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                            Dokument-Nr. 2004
                         
                        
                        Abschrift
Streng vertraulich! 
                        Euren Bischöflichen Gnaden
beehre ich mich, den Empfang Ihres geschätzten Schreibens vom 20. Mai. d.J. in Sachen der Mitgliedschaft katholischer Exegeten in der Gesellschaft zur Förderung der alttestamentlichen Wissenschaft mit verbindlichstem Dank ergebenst zu bestätigen. Wenn ich nun auch den katholischen Exegeten, die sich der genannten Gesellschaft anschließen wollen, gerne die besten Absichten zuerkenne, so kann ich mich doch folgender Bedenken gegen einen solchen Anschluß nicht erwehren:
1. Wie ich höre, spricht sich ein anderer Teil der katholischen Exegeten aus Gewissensbedenken scharf gegen die Mitgliedschaft von Katholiken an der geplanten Gesellschaft aus. Die Beteiligung würde also Uneinigkeit in den eigenen Reihen stiften und schon damit eine Schwächung der katholischen Position herbeiführen. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß erfahrungsgemäß unsere katholischen Theologen durch die ständige Beschäftigung mit der liberal-protestantischen Richtung in der Exegese leicht Schaden leiden, besonders wenn sie ihrer exegetischen Arbeit nicht einen soliden dogmatischen Unterbau geben. Die hier liegende Gefahr würde aber durch den Anschluß an die zu gründende Gesellschaft nur noch vermehrt. Endlich wird es sich nicht umgehen lassen, daß die katholischen Mitglieder der Gesellschaft in ihren Referaten auch Themen behandeln, die weltanschauliche Fragen berühren, wie es ja auch in den letzten Jahren schon der Fall war. Sie können sich doch nicht auf rein sprachliche oder rein archäologische Fragen beschränken. Wird sich dabei der katholische
2. Aber davon abgesehen scheinen auch schwerwiegende Gründe gegen die Erlaubtheit einer solchen Teilnahme zu sprechen. In zwei Fällen ließe sich, rein theoretisch betrachtet, die Teilnahme von katholischen Exegeten an der überkonfessionellen Vereinigung rechtfertigen. Zunächst einmal, wenn der Beitritt erfolgte, um gerade der katholischen Exegese die gebührende Berücksichtigung durch Unterstützung ihres bibelwissenschaftlichen Schrifttums, auf Kongressen, bei der Errichtung von Lehrstühlen usw. zu sichern. Ferner, wenn es sich nur um Interessen der alttestamentlichen Wissenschaft handelte, die ganz außerhalb der religiösen Diskussion liegen, also um Erhaltung des Hebräischen als Unterrichtsfach auf den höheren Schulen, um Unterstützung von rein archäologischen oder linguistischen Forschungen u.ä.
Indes soll der erstgenannte Zweck, die Sorge für konfessionelle Angelegenheiten, ja gerade möglichst ausgeschlossen werden, wie Eure Bischöflichen Gnaden selbst bemerken, während das an zweiter Stelle genannte Ziel den Zweck der Gesellschaft offensichtlich viel zu eng faßt. Aus der Mitteilung von Professor Eissfeldt in der "Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft" und aus dem geschätzten Schreiben Eurer Bischöflichen Gnaden selbst ergeben sich nämlich als weitere Ziele die Unterstützung bereits bestehender Fachzeitschriften (der Aufruf von Prof.
In ausgezeichneter Wertschätzung und Verehrung
Euren Bischöflichen Gnaden ergebenster
+ Eugen Pacelli Erzbischof von Sardes
Apostolischer Nuntius 
                        Siehe die
            textidentische Anlage im Archiv des Staatssekretariats (Dokument Nr. 20610). 
                        
                             
                        
                             
                        Online seit 20.01.2020. 
                    
    Dokument-Nr. 2004
Pacelli, Eugenio an Bludau, Augustinus
 an Bludau, Augustinus
Berlin, 28. Juni 1928
                        Streng vertraulich!
beehre ich mich, den Empfang Ihres geschätzten Schreibens vom 20. Mai. d.J. in Sachen der Mitgliedschaft katholischer Exegeten in der Gesellschaft zur Förderung der alttestamentlichen Wissenschaft mit verbindlichstem Dank ergebenst zu bestätigen. Wenn ich nun auch den katholischen Exegeten, die sich der genannten Gesellschaft anschließen wollen, gerne die besten Absichten zuerkenne, so kann ich mich doch folgender Bedenken gegen einen solchen Anschluß nicht erwehren:
1. Wie ich höre, spricht sich ein anderer Teil der katholischen Exegeten aus Gewissensbedenken scharf gegen die Mitgliedschaft von Katholiken an der geplanten Gesellschaft aus. Die Beteiligung würde also Uneinigkeit in den eigenen Reihen stiften und schon damit eine Schwächung der katholischen Position herbeiführen. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß erfahrungsgemäß unsere katholischen Theologen durch die ständige Beschäftigung mit der liberal-protestantischen Richtung in der Exegese leicht Schaden leiden, besonders wenn sie ihrer exegetischen Arbeit nicht einen soliden dogmatischen Unterbau geben. Die hier liegende Gefahr würde aber durch den Anschluß an die zu gründende Gesellschaft nur noch vermehrt. Endlich wird es sich nicht umgehen lassen, daß die katholischen Mitglieder der Gesellschaft in ihren Referaten auch Themen behandeln, die weltanschauliche Fragen berühren, wie es ja auch in den letzten Jahren schon der Fall war. Sie können sich doch nicht auf rein sprachliche oder rein archäologische Fragen beschränken. Wird sich dabei der katholische
2r
        Standpunkt genügend zur Geltung bringen lassen? Wird nicht die anschließende Diskussion
        schon wegen der rein zahlenmäßigen Ueberlegenheit der Protestanten uns mehr Nachteil als
        Vorteil bringen? Aus diesem Grunde glaube ich starke Zweifel gegen die Opportunität
        der Beteiligung von Katholiken an der genannten Gesellschaft hegen zu müssen.2. Aber davon abgesehen scheinen auch schwerwiegende Gründe gegen die Erlaubtheit einer solchen Teilnahme zu sprechen. In zwei Fällen ließe sich, rein theoretisch betrachtet, die Teilnahme von katholischen Exegeten an der überkonfessionellen Vereinigung rechtfertigen. Zunächst einmal, wenn der Beitritt erfolgte, um gerade der katholischen Exegese die gebührende Berücksichtigung durch Unterstützung ihres bibelwissenschaftlichen Schrifttums, auf Kongressen, bei der Errichtung von Lehrstühlen usw. zu sichern. Ferner, wenn es sich nur um Interessen der alttestamentlichen Wissenschaft handelte, die ganz außerhalb der religiösen Diskussion liegen, also um Erhaltung des Hebräischen als Unterrichtsfach auf den höheren Schulen, um Unterstützung von rein archäologischen oder linguistischen Forschungen u.ä.
Indes soll der erstgenannte Zweck, die Sorge für konfessionelle Angelegenheiten, ja gerade möglichst ausgeschlossen werden, wie Eure Bischöflichen Gnaden selbst bemerken, während das an zweiter Stelle genannte Ziel den Zweck der Gesellschaft offensichtlich viel zu eng faßt. Aus der Mitteilung von Professor Eissfeldt in der "Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft" und aus dem geschätzten Schreiben Eurer Bischöflichen Gnaden selbst ergeben sich nämlich als weitere Ziele die Unterstützung bereits bestehender Fachzeitschriften (der Aufruf von Prof.
3r
Eissfeldt erwähnt ausdrücklich und ausschließlich die
        eben genannte "Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft"), die Förderung des den
        Orientalisten-Tagungen angegliederten Alttestamentler-Tages, den Verkehr der deutschen
        Alttestamentler mit denen des Auslandes und die Abwehr von Angriffen auf das Alte Testament.
        Nun macht aber gerade die "Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft", wie Eure
        Bischöflichen Gnaden wissen, tatsächlich die stärkste Propaganda für die protestantische
        kritisch-radikale Exegese des Alten Testamentes und fügt uns damit ganz außerordentlichen
        Schaden zu. Kann ein Katholik als Privatmann einer Gesellschaft angehören, die die Förderung
        einer solchen Zeitschrift in ihr Programm aufgenommen hat? Ein Katholik dürfte doch auch
        nicht damit einverstanden sein, daß ein Vertreter der eben genannten kritischen Schule als
        Referent über eine alttestamentliche, das religiöse Gebiet berührende Frage zu einem in-
        oder ausländischen Kongreß abgeordnet werde. Die Berichte über die bisherigen Tagungen
        liefern Beispiele genug, wie solche Referenten derartige Fragen ganz im Sinne ihrer
        Weltanschauung behandelten. Die katholischen Mitglieder der Gesellschaft müßten also Fall
        für Fall protestieren oder ihre Vorbehalte machen, oder aber gegen ihr Gewissen schweigen
        oder sich überstimmen lassen. Die Exegese ist wie die Dogmatik ein wesentlich theologisches
        Fach. So wenig sich aber die katholischen und protestantischen Dogmatiker zu einem
        überkonfessionellen Verband zusammenschließen können, ebenso wenig können es meines
        Erachtens die Exegeten. Es müßte sich denn um einen rein ökonomischen Zweckverband handeln.
        Das trifft aber im vorliegenden Falle eben nicht zu.4r
Ich
        gestatte mir, Euren Bischöflichen Gnaden diese Bedenken als meine persönliche Auffassung
        vorzulegen.In ausgezeichneter Wertschätzung und Verehrung
Euren Bischöflichen Gnaden ergebenster
+ Eugen Pacelli Erzbischof von Sardes
Apostolischer Nuntius
1↑Seitenzählung von den Editoren eingefügt.
                            
                        