Dokument-Nr. 476
Boelitz, Otto an Pacelli, Eugenio
Berlin, 28. November 1924
sehr geschätzte Note vom 25. Juni d. Js. – N. 30728 – habe ich erst beantworten zu sollen geglaubt, nachdem sich übersehen ließe, wie die in neuerer Zeit eingeleitete Festigung der deutschen Währung und ihre Wirkung auf den Staatshaushaltsplan sich für die in der Note behandelten Fragen nutzbar machen ließe.
Euer Exzellenz freue ich mich nunmehr mitteilen zu können, daß im Einvernehmen mit dem Herrn Preußischen Finanzminister in Aussicht genommen ist, in dem kommenden Staatshaushalt die für die Bistümer in den Zirkumskriptionsbullen vorgesehenen Beträge sowie die weiteren im Jahre 1906 bei Kap. 115 Tit. 14 und 15 des Staatshaushalts bewilligten Zuschüsse ihrem vollen Nennbetrage nach in Reichsmark wieder einzusetzen. Ebenso ist für den genannten Staatshaushalt in Aussicht genommen, ausreichende Mittel bereitzustellen, um einstweilen im Wege der Zuschußgewährung die staatlichen Verpflichtungen zur Bestreitung der Bedürfnisse einzelner Kirchengemeinden im allgemeinen in voller Höhe der Vorkriegsbeträge erfüllen zu können.
Was die Vergangenheit angeht, so mag zugegeben werden, daß
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während der Inflationszeit die in Rede
stehenden Leistungen bis zum gewissen Grade mit Rücksicht auf die verhängnisvolle Finanzlage
des Staates hatten beschränkt werden müssen. Wenn jedoch Euer Exzellenz in der vorerwähnten
Note auf die gegenüber dem Herrn Reichsminister des Aeußern eingelegte Verwahrung
zurückkommen, so bitte ich darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß vor jenem Schritt der
Heilige Stuhl, soweit Preußen in Betracht kommt, niemals wegen Erfüllung der bullenmäßigen
Leistungen vorstellig geworden ist, insbesondere niemals die vom Staat unter Anspannung
aller seiner Kräfte getätigte Erfüllung dieser Leistungen beanstandet hat. Weiter habe ich
mit Dank aus der geehrten Note vom 25. Juni ersehen, daß der finanziellen Bedrängnis
des Staates seitens der katholischen Kirche grundsätzlich Rechnung getragen wird. Ich vermag
daher nicht anzuerkennen, daß jener Verwahrung eine formelle oder materielle Berechtigung
innegwohnt [sic] hätte. Aus den Folgerungen, die Euer Exzellenz bezüglich der Verpflichtung
des Staates zur Weitergewährung der bullenmäßigen Beträge ziehen, entnehme ich sodann, daß
Euer Exzellenz von der fortdauernden Rechtsbeständigkeit der für Preußen in Frage kommenden
in den Bullen bestätigten Vereinbarungen mit Preußen, Hannover und den Staaten der
oberrheinischen Kirchenprovinz ausgehen, und dies entspricht voll dem Standpunkt der
preußischen Staatsregierung.Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass der nunmehr vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags in Aussicht genommenen Wiederherstellung der Dotationen in Reichsmark die Bedenken Euer Exzellenz im wesentlichen zerstreut sein werden. Soweit die von
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Euer Exzellenz noch geäußerten Wünsche über
die Leistungen des Staatshaushalts der Vorkriegszeit hinausgehen, wird mangels einer für den
Staat anerkennbaren rechtlichen Verpflichtung eine allgemeine Erklärung der Staatsregierung
zur Zeit nicht wohl in Frage kommen. Zur Erörterung dieser Probleme könnten die angestrebten
Verhandlungen mit der preußischen Staatsregierung demnächst geeignete Gelegenheit
bieten.Mit der Versicherung meiner besonderen Verehrung und Hochschätzung verharre ich als
Euer Exzellenz
ganz ergebenster
(gez.) Dr. Boelitz.