Dokument-Nr. 13399
Neujahrsempfang beim Reichspräsidenten. Der Wunsch nach Frieden, in: [Unbekannt], 01. Januar 1923
"Herr Präsident!
Zum zweiten Male nach dem Weltkriege hat sich das beim Reiche beglaubigte Diplomatische Korps aus dem heutigen glücklichen Anlasse um Ihre Person versammelt, um Sie, den die Nation zum Beweise des hohen Vertrauens, das Sie ihr einflößen, in dem höchsten Staatsamt bestätigt hat.
Inmitten der nach den großen Krisen der letzten Zeit im internationalen Leben noch herrschenden Schwierigkeiten begrüßen wir mit einem umso glühe nderen Wunsche nach Frieden, Bruderliebe und Gerechtigkeit den Anbruch des neuen Jahres. Möchte es die große Menschenfamilie dem Ziele nahebringen, nach dem die Herzen aller Menschen guten Willens streben, und den Völkern zusammen mit der Lösung der gegenwärtigen Aufgaben jene Befriedigung und Sicherheit bringen, die ein Unterpfand der Ordnung, der Arbeit, des Gedeihens und des Fortschritts sind. Das ist der aufrichtige Wunsch, den wir Sie bitten, Herr Präsident, für sich persönlich und für die deutsche Nation entgegennehmen zu wollen und dessen Erfüllung wir von demjenigen erbitten, der für die Völker wie für die Einzelmenschen die reichste Quelle alle [sic] Guten ist."
Reichspräsident Ebert erwiderte darauf mit folgenden Worten:
"Herr Nuntius!
Ich danke Ihnen für die Wünsche, die Sie zugleich im Namen des Diplomatischen Korps aus Anlaß des heutigen Tages für mich und für Deutschland zum Ausdruck gebracht haben, und ich bitte Sie, versichert zu sein, daß ich sie von Herzen erwidere.
Sie haben mit Ihrem heißen Wunsche nach Frieden, nach brüderlicher Liebe und nach Gerechtigkeit dem tief st en Sehnen auch des Deutschen Volkes Ausdruck verliehen, welches der [sic] Hoffnung lebt, daß die erhabenen Gedanken der Weihnachtskundgebung des Papstes dazu beitragen mögen, das Zusammenleben der Völker immer friedlicher und harmonischer zu gestalten. Seien Sie, meine Herren, versichert, daß das Deutsche Volk und die aus seiner Mitte hervorgegangene Regierung alles tun werde, damit die immer noch getrennten Völker in wahrem Frieden und in gemeinsamer Arbeit für die der ganzen Welt so notwendige Neugestaltung des wirtschaftlichen und geistigen Zusammenlebens der Nationen wirken.
Ich darf hiermit die Bitte verknüpfen, Herr Nuntius, meine Herren, Ihren Staatsoberhäuptern, Regierungen und Völkern auch meine tiefempfundenen, aufrichtigen Wünsche für ein friedvolles und glückliches neues Jahr, in dem unser aller Sehnen seine Erfüllung finden möge, übermitteln zu wollen."
Der Reichspräsident begrüßte sodann die einzelnen Diplomaten und wechselte mit ihnen Neujahrswünsche. Bei dem Empfang waren Reichskanzler Cuno, Reichsminister des Auswärtigen v. Rosenberg und Staatssekreatär Freiherr v. Mal t zan zugegen. Die Mitglieder der Reichsregierung, der Reichskanzler, die Reichsminister und Staatssekretäre, ferner die Präsidenten des Reichstags und des preußischen Staatsministeriums, Vertreter des Reichsrats und der Wehrmacht haben im Anschluß daran dem Reichspräsidenten ihre Glückwünsche ausgesprochen.
Der Reichspräsident und der österreichische Bundespräsident haben zur Jahreswende folgende Telegramme gewechselt:
Bundespräsident Hainisch, Wien.
Auch in Deutschlands schwerster Zeit eilen meine Gedanken anläßlich des Jahreswechsels zu Ihnen, Herr Bundespräsident, und dem österreichischen Brudervolke. Indem ich wärmste Wünsche für Ihr persönliches Ergehen ausspreche, bitte ich Sie zugleich, der Dolmetsch meiner herzlichsten und aufrichtigsten Wünsche für Österreichs Wohl zu sein.
Ebert, Reichspräsident.
Der österreichische Bundespräsident drahtete:
Reichspräsident, Berlin.
Bitte, meine innigsten Wünsche für Ihre und Deutschlands Wohlfahrt zu genehmigen. Hoffen zuversichtlich Besserung der Lage Ihrer Heimat im kommenden Jahr.
Hainisch.