Dokument-Nr. 20171
Krebs, Engelbert an Pacelli, Eugenio
Freiburg im Breisgau, 31. August 1927
sehr geehrter hochwürdigster Herr Nuntius.
Mit ergebenstem Danke bestätige ich Euerer Exzellenz den Empfang des Schreibens aus dem Vatikan. Ich werde die ehrenden Worte des Herrn Kardinal-Staatssekretärs als eine Ermutigung zu weiteren Arbeiten an "Dogma und Leben" aufnehmen, wie ich in ehrfurchstvollem Danke die segnende Hand des Heiligen Vaters küsse. Was die beigelegten "Bemerkungen" angeht, so bin ich einigermassen erstaunt darüber, dass ihr Verfasser das "Aergernis in der Hauptstadt der Kirche und am Hof ihres höchsten Priesters" nicht "unerträglich" findet, weil man "accanto alle ombre fosche" damals doch auch "splendori di santità" in Rom finden könne. Ich denke, dass gerade neben den Heiligen des 15. und 16. Jhdh. das Aergernis am Hofe der Renaissancepaepste bis in die Zeiten des Trienter Konzils hinein, bis Paul III. und Julius III. Zeiten eingeschlossen, nach der sicher nicht "übertriebenen" Darstellung von L. v. Pastor wirklich "ins Unerträgliche" stieg und von den Heiligen der Zeit als solches beurteilt wurde. Wenn der Verfasser
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der Bemerkungen
weiter sagt, es sei "più forte", dass ich Luther, Zwingli und Calvin "starke religiöse
Persönlichkeiten" nenne, so verweise ich auf P. Grisars Lutherwerk, das uns zeigt: bei
aller Verwirrung Luthers, war sein Herz und sein Denken immer bei der Religion. Er betete
täglich und war bei aller Verkehrtheit seines Tuns, doch von religiösen Ideen sein Leben
lang beherrscht. Aehnlich ist es bei Calvin.Mit meiner "buona conclusione" ist der Verfasser der Bemerkungen einverstanden. Um so schmerzlicher berührt es mich, zu sehen, wie verschieden die Maßstäbe sind, mit denen er vor dem H. Vater die geschichtlichen Tatsachen misst, und mit denen die Spezialisten der Geschichtsforschung über jene Zeit dieselben Tatsachen messen. Denn angesichts der von L. v. Pastor und von P. Grisar mitgeteilten Tatsachen kann ich den vom Verfasser beigezogenen Abschnitt nicht als "esagerato e antistorico" beurteilen.
Ich glaubte, Euerer Exzellenz diese Erklärungen schuldig zu sein, weil Offenheit das Fundament menschlicher Beziehungen ist. Dennoch glaube ich andererseits, in meiner Antwort an Seine Eminenz den Herrn Kardinalstaatssekretär diese Dinge nicht berühren zu sollen. Wenn Euere Exzellenz es für gut finden, meine obigen Gegenbemerkungen in geeigneter Weise dem Verfasser der "Bemerkungen" mit zu teilen, so bitte ich darum.
Den Brief an Seine Eminenz lege ich bei mit der Bitte, ihn an den hochwürdigsten Herrn weiter zu leiten.
Ich bitte Euere Exzellenz, meinen nochmaligen Dank und ehrerbietigsten Gruß gütigst anzunehmen Euerer Exzellenz ehrfurchtsvoll ergeben
Engelbert Krebs
Prof.