Dokument-Nr. 18114
Rosenberg, Joseph Arnold an Pacelli, Eugenio
Paderborn, 28. Oktober 1925

Eure Exzellenz
Gestatten, daß wir in einer den Glauben und das sittliche Leben von katholischen Christen betreffenden Angelegenheit um gütige Hilfe bitten. Es handelt sich um die polnischen Wanderarbeiter, die in großer Zahl – in Mitteldeutschland sind es 30.000 – in Deutschland Arbeit suchen und finden. Die großen Mißstände unter diesen katholischen Polen werden in der Eingabe des Dechanten Hunstiger in Nordhausen klar gezeichnet, die einzelnen Thesen des Berichts können als der Wahrheit voll entsprechend von uns erklärt werden. Alle unsere bisherigen Bemühungen auf Aenderung unserer Gesetzgebung (§ 67 des Personenstandsgesetzes) haben bisland zu keinem nennenswerten Erfolge geführt. Auch die zahlreichen Bemühungen des Herrn Kardinals Bertram von Breslau haben das gleiche Schicksal gehabt. Die Verurteilungen von Priestern unserer Diözese sind zahlreich. Sie handelten in Gewissensnot. Polen leben jahrelang ohne kirchliche Trauung zusammen, sie wollen sich trauen lassen, sind aber nicht imstande, die zur bürgerlichen Ehe nötigen Papiere zu beschaffen. Unsere Geistlichen geben sich alle erdenkliche Mühe, diese Papiere für sie zu beschaffen. Leider gelingt es auch ihnen in sehr vielen Fällen nicht. Wenn sie dann, um das Aergernis des Konkubinats zu entfernen und den illegitimen Paaren den Seelenfrieden zu verschaffen, zur Trauung schreiten, werden sie vom Staatsanwalt wegen Uebertretung von § 67 des Personenstandsgesetzes verfolgt und bestraft.
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Eure Exzellenz bitten wir im Interesse des Seelenheils der polnischen katholischen Christen, im Interesse des Ansehens der katholischen Kirche, das durch jene Konkubinate so schwer leidet, im Interesse unserer eifrigen Seelsorger, die vor die Gerichte gezogen werden, beim Heiligen Vater vorstellig zu werden, daß in den polnischen Diözesen die Beschaffung der Ehepapiere so schnell als möglich zu erträglichen Gebühren angeordnet werde.
Es fällt uns äußerst schwer, einen solchen Antrag zu stellen. Aber angesichts der seelischen Not jener Wanderarbeiter und der schweren Schädigungen für Glaube, Sitte und Kirche dürfen wir auch vor außergewöhnlichen Mitteln der Abhilfe nicht zurückschrecken.
Sollte es außerdem Eurer Exzellenz möglich sein, durch Verhandlungen mit den zuständigen Stellen und im Benehmen mit Herrn Kardinal Bertram dahin einwirken uz können, daß die Strafbestimmungen des § 67 des Personenstandsregisters abgeändert werden, daß eine in Gewissensnot ohne vorherige bürgerliche S Trauung erfolgte kirchliche Trauung nicht strafbar sein soll, so würden wir auch das dankbar begrüßen.
Anlage.
Rosenberg
Empfohlene Zitierweise
Rosenberg, Joseph Arnold an Pacelli, Eugenio vom 28. Oktober 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18114, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18114. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.06.2016.