Dokument-Nr. 19391
Filchner, Wilhelm an Pacelli, Eugenio
Berlin, 18. September 1928
In ungefähr einem Jahr trete ich im Einverständnis und mit der Unterstützung des britischen Gouvernements in Indien eine Forschungsreise nach Tibet an. Ausgangspunkt Darjeeling. Es ist geplant, von Lhassa [sic] aus das Gebiet am Oberlauf des Salveen zu erforschen bis in die Gegend östlich von Bhamo.
Die britische Regierung stellt mir zu diesem Zweck einen ihrer tüchtigsten Vermessungsbeamten zur Verfügung.
In Lhassa waren in früheren Jahr
Ich bin überzeugter Katholik und ein Kämpfer für meinen Glauben, und daher erlaube ich mir in Vorschlag zu bringen, die Gelegenheit meiner wissenschaftlichen Expedition nach Tibet der katholischen Kirche zur Verfügung zu halten, um einen katholischen Geistlichen, unter dem Deckmantel meines wissenschaftlichen Assistenten den Eintritt nach Tibet zu ermöglichen.
Der Lamaismus ist in weiten Gebieten Tibets bereits brüchig geworden und der Zerfall der tibetanischen Religion macht stellenweise sichtbare Fortschritte. Die katholische Kirche tut gut, sich in Tibet bereit zu halten, im geeigneten Augenblick zur Stelle zu sein. Einem mit dem Lamaismus vertrauten Priester würde sich jetzt eine günstige Gelegenheit bieten, sich an Ort und Stelle ein Urteil über die Möglichkeit einer Missionierung Tibets zu bilden, und ferner alte Verbindungen wieder anzuknüpfen. Ich stelle mich für diese Zwecke samt meinen guten Verbindungen mit Freuden zur Verfügung. Ich bitte nur, dass mir das Recht zugesprochen werden möge, im Falle der Zustimmung zu meinem Vorschlage das britische Gouvernement
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von allen beabsichtigten Schritten loyaler
Weise uneingeschränkt zu informieren. Im übrigen würde ich mich in punkto Personalfragen
ganz dem Vorschlage Roms fügen und mir im Falle der Ablehnung eines deutschen Geistlichen
den Rat vorbehalten, einen britischen katholischen Geistlichen für den bekannten Zweck ins
Auge zu fassen.Der Islam liegt in Centralasien auf der Lauer, um aus dem religiösen Zusammenbruch des Lamaismus und auch des Buddhismus sofort Vorteile zu schlagen. -
Ja, der Islam hat in den letzten Jahrzehnten sogar bereits in weiten Landstrichen Tibets Fuss gefasst. Die indischen Religionen würden bei diesen Vorgängen eine geringere Rolle spielen, da ihre Stosskraft nicht annähernd derjenigen des Islam gleicht.
Für das Christentum und speziell die katholische Religion aber ist Tibet ein besonders dankbares Gebiet, das einen reichen Fischzug verspricht.
Seit England den chinesischen Einfluss in Lhassa gebrochen hat, ist der Hauptintrigant, der Chinese, ausgeschaltet, der aus taktischen Gründen planmässig die Tibeter in ihrer Unwissenheit gehalten hatte, besonders dadurch, dass er den Europäer und den Weissen überhaupt als gefährlichen Feind brandmarkte, um gerade dadurch die abergläubischen Massen besser und leichter nach egozentrischen Gesichtspunkten hin beeinflussen und führen zu können. Sowie der britische Einfluss in Lhassa wieder nachlassen sollte, würde automatisch der chinesische Einfluss dortselbst wiederum zunehmen. So ist es gerade jetzt die einzige Gelegenheit für die katholische Kirche, unauffällig alte, wichtige Verbindungen in Tibet von neuem anzuknüpfen, Verbindungen, die sich später, wenn der grosse Religionszusammenbruch in Tibet einsetzt, als besonders wertvoll erweisen könnte.
Ich habe die Ehre, bei dieser Gelegenheit Euer Excellenz die Versicherung meiner ehrerbietigsten Hochachtung zu wiederholen als
Euer Excellenz
ganz ergebenster
W. Filchner
1↑Hds. vermutlich vom Verfasser gestrichen und
eingefügt.
2↑Hds. vermutlich vom Verfasser
gestrichen.