Dokument-Nr. 6465
Effinger OSB, Paulina an Pius XI.
Neustift, 15. August 1922

Heiligster Vater!
In unserer Bedrängnis und Not, gestatten Sr. Heiligkeit, daß ich mich demütigst an Ihre Güte wende, u. um der Liebe Jesu willen bitte, uns armen Schwestern, von der Ewigen Anbetung doch eine kleine Unterstützung zukommen zu lassen, um uns ein kl. Heim u. einen bescheidenen Unterhalt zu sichern.
Während des Krieges sind wir sämtliche deutsche Schwestern aus unserem Mutterkloster im Elsaß u. seinen Filialen in Frankreich ausgewiesen worden, 30 an der Zahl, u. sind arm u. völlig
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mittellos in unser Vaterland zurückgekehrt. Seither ringen wir uns mühsam u. unter den größten Entbehrungen durch; wir haben nicht einmal die Mittel unseren lb. Schwestern ihr abgetragenes Ordenskleid zu ersetzen. Seit kurzem haben wir, hier in Neustift, Diozöse [sic] Passau, ein kleines Anwesen mit 10 Tagw. Feld käuflich erworben u. sind nun mit einigen Schwestern hier umgezogen, um für unsere alten arbeitsunfähigen Schwestern ein Heim einzurichten. Aber welche Armut und Not in diesem leeren Hause, ohne jedwelches Inventar, ohne Brennmaterial, u. ohne Geld solches zu kaufen. Der Ankauf dieses Hauses allein belastet uns schon mit einer Schuld von 200.000 M1.Doch womit bezahlen, da wir ganz mittellos sind, u. es uns mit aller Arbeit, Fleiß und Sparsamkeit nicht möglich ist, die erforderliche Summe zu decken. Unser lb. Mutterhaus kann uns auch nicht helfen, da es durch den Krieg selbst ganz verarmt ist.
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Groß und erdrückend sind darum unsere Sorgen bei der immer steigenden Teuerung.
Dürfte ich deßhalb [sic], Sr. Heiligkeit nochmals recht inständig bitten, uns doch gütigst einigermaßen aus unserer Bedrängnis zu helfen, damit wir doch einiges Brennmaterial u. die allernotwendigste Hauseinrichtung uns anschaffen können.
Gewiß wird der lb. Heiland reichlichst lohnen, was seinen armen Bräuten u. Anbeterinnen zugewiesen wird. Ist uns ja nicht nur hiermit in unserer Bedrängnis geholfen, sondern wird uns auch wieder unser einziger, heißer Wunsch ermöglicht, bald wieder dem Hauptzweck unserer lb. Congregation, der Ew. Anbetung zu obliegen und so ununterbrochen dem lb. Heiland treue Ehrenwache halten zu können; u. für Sr. Heiligkeit so Tag u. Nacht beim eucharistischen Trone [sic] Gnaden und Segen erflehen.
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Möge der lb. hl. Joseph, dessen besondern Schutze wir unser Klösterlein anvertraut haben, unser Fürbitter sein u. unserer so schlichten, einfachen Bitte Erhörung gewähren.
Mit größtem Vertrauen unsere Bitte erhört zu haben, dem Wohlwollen unseres heiligsten Vaters entgegensehend, zeichnet
Seiner Heiligkeit
dankbarste, demütigst ergebene Dienerin
Schw. M. Paulina, Oberin
von der Ew. Anbetung; Klösterlein Sr. Scholastika
in Neustift Post Ortenburg – Nieder Bayern
69r, hds. oberhalb des Textes von der Verfasserin notiert: "Adoremus in aeternum S.S."; 69r, hds. oberhalb des Textes von unbekannter Hand notiert, vermutlich vom Empfänger: "[f] 5 M Lire".
1"200.000" hds. von unbekannter Hand unterstrichen, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Effinger OSB, Paulina an PiusXI. vom 15. August 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 6465, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/6465. Letzter Zugriff am: 28.11.2024.
Online seit 31.07.2013.