Dokument-Nr. 14215
Graimberg, Maria von an Pius XI.
Heidelberg, 30. April 1923

Heiligster Vater!
So viele, die unter der Not dieser schweren Zeit leiden, wenden sich heute um Hilfe an Ew. Heiligkeit; und so wage denn auch ich vertrauensvoll die gleiche Bitte.
Meines längst verstorbenen Vaters Lebenswerk war die Förderung der kathol. Gesellen- u. Arbeitervereine; Arbeiter haben ihn auch zu Grabe getragen. Meine Mutter leitet noch heute, obschon sie in diesem Sommer ihr 70. Lebensjahr vollendet, den hiesigen, von ihr gegründeten kath. Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder, der in unserer zerrütteten Zeit ein dringendes Bedürfnis geworden ist. Meine einzige, viel jüngere Schwester studiert noch.
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Ich selbst habe in meinem väterlichen Hause hier im Jahre 1911 eine katholische Soziale Frauenschule gegründet, die sich unter unsäglichen Schwierigkeiten in der liberal-protestantischen Universitätsstadt Heidelberg durchgesetzt hat. Ich war mir bewusst, dass in einer anderen Umgebung für mich leichter zu arbeiten gewesen wäre; jedoch sollte meine Vaterstadt doch auch eine einzige katholische Schule haben und die kath. Wohlfahrtspflege einen – wenn auch bescheidenen – Stützpunkt. Das nahe Mannheim hat ähnliche ganz religionslose Schule [sic], die von hier aus allgemein besucht werden würde, wenn die hiesige Schule nicht bestände. Ist es aber nicht ein Widersinn, dass eine Wohlfahrtspflegerin die höchste Wohlfahrt, die der Seelen, nicht pflegen sollte?! –
So arbeite ich mit einer treuen Freundin an meiner sozial-pädagogischen Aufgabe. Oft schon dachten wir, es könne nicht mehr weiter gehen, so schlimm waren die Zeiten.
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Gott half weiter. – Heute ist die enorme Teuerung, die uns das Leben schwer macht. Es ist unmöglich, ihr die Schulgelder auszugleichen, da die Kreise unserer Schülerinnen meist nicht die des "neuen Reichtums" sind. Der Staat ist mit seiner Hilfe zurückhaltend, weil die Schule katholisch ist. So verschlingen die Dozentenhonorare fast allein die ganze Schulgeld-Einnahme und es bleibt für anderes, wie Steuern, Reparaturen, Anschaffungen, Bücher, Drucksachen, Porto, sowie meine persönlichen Auslagen, nichts übrig. –
Angesichts dieser Notlage bitte ich Ew. Heiligkeit mit kindlicher Ehrfurcht und grösstem Vertrauen um Hilfe für die kleine Schule, die so gerne auch weiterhin tüchtige Hilfsarbeiterinnen in den Weinberg des Herrn entsenden möchte.
Und wie wir im Jahre 1905 das Glück hatten, persönlich von Seiner Heiligkeit, dem uns unvergesslichen und von uns seitdem ganz besonders hochverehrten Hochseligen Heiligen
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Vater Pius X. zu knien und von ihm den Segen zu empfangen, so bitte ich auch heute Ew. Heiligkeit für uns alle um den Segen.
Ich verbleibe, heiligster Vater,
Ew. Heiligkeit
ergebenste Tochter
Maria Gräfin v. Graimberg
Empfohlene Zitierweise
Graimberg, Maria von an PiusXI. vom 30. April 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14215, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14215. Letzter Zugriff am: 25.11.2024.
Online seit 23.07.2014.