Dokument-Nr. 10152

[Zech-Burkersroda, Julius Graf von]: [Korrespondenz zwischen Edmund Dalbor und Probst Gumbrecht]. [München], 03. Januar 1921

Abschrift G II 1144/20.
Übersetzung aus dem Polnischen:
Erzbischof von Gnesen und Posen
Kroeben, den 3.8.1920.
Ich erhalte immer zahlreichere Eingaben aus der Pfarrei Rawitsch, aus welchen Mangel an Vertrauen gegen Euer Hochwürden hervorgeht. Die polnischen Parochianen fühlten sich in der preußischen Regierungszeit benachteiligt, daß Hochwürden immer und ausdrücklich patriotisch-deutsche Gefühle offenbarten. Auf dieser Grundlage kamen auch Mißverständnisse vor, sowohl während der Kämpfe in dortiger Gegend, als auch nach der Einnahme von Rawitsch durch die polnischen Behörden. Ihrer Gefühle und nationalen Überzeugung wegen mache ich Ihnen keine Vorwürfe. Aber Sie müssen verstehen, daß gegenüber dem vollständigen Wandel der Nationalitätsverhältnisse in Rawitsch Euer Hochwürden jeden Augenblick in Konflikt mit Ihren nationalen Gefühlen und der Forderung der gegenwärtigen Lage gelangen und daß unter diesen Verhältnissen ein Wirken auf seelsorgerischem Gebiete auf Schwierigkeiten und Hindernisse stoßen muß.
Euer Hochwürden sahen dies selbst voraus und kündigten Ihre Resignation an, führten jedoch Ihren Vorsatz nicht aus.
In der Meinung, daß der weitere Aufenthalt Euer Hochwürden in der Pfarrei Rawitsch zum Schaden der Religion gereichen würde, fordere ich Euer Hochwürden auf, auf die Stellung in Rawitsch innerhalb 4 Wochen zu verzichten.
gez. Edmund
Kardinal und Erzbischof von
Gnesen und Posen.

Vermerk
Auf dieses Schreiben erwiderte Probst Gumprecht, daß er erst später resignieren würde, wenn seine persönlichen Verhält-
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nisse geregelt seien. Inzwischen wurde von deutscher und auch der gemäßigten polnischen Seite für den Probst Gumprecht gearbeitet und auch Eingaben für ihn gemacht. Da die fanatische polnische Partei dies merkte, versuchte sie positives Belastungsmaterial gegen den Probst Gumprecht zu sammeln.
Abschrift:
Curia Archiepiscopalis
Gnesniensis et Posnaniensis
Nr. 4216.20.0.
Poznan, d. 23.8.1920.

Wenn ich Euer Hochwürden aufgefordert habe, auf die Pfarrei in Rawitsch zu verzichten, so folgt daraus noch nicht, daß Sie sofort Rawitsch verlassen müssen. Das wird erst dann eintreten, wenn sich eine andere entsprechende Stelle für Sie findet.
Ich muß aber darauf bestehen, daß Sie schon jetzt auf die Pfarrstelle in Rawitsch Verzicht leisten. Das kirchliche Recht besagt, in can. 2147, § 2, daß ein Pfarrer abgesetzt werden kann, wenn vorliegt: "Odium plebis, quamvis iniustum et non universale."
Ein solches "odium" besteht gegen Euer Hochwürden in Rawitsch. Es wäre in Ihrem persönlichen und in kirchlichem Interesse, erwünscht, daß Sie freiwillig Rawitsch verlassen. Wenn Sie glauben, dies nicht tun zu sollen, so bleibt für die geistliche Behörde nichts anderes übrig, als der vom kirchlichen Rechte vorgeschriebene Weg: den Prozess auf Absetzung gegen Sie anzutragen.
Euer Hochwürden wollen binnen 14 Tagen eine Erklärung abgeben, ob Sie freiwillig von Rawitsch gehen wollen oder den Prozeßweg vorziehen.
gez. Edmund
Kardinal, Erzbischof von Gnesen und Posen.
An Herrn Probst Gumprecht, Hochwürden, Rawicz.

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Übersetzung aus dem Polnischen:
Erzbischof von Gnesen und Posen.
Posen, den 1. September 1920.
Ich empfing eine neue Bitte aus der Pfarrei Rawitsch, die von dortigen Behörden, Vereinsvorständen, Schulen, einigen Mitgliedern des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung unterschrieben ist, die Ihre Absetzung verlangen.
Mit dieser Bitte ist eine Beschwerde folgenden Wortlauts verbunden:
"Schließlich müssen wir die Taktlosigkeit und das ungehörige Verhalten des Herrn Probstes erwähnen, als er von unserer Bemühung hörte. Er nannte uns von der Kanzel und dem Altare Verleumder, indem er erklärte, daß alle, die gegen ihn als Probst agitierten, eine Todsünde begehen, daß Gott ihnen das, was ihnen am liebsten auf der Welt sei, nehmen werde. Dazu erkühnte er sich hinzuzufügen, daß, wenn der Himmel einstürzen würde, er weiter bei seinem Standpunkt bleiben würde. Dabei erklärte er von der Kanzel, jedem der dies verlange, den Namen des Verleumders mitzuteilen. Gegenüber ähnlichen Insinuationen erklären wir Endes unterschriebenen folgendes:
Das Bemühen um einen anderen Probst wurde nicht durch einen Agitator eingeleitet, sondern durch einen Kreis ernster Bürger, die ihrer Rechte und Pflichten bewußt sind, von Bürgern, die jederzeit bereit sind, das Urteil zu wiederholen und zu begründen, das sie einstimmig über den Probst abgaben. Wir protestieren ganz energisch gegen einen solchen Mißbrauch von Kanzel und Altar. Wir protestieren <ganz energisch>1 gegen einen Mißbrauch durch einen Geistlichen und Pfarrer, der sich bemüht, die erschreckten und ungebildeten Pfarrkinder zu überzeugen, daß unsere Bitte, die Ihnen auf ehrlichem und gesetzlichem Wege vorgelegt wurde, sie einer Todsünde aussetze und den Verlust dessen, was ihnen am teuersten sei. Erklärung nach einer Woche.
gez. Edmund
Kardinal und Erzbischof von Gnesen und Posen.
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Vermerk:
In einem längeren Schreiben hat Probst Gumprecht dem Erzbischof von Posen und Gnesen die Unrichtigkeit <die->2 ser Vorwürfe auseinandergesetzt. Er hatte gelegentlich bei einer Predigt gesagt, daß das Hetzen und Agitieren gegen andere eine Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit sei und daß derjenige, der gegen die Liebe handle, sündige. Die Predigt war ganz allgemein gehalten, wollte aber den vorliegenden Fall treffen.

Übersetzung aus dem Polnischen.
Erzbischof von Gnesen und Posen,
Posen, den 6.Oktober 1920
Sobald Hochwürden zugeben, Ausdrücke gebraucht zu haben, welche Rawitscher Pfarrkindern Grund gaben, Klagen bei mir zu erheben, muß ich die Beschwerde als begründet erachten und Euer Hochwürden <als schuldig.Ich erteile Euer Hochwürden>3 aus diesen Gründen einen strengen Verweis und suspendiere Sie 2 Wochen von Predigt und Unterricht in dieser Kirche und außerhalb der Kirche.
gez. Edmund.

Abschrift:
Curia Archiepiscopolis Gnesnensis et Posnaniensis.
No. 5 120.20.C.
Posen, den 13. Oktober 1920
Zwecks Einleitung des Prozessverfahrens auf Absetzung hat der Unterzeichnete Kardinal Erzbischof von Gnesen und Posen gemäß Vorschrift des can. 2148 zwei Examinatoren prosynodales zu Rate gezogen und mit denselben die Frage besprochen, ob genügende Gründe vorliegen, um gegen Euer Hochwürden das Verfahren auf Absetzung einzuleiten.
13r
Es wurde festgestellt, daß Vertreter fast aller Behörden und fast aller katholischen Vereine in Rawitsch mündlich und schriftlich ihre Empörung gegen ihr Verhalten geäußert und erklärt haben, daß sie kein Vertrauen zu Ihnen als Seelsorger haben. Unter diesen Umständen ist eine ersprießliche priesterliche Tätigkeit Euer Hochwürden in Rawitsch nicht möglich, auch ist eine Besserung der Verhältnisse zwischen Seelsorger und Pfarreingesessenen in Bälde nicht zu erhoffen.
Somit liegt ein Grund zur Absetzung Euer Hochwürden vor, can. 2147 § 2.
Da nach can. 2148 der Inhaber der Pfarrstelle zunächst zur Verzichtleistung aufzufordern ist, stelle ich hiermit im Einverständnis mit den beiden Examinatoren prosynodales an Euer Hochwürden die Forderung, auf die Pfarrei Rawitsch nicht später als zum 1. Januar 1921 zu verzichten.
gez. E. Card. Dalbor,
Erzbischof von Gnesen und Posen.
An Herrn Probst Gumprecht, Hochwürden, Rawicz.

Abschrift:
Curia Archiepiscopalis Gnesniensis et Posnanensis.
No.5364.20.0.
Posen, 22.10.20.
Es wird Ihnen hiermit zur Beantwortung der Aufforderung zur Verzichtleistung Frist bis zum 7. November gewährt.
gez. Edmund
Kardinal, Erzbischof von Gnesen und Posen.
An Herrn Probst Gumprecht, Hochwürden, Rawicz.
1Masch. eingefügt und gestrichen.
2Masch. eingefügt.
3Masch. eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
[Zech-Burkersroda, Julius Graf von], [Korrespondenz zwischen Edmund Dalbor und Probst Gumbrecht], [München] vom 03. Januar 1921, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10152, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10152. Letzter Zugriff am: 25.11.2024.
Online seit 14.05.2013.