Dokument-Nr. 18590

[Kein Betreff]. Kurtatsch, 20. Dezember 1925

Häuslicher Privatunterricht:
Kurtatsch:
Am 28.11.1925, 4 Uhr nachmittags erschienen in meinem Hofe zuerst ein Zivilist und dann 2 Fascisten [sic]. Den ersten frug ich, was er auf meinem Hofe suche. Dieser sagte, auf italienisch, dass er nichts deutsch verstehe. Ich frug ihn dann auf italienisch dasselbe, worauf er sagte, nichts suche er. Dann kamen die 2 Fascisten und frugen mich um eine gewisse Oberlechner und ich antwortete, Oberlechner ist nicht bei mir in meinem Hause. Sie sagten hierauf, sie wollen sich überzeugen und selbst suchen gehen. Ich sagte, mit Vergnügen und wir gingen mitsammen ins Haus, worauf ich aufgefordert wurde, die Zimmer zu öffnen. Im ersten Zimmer war es leer, im zweiten saß meine Frau und mit ihr sieben Kinder am Tische beim Lernen, die einen lasen, die anderen schrieben. Das war nun das, was man suchte. Sie fielen über den Tisch her und frugen meine Frau, ob sie die Oberlechner sei und wollten anfangs durchaus nicht glauben, dass sie nicht die Oberlechner sei und die Mutter der Kinder ist. Dann forderten sie mich auf, ich solle ihnen sofort die Namen der Kinder sagen, die am Tische sind. Ich sagte, dies sind meine Kinder und was die Mutter im Hause mit den Kindern mache, das gehe niemanden etwas an. ich [sic] lernen [sic] den Kindern zu Hause, was ich will. Sie glaubte durchaus nicht, dass das alle meine Kinder sind und forderten mich auf, die Wahrheit zu sagen. Ich sagte, was glauben denn Sie, ich getraue mich immer die Wahrheit zu sagen und dann musste ich sämtliche Kinder beim Namen nennen, die aufgeschrieben wurden.
Die Kinder heissen Anton, Mathilde, Cäcilie, Josef, Alfons, Rosa und Gottlieb. Dann nahmen sie vom Tische 2 Fibeln, 1 Tafel und 1 Bleistift weg. ich erklärte ihnen, es sei dies alles mein Eigentum und protestierte gegen die Fortnahme. Wenn sie die Bücher nehmen, so verlange ich eine Bestätigung, damit ich etwas in den Händen habe, und ich werde sie um die Herausgabe der Bücher etc. gerichtlich belangen. Ich erhielt hierauf eine Bestätigung. Dann frugen sie mich um eine gewisse Romani, Lehrerin. Ich sagte ihnen, eine Lehrerin Romani gibt es nicht, wohl aber ein Frl. Romani, die meine Kinder unterrichtet und die ich bezahle. Leider ist sie heute unpässlich und dafür tritt meine Frau an ihre Stelle und lehrt ihre Kinder. -
Herr Orian hat durch ein Schreiben den Schutz des dortigen Regierungskommissärs Varda angerufen und darauf folgende Antwort erhalten:
Gemeinde Kurtatsch, Provinz Trient.
Kurtatsch, 20. Dezember 1925
Herrn
Franz Orian,
Kurtatsch.
In Beantwortung Ihres Briefes vom 18. d. M. bedaure ich, dass meine Ansicht über die in ihrem Hause bestehende Geheimschule mit der Ihren nicht übereinstimmt.
Ich versichere Ihnen, dass ich von der Oberbehörde bestimmt Befehle habe, welche entschlossen ist, mit allen Mitteln nicht bloss di1 gegen die Lehrerin, sondern auch gegen die bezüglichen Fehler vorzugehen.
Es steht natürlich E.W. frei, alle Schritte, die Sie für geeignet halten, in Trient oder anderwärts zu unternehmen.
Ich meinerseits werde nicht verfehlen, alle zur Genüge mir bekannten Personen anzuzeigen, welche fortfahren, die Bevölkerung aufzureizen, die mit solchen Akten die öffentliche Ordnung in der Gemeinde zu zerstören drohen.
Der Präfekturskommissär: De Varda eh.
1Masch. gestrichen.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 20. Dezember 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18590, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18590. Letzter Zugriff am: 22.12.2024.
Online seit 29.01.2018, letzte Änderung am 10.09.2018.