutlich von Pacelli mit einer geschweiften Klammer markiert.
Empfohlene Zitierweise
[Hauspflege und Hilfsvereinigung der Drittordensgemeinden Krefeld], Merkblatt III. Hauspflege und Hilfsvereinigung (H.H.) der Drittordensgemeinden Krefeld, [Krefeld] vom vor dem 02. November 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 1985, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/1985. Letzter Zugriff am: 28.11.2024.
Online seit 31.07.2013.