Dokument-Nr. 11616

Rußland und die deutschen Katholiken, in: Germania, Nr. 536, 17. November 1928
Man schreibt uns:
Die Regierung der U.S.S.R. sucht in Deutschland Gelder aufzunehmen. Wie kann man aber hoffen, daß die Katholiken wie auch alle positiv christlich gesinnten Kreise dieses Ansuchen mit Sympathie prüfen, solange die durch die religionsfeindliche Gesetzgebung geschaffene Lage noch andauert! Die erste Freiheit, für welche die Katholiken Deutschlands in ihrem Vaterlande gekämpft haben, war die Religionsfreiheit. Sie können nicht daran denken, ihre wirtschaftliche Tätigkeit in ein Land zu verlegen, wo sie nicht in der Lage wären, ihre Religion auszuüben, der sowohl ihre Angestellten, als auch ihre leitenden Kräfte angehören.
Nun ist aber bekannt, daß in vielen auch sehr bedeutenden Städten Rußlands die Kultausübung unterdrückt ist infolge Mangels an Priestern, da diese weder in Rußland selbst noch im Auslande ersetzt werden können. Man weiß, daß die Pfarrhäuser von polnischen Kommunisten besetzt sind, und daß man nach jedem Vorwand sucht, um die katholischen Kirchen zu schließen. Die katholischen Glaubensangehörigen, vor allem die Priester und Bischöfe, schmachten in den Gefängnissen und werden zu Tode gemartert. Ein deutscher Priester, der schon seit mehr als eineinhalb Jahren zum Bischof geweiht worden ist, ist bis heute noch nicht dazu gekommen, unseren Stammes- und Glaubensbrüdern in Rußland die Sakramente zu spenden. Unter diesen Umständen kann die Stellungnahme der deutschen Katholiken nur die sein: Das Sowjetregime möge mit der Verfolgung ein Ende machen, eine ehrliche Religionsfreiheit und Kultusfreiheit gewähren, die Ausbildung neuer Priester und ihren Eintritt in Rußland gestatten- dann, aber auch nur dann, wird man von seiten der deutschen Katholiken einer Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zu dem heutigen Rußland mit innerer Ueberzeugung das Wort reden können.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 17. November 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 11616, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11616. Letzter Zugriff am: 28.12.2024.
Online seit 20.01.2020.