Dokument-Nr. 10317

[Matt, Franz]: Beilage zum Schreiben vom 18 März 1922 an Seine Exzellenz den Herrn Apostolischen Nuntius, 18. März 1922

Ziff. XIV.
" Der Kirche bleiben ihr Eigentum und ihre Vermögensrechte für immer gesichert, sie verfügt frei über ihr Vermögen " .
Art. 138 II der RV. besagt: "Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet".
§ 18 Abs. II der bayer. Verfassung bringt im letzten Satze ungefähr denselben Gedanken zum Ausdruck.
Die angeführten beiden Gesetzesvorschriften schützen die Religionsgesellschaften sowie die religiösen Vereine und damit auch die geistlichen Gesellschaften nicht absolut, sondern nur relativ vor der Wegnahme ihres Gutes oder einer Beeinträchtigung ihrer Vermögensrechte, nämlich nur vor entschädigungslosen Eingriffen in dieselben. Im übrigen unterliegt auch das kirchliche Vermögen den Beschränkungen, die nach der Verfassung gegenüber dem Vermögen sonstiger Eigentümer zulässig sind. Demnach unterliegt auch das Vermögen der Kirche d. [h.] der in Bayern befindlichen kirchlichen Rechtssubjekte der Enteignung nach Maßgabe des Art. 153 Abs. II der Reichsverfassung und ist der Besteuerung durch Reich, Staat und Gemeinde usw. unterworfen nach Maßgabe der einschlägigen jeweiligen Gesetze. Eine vertragsmäßige Gewährleistung des Eigentums und der Vermögensrechte der kirchlichen Rechtssubjekte in Bayern wird sich daher innerhalb der verfassungsgesetzlichen Schranken halten müssen und eine
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darüber hinausgehende Sonderstellung nicht einräumen können.
Dem zweiten Satze der Ziff. XIV gegenüber sei der Hinweis gestattet, daß auch die Selbständigkeit der Religionsgesellschaften in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten und damit auch ihres Vermögens nach der unzweideutigen Fassung des Art. 137 Abs. III der Reichsverfassung keine absolute, sondern nur eine relative ist, nämlich "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes". Treten die Religionsgesellschaften in den Rechtsverkehr und bedienen sie sich dafür gewisser, im Staate bestehender und von ihm geordneter Rechtsformen (Vereinsrecht, Genossenschaftsrecht, Handelsrecht, Stiftungsrecht usw.), so unterliegen sie auch den übrigen dafür geltenden staatlichen Vorschriften. Kleiden sie z. B. das Vermögen ihrer Anstalten und Unternehmungen in die Form von öffentlichen Stiftungen, so unterliegen diese öffentlichen Stiftungen auch der staatlichen Stiftungsaufsicht nach § 25 der bayerischen Verfassung.
Das hindert jedoch nicht, daß in besonderen Fällen – unbeschadet des grundsätzlichen Bestandes einer solchen Aufsicht – auf ihre Ausübung zugunsten einer "libera administratio" verzichtet wird. Die unterschiedliche Behandlung des bischöflichen und des domkapitelschen Stiftungsgutes auf der einen Seite und des Pfründestiftungsvermögens und des Ortskirchenvermögens auf der anderen Seite hat schon bisher in Bayern bestanden. Unbeschadet des Obersten staatlichen Aufsichtsrechtes waren dabei das bischöfliche und das domkapitelsche Stiftungsgut durch konkordatmäßige Vereinbarungen von einer regelmäßigen Staatsaufsicht befreit; es war ihnen die "libera administratio" ihrer Güter zugestanden. Das kann auch im neuen Konkordate geschehen. Gegenüber
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den Pfründestiftungen und dem ortskirchlichen Vermögen hingegen wurde die Staatskuratel und Staatsaufsicht gehandhabt. Die seitherige Form der Kuratel entspricht der heutigen Zeit nicht mehr, auch die Schranken der bisherigen Staatsaufsicht gegenüber dem Ortskirchenvermögen sind als zu eng erkannt. Pfründestiftungs- und Ortskirchenvermögen werden daher künftig wie das übrige Vermögen der öffentlichen Stiftungen zu behandeln sein. Das Erforderliche wird in einem allgemeinen Stiftungsgesetze vorgesehen.
Hiernach dürfte die Ziff. XIV der Vorschläge in beiden Sätzen eine Einschränkung erfahren, etwa durch folgende Fassung: "Der Kirche bleiben ihr Eigentum und ihre Vermögensrechte nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Bestimmungen gesichert. Innerhalb der Schranken der Verfassung verfügt sie frei über ihr Vermögen".
Empfohlene Zitierweise
[Matt, Franz], Beilage zum Schreiben vom 18März 1922 an Seine Exzellenz den Herrn Apostolischen Nuntius vom 18. März 1922, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 10317, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/10317. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 31.07.2013.