Dokument-Nr. 13636
Rodler, Maria an Pius XI.
Freiburg im Breisgau, 18. Februar 1923

Nach reiflicher Ueberlegung bin ich zum endgiltigen Entschluss gekommen Ihnen Heiligster Vater ein grosses persönliches Anliegen vorzutragen. Ich bitte Ihre Heiligk. meine Kühnheit zu entschuldigen, aber ich habe das festeste Vertrauen gerade in dieser Angelegenheit zu dem Vertreter meines Heilandes auf Erden, weil ich überzeugt bin, dass ich der Hilfe gewiss sein darf. Wohl gibt es auch in meinem deutschen Vaterlande wohltätige Menschen, aber ich kenne wenig, und für mein Trachten kann nur ein Mensch Interesse haben der selber diese Laufbahn ging. Mit schlichten Worten, in treuer Wahrheit will ich es wagen, meine Bitte vorzutragen.
Ich bin ein Mädchen von 17 Jahren, und wurde von Gott mit vielseitigen geistigen Fähig-
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keiten beglückt, die den innigsten Wunsch zum Studium in mir weckten und im Laufe vieler Jahre den Entschluss in mir weckten und im Laufe vieler Jahre den Entschluss in mir reiften, mich dem Lehrerinnenberufe zu widmen. Kein schöneres Ziel, keine segenbringendere Arbeit kann ich mir von meinem Standpunkte aus denken, als unerwachte zarte Kinderseelen durch Belehrung und praktische Ausübung der Religion ihrem ewigen Ziele entgegenzuführen. Durch die grosse Geldentwertung würde mir jedoch ein starker Strich durch meine Pläne gemacht werden, wenn nicht mildtätige Hand mir hilft. Denn ich muss dazu 6 Jahre noch ein Gymnasium besuchen und es fehlen mir jegliche Mittel, um in ein solches einzutreten. Seit etwa 6 Wochen habe ich Stunden in Latein um die Aufnahmeprüfung bestehen zu können. Ich mache darin erfreuliche Fortschritte und es hat sich wenigstens ein Anfangsgrundstein mit vielen Opfern erworben, gelegt, und ich glaubte es sicher möglich machen zu können. Der Verdienst meines Vaters ist auch nicht sehr gross, denn er ist vor etwa 10 Jahren verunglückt, sodass er seither berufsunfähig ist, und nur leichte Arbeit verrichten kann. Meine Eltern würden mir erlauben, diese Laufbahn zu ergreifen, wenn ich nur wenigstens einen
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finanziellen Grundstein hätte, nur für das 1. Jahr, dann würde ich durch Stundengeben mir meinen Unterhalt erwerben. Bisher war ich auf einem Büro, doch dieser Beruf machte mich unglücklich von der 1. Stunde bis heute, und hat mich gesundheitlich ruiniert, denn ich wurde das Opfer düsterer Schwermut und Lebensmüdigkeit, daraus kann nur die Schule mich retten.
Nach Klarlegung dieser Gründe werden Sie Heiliger Vater meine Aufdringlichkeit verstehen und vielleicht auch die mannigfache Klage verzeihen, die ich ehrlich gesagt, nicht gerne sagte, aber was nichts kostet ist nichts wert. Ich liebe nicht alles an die grosse Glocke zu bringen, nein Gott gab mir ein stilles, zurückgezogenes Wesen, auf Grund dessen ich gerne tief und vielseitig auf wissenschaftliche Dinge eingehe und nur am Studium Freude finde.
Mit herzlichem kindlichem Vertrauen bitte ich Sie Heiliger Vater helfen Sie mir durch Unterstützung mein Ziel zu erreichen, dass ich am 9. April 23 in die Schule kann.
Meines Dankes dürfen Sie gewiss sein
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doch nicht in preisenden Worten, nein in dankbarem Gebet und guter Lebensführung soll ich ihn zeigen und will es auch. Es ist mein voller Ernst das zu halten was ich schriftlich versprochen, denn ich liebe eher Taten als Worte und verlange sie auch unerbittlich von mir selbst. Sollten Sie jedoch meinen Schilderungen autoritatives Mistrauen [sic] entgegen bringen, so bin ich gerne bereit Ihnen ein Leumunds- und Sittenzeugnis einzusenden und, daß Sie Hlg. Vater die kleine Bittende kennen lernen erlaube ich mir eine Photographie von mir beizulegen, die mich zugleich an meinem Ehrentage zeigt. Ich bin jetzt noch fast gleich gross, nur etwas magerer und ernster. Es wird mir eine kindl. Freude sein, Ihnen von Zeit zu Zeit von dem Verhalten in der Schule und meinem Tun und Treiben zu schildern, und hoffe fest, diese Freude erleben zu dürfen, um dadurch innerlich zufrieden zu werden. Mit aufrichtigem Dank im Voraus will ich nun meine Bitte schliessen und hoffe daß das Brieflein den Vertreter des Heilandes erreicht und mir zu dem verhilft wonach meine jugendliche Seele verlangt.
Mit Ehrfurcht erlaubt sich einen Gruss zu senden in Dankbarkeit
Maria Rodler
130r links oben hds. von unbekannter Hand, vermutlich von der Absenderin, notiert:"+J. V. L."
Empfohlene Zitierweise
Rodler, Maria an PiusXI. vom 18. Februar 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 13636, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/13636. Letzter Zugriff am: 25.11.2024.
Online seit 23.07.2014.