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                            Dokument-Nr. 513
                         
                        
                        [Entwurf] 
                        Herr Ministerpräsident!1
Der unterzeichnete Apostolische Nuntius beehrt sich, in Ausführung eines ihm von Seiner Heiligkeit erteilten Auftrags Eurer Exzellenz folgendes mitzuteilen:
Seine Heiligkeit nimmt von der parlamentarischen Verabschiedung der Feierlichen Uebereinkunft des Freistaates Preußen2 mit dem Hl. Stuhle mit Befriedigung Kenntnis und ist Sich [sic] der ernsten Bemühungen der Preußischen Staatsregierung zur Erreichung dieses Zieles bewußt. Er bedauert jedoch, daß der der Preußischen Volksvertretung vorgelegte Vertrag im Gegensatz zu den wiederholt und nachdrücklich geltend gemachten Forderungen des Hl. Stuhles, die dieser aus grundsätzlichen Erwägungen zu erheben sich veranlaßt sah, keine Regelung der Schulfrage enthält. Es darf diesbezüglich daran erinnert werden, daß die Preußische Regierung durch eine Note vom 6. Januar 1922, die der damalige Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Herr Dr. Boelitz, an den Unterzeichneten richtete, die verbindliche Erklärung abgegeben hat, sie "werde auf Ersuchen des Reiches mit diesem in Verhandlungen über die Regelung der religiösen Seite der Schulfrage im Konkordat eintreten". Wenn der zitierte Satz sich auch in besonderem Betreff auf ein zukünftiges Reichskonkordat bezog, von dem in jenem Zeitpunkt vorwiegend die Rede war, so bekannte sich in ihr die Preußische Regierung doch
Während der Erörterungen mit den Regierungskommissaren schlugen diese im Auftrage des Herrn Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im Juni 1927 eine Mindestformel über die Schule vor, die vom Hl. Stuhle nur unter äußerstem Entgegenkommen angenommen wurde, vor allem weil staatlicherseits damals der formaljuristische Grund geltend gemacht wurde, daß diese Materie unter die Zuständigkeit des Reiches falle.
Umso schmerzlicher bedauerte der Hl. Stuhl die spätere Streichung auch dieses schon so unzulänglichen Artikels, eine Streichung, die umso weniger als gerechtfertigt gedacht werden konnte, als alle Parteien, die das zeitige Koalitionsministerium bilden, auch im Januar 1922 im Preußische [sic] Kabinett vertreten waren.
Wenn trotzdem der Hl. Stuhl sich entschlossen hat, daraufhin die Konkordatsverhandlungen nicht abzubrechen, so tat er dies lediglich mit Rücksicht auf die vonseiten der Preußischen Regierung im Laufe der Verhandlungen erfolgte Zurückstellung erheblicher Forderungen und vor allem aus dem ernsten Wunsche, den Katholiken
Der Unterzeichnete benützt diese Gelegenheit, um Eurer Exzellenz den Ausdruck seiner ausgezeichneten Wertschätzung zu erneuern.
(gez.) + Eugen Pacelli3 Erzbischof von Sardes
Apostolischer Nuntius4 
                        
                             
                        
                             
                        Online seit 20.01.2020. 
                    
    Dokument-Nr. 513
Pacelli, Eugenio an Braun, Otto
 an Braun, Otto
Berlin, 05. August 1929
                        Der unterzeichnete Apostolische Nuntius beehrt sich, in Ausführung eines ihm von Seiner Heiligkeit erteilten Auftrags Eurer Exzellenz folgendes mitzuteilen:
Seine Heiligkeit nimmt von der parlamentarischen Verabschiedung der Feierlichen Uebereinkunft des Freistaates Preußen2 mit dem Hl. Stuhle mit Befriedigung Kenntnis und ist Sich [sic] der ernsten Bemühungen der Preußischen Staatsregierung zur Erreichung dieses Zieles bewußt. Er bedauert jedoch, daß der der Preußischen Volksvertretung vorgelegte Vertrag im Gegensatz zu den wiederholt und nachdrücklich geltend gemachten Forderungen des Hl. Stuhles, die dieser aus grundsätzlichen Erwägungen zu erheben sich veranlaßt sah, keine Regelung der Schulfrage enthält. Es darf diesbezüglich daran erinnert werden, daß die Preußische Regierung durch eine Note vom 6. Januar 1922, die der damalige Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Herr Dr. Boelitz, an den Unterzeichneten richtete, die verbindliche Erklärung abgegeben hat, sie "werde auf Ersuchen des Reiches mit diesem in Verhandlungen über die Regelung der religiösen Seite der Schulfrage im Konkordat eintreten". Wenn der zitierte Satz sich auch in besonderem Betreff auf ein zukünftiges Reichskonkordat bezog, von dem in jenem Zeitpunkt vorwiegend die Rede war, so bekannte sich in ihr die Preußische Regierung doch
192v
 ausdrücklich zum Grundsatz der "Regelung
        der religiösen Seite der Schulfrage im Konkordat", und zwar ohne dabei einen Unterschied zu
        machen zwischen einem Konkordat mit dem Reich und einem solchen mit Preußen. Dieser
        Unterschied ist auch in den der fraglichen Erklärung vorausgehenden Besprechungen nicht
        gemacht worden, welch letztere vielmehr ihren Ausgangspunkt von einer Preußen unmittelbar
        berührenden Angelegenheit nahmen. Während der Erörterungen mit den Regierungskommissaren schlugen diese im Auftrage des Herrn Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung im Juni 1927 eine Mindestformel über die Schule vor, die vom Hl. Stuhle nur unter äußerstem Entgegenkommen angenommen wurde, vor allem weil staatlicherseits damals der formaljuristische Grund geltend gemacht wurde, daß diese Materie unter die Zuständigkeit des Reiches falle.
Umso schmerzlicher bedauerte der Hl. Stuhl die spätere Streichung auch dieses schon so unzulänglichen Artikels, eine Streichung, die umso weniger als gerechtfertigt gedacht werden konnte, als alle Parteien, die das zeitige Koalitionsministerium bilden, auch im Januar 1922 im Preußische [sic] Kabinett vertreten waren.
Wenn trotzdem der Hl. Stuhl sich entschlossen hat, daraufhin die Konkordatsverhandlungen nicht abzubrechen, so tat er dies lediglich mit Rücksicht auf die vonseiten der Preußischen Regierung im Laufe der Verhandlungen erfolgte Zurückstellung erheblicher Forderungen und vor allem aus dem ernsten Wunsche, den Katholiken
193r
 Preußens die übrigen aus dem Konkordate sich ergebenden
        Rechtswirkungen und Sicherungen ihrer religiösen Freiheit, sowie dessen günstige
        Auswirkungen auf ein geordnetes Verhältnis zwischen Kirche und Staat nicht zu gefährden. Er
        vermag indes nicht davon abzusehen, förmlich zu erklären, daß diese seine Stellungnahme
        niemals als Verzicht auf die Grundsätze gedeutet werden darf, die ihn zu der Forderung
        veranlaßt hatten, daß nämlich, wie in den anderen Konkordaten der neuesten Zeit, so auch in
        der Feierlichen Uebereinkunft mit Preußen die Schulfrage miteinbegriffen werde. Der Unterzeichnete benützt diese Gelegenheit, um Eurer Exzellenz den Ausdruck seiner ausgezeichneten Wertschätzung zu erneuern.
(gez.) + Eugen Pacelli3 Erzbischof von Sardes
Apostolischer Nuntius4
1↑Hds. unterstrichen.
                            
                            2↑"ß" hds. eingekringelt. Anm. am Rand: Sempre ss.
                            
                            3↑"Eugen" und
            "Pacelli" hds. doppelt unterstrichen.
                            
                            4↑"Apostolischer Nuntius" hds. unterstrichen.
                            
                        