Dokument-Nr. 8602

Baumberger, Georg: [Kein Betreff], 31. Mai 1917

Hochgeehrte Herren!
Das unterzeichnete Generalsekretariat wurde von zuständiger Seite ersucht, der katholischen Presse der neutralen Länder sowie derjenigen der kriegführenden Staaten, soweit Aussicht auf Berücksichtigung vorhanden ist, folgende Erwägungen zu unterbreiten:
Die internationale Sozialdemokratie schickt sich an, die Friedensfrage an sich zu reißen und die bezüglichen Bestrebungen am internationalen Sozialisten-Kongress, der Anfangs [sic] oder Mitte Juli in Stockholm tagen wird, zu krönen. So löblich es von jener Seite ist, dem Frieden, den alle Völker so heiß herbeisehnen, dienen zu wollen, so bergen diese Bestrebungen doch ernste Gefahren nach zwei Seiten in sich. Zum ersten werden sie mit einer konsequenten Werbeagitation für die Sozialdemokratie verbunden und diese wird als noch allein befähigt und allein berufen hingestellt, der Welt den so bitterlich notwendigen Frieden wieder zu bringen. Nachdem die Länge des Krieges mit allen bitteren und harten Begleiterscheinungen ohnehin der Sozialdemokratie zahllose neue Anhänger in allen Ländern zuführt, bedürfte es nur noch, dass die öffentliche Meinung unter den Eindruck zu stehen käme, als sei die Sozialdemokratie die einzige den Frieden bringende Instanz geworden, um ihre Macht ins Ungemessene zu stärken und diese in einer Anzahl von Ländern nahezu ausschlaggebend zu machen. Welche Gefahren damit nicht zum wenigsten für die katholische Kirche und die Katholiken verbunden wären, braucht nicht des Näheren erörtert zu werden.
Sodann ist in der Formel, die die internationale Sozialdemokratie für den Frieden aufstellt, ebenfalls eine ernste Gefahr zu erblicken. Nach allen bisherigen Berichten dürfte die Formel, auf die man sich in Stockholm schließlich einigen wird, lauten "Friede ohne Annexionen und ohne Kriegsentschädigungen". Es steht aber schon heute außer Zweifel, dass diese Formulierung durch Nachsätze verklausuliert werden wird, die sie zu einem wesentlichen Teile hinfällig machen. Aber auch ohne letztere wäre ein Friedensschluss unter der Formel "keine Annexionen und keine Kriegsentschädigungen" ein unglücklicher. Sie ist eine durchaus negative, indem sie auf den status quo ante hinauslaufen müsste, also auf die Wiederherstellung jenes Zustandes, der zur jetzigen Katastrophe führte. In den Wirkungen würde es kein Friede sein, sondern im besten Falle ein Dauer-Waffenstillstand mit seinen geheimen und offenen Neurüstungen, seinen Verbesserungen und seinem Misstrauen zwischen den Regierungen und den Völkern, seinen Beängstigungen, Beunruhigungen und Lähmungen für alle Welt. Daran würde auch ein Versuch nichts ändern,
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an den "Frieden ohne Annexionen und ohne Eroberungen" oder den Verzichtfrieden, wie er kurz genannt wird, eine internationale Rechtsordnung zu knüpfen, welche die vorhin geäußerten Befürchtungen zerstreute. Denn gerade ein Friede auf jener Basis, der nichts als Verbitterte und Grollende schaffte, würde die Herstellung einer solchen Rechtsordnung wesentlich erschweren, und es möchten Jahre und Jahre vergehen bis sie zu Stande käme. Bis dahin hätte man dann aber den schon geschilderten, ganz unerträglichen Zustand, der sich zu einem neuen, schweren Joche der ohnehin nach dem Kriege noch längere Zeit notleidenden Allgemeinheit gestalten müsste. Sobald man aber in Stockholm die obige Friedensformel mit den in Aussicht gestellten Nachsätzen verklausulierte, würde man es lediglich mit einer neuen Komplizierung und Erschwerung der Friedensfrage zu tun haben. Selbst wenn sich eine Friedenskonferenz der Staaten auf dieser Grundlage herbeiführen ließe, was stark zu bezweifeln ist, müsste diese dann fast sicher an den betr. Nachsätzen scheitern. Eine gescheiterte Konferenz würde aber um vieles schlimmer sein, als wenn keine stattgefunden hätte, und ein völliges Chaos schaffen.
Der Verzichtfriede mag von seinen Verfechtern sicherlich gut gemeint sein. Aber er trägt kein Völkerheil in sich, sondern das Gegenteil. Er ist der negative Verzweiflungsfriede mit nie zu beseitigenden Stacheln. Noch unheilvoller ist der Verzichtfriede mit Klauseln, die ihm diesen Charakter zum Teil wieder nehmen. An seine Stelle ist ein anderer Friede zu setzen: Der Ausgleichfriede, der eigentliche Eroberungen und Kriegsentschädigungen im historischen Sinne zwar ausschließt, aber positiv ist, statt nur negativ, den Accenten der Gerechtigkeit und der christlichen Moral überhaupt Rechnung trägt, sowie die nötigen politischen und wirtschaftlichen Sicherungen für Alle schafft. Es ist mit einem Worte der Friede, wie ihn Papst Benedikt XV., als Erster schon in seiner ergreifenden Ansprache an das hl. Kollegium im Jahre 1915 formulierte, der Friede auf der Grundlage der Verständigung, des gegenseitigen Entgegenkommens und gegenseitiger Konzessionen. Es ist, als ob der hl. Vater es schon damals vorausgesehen hätte, dass kein militärischer Friede, den ein Sieger einem Besiegten diktiert, aus dieser entsetzlichen Katastrophe hinausführen würde, sondern nur ein ausgleichender. Nur auf ihm lässt sich auch eine internationale Rechtsordnung mit allen Postulaten, die sie erfüllen soll, rascher aufbauen. An dieser, seiner Friedensformulierung hat Papst Benedikt in seiner einzig dastehenden Friedensarbeit immer wieder festgehalten. Wohl schien die Friedensarbeit des Papstes seit einiger Zeit zum Stillstand verurteilt zu sein. Aber die Katholiken dürfen versichert sein, dass der hl. Vater im Momente, der seiner Weisheit und überlegenen Kenntnis der ganzen Lage als der gegebene erscheint, mit einer feierlichsten Friedenskundgebung auf dem Weltplan hervortreten wird.
Die vorstehenden Ausführungen verdichten sich zu folgenden Bitten an die verehrlichen Redaktionen katholischer Blätter:
1. Sie wollen auf dem Stockholmer-Kongress, d. h. unmittelbar vor ihm oder während desselben ihren Lesern die hingebende und weise Friedensarbeit des hl. Vaters wieder ausführlicher in Erinnerung rufen, sei es in redaktionellen Artikeln oder in solchen durch hervorragende Mitarbeiter. Wenn auch die sozialdemokratische Presse diese Friedensarbeit von Anfang an scheel angesehen, teilweise sogar angefeindet, oder dann ignoriert hat und seither noch konsequenter ignoriert, dürften diese Artikel besser nicht polemischer Natur, sondern vom Gedanken getragen sein, dass, wer immer für die heilige Sache des Friedens arbeitet, Gutes erstreben will, auch wenn er dabei falsche Wege einschlägt.
2. Die betreffenden Artikel sollten im Anschluss an die Hervorhebung der päpstlichen Friedenstätigkeit die grundlegenden Unterschiede zwischen der päpstlichen und der sozialdemokratischen Friedensformel in sachlicher Weise auseinander setzen und darauf des Nachdrücklichen aufmerksam machen, welche der beiden Formeln zum Heile der Völker ausschlägt und welche nicht. Wo in Artikeln auf territoriale Punkte eines Ausgleichfriedens eingetreten wird, möge es unter
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Abstreifung jeder einseitigen Parteinahme, und unter Hochhaltung eines gerechten und dauernden Ausgleiches in vollster Objektivität geschehen; schon damit jede Komplizierung durch dieselben ausgeschaltet wird.
3. Es möchte bei jeder passenden Gelegenheit auf das Friedensbemühen des hl. Vaters hingewiesen und das Vertrauen gekräftigt werden, dass dieser im richtigen Augenblick mit einer autoritativen Friedensmanifestation zwischen Regierungen und Völkern der Erde treten dürfte.
Wollen Sie, hochgeehrte Herren, diese nachdrücklichen Bitten nicht als Zudringlichkeit betrachten und denselben im Interesse der hl. Sache, um die es sich handelt, Ihr wertvolles Entgegenkommen gewähren. Ich bitte Sie, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung zu genehmigen.
Das Generalsekretariat der internat. kathol. Union:
G. Baumberger, Red.
Empfohlene Zitierweise
Baumberger, Georg, [Kein Betreff] vom 31. Mai 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 8602, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/8602. Letzter Zugriff am: 25.11.2024.
Online seit 24.03.2010.