Dokument-Nr. 13574
Lauer, Therese an Pius XI.
Dresden, 16. Februar 1925
Die Not zwingt mich, Eure Heiligkeit um Hilfe zu bitten.
Als ehemals russische Staatsangehörige bin ich mit meinen Kindern durch den Krieg und die russische Revolution in arge Bedrängnis geraten. Mein im Jahre 1908 verstorbener Mann hatte mir ein ansehnliches Vermögen hinterlassen, sodass ich mit meinen Kindern völlig sorgenfrei leben konnte. Doch als der Krieg ausbrach, wurde ich hier in Deutschland als feindliche Ausländerin betrachtet. Ein Teil unseres
33v
Vermögens - fast
durchweg russische Staatspapiere - lag auf einer Dresdener Bank. Es wurde gleich zu Beginn
des Krieges beschlagnahmt und war mir nicht mehr zugänglich. Der andere Teil lag auf der
Bank in Petersburg. Nach Ausbruch der russischen Revolution verloren nun die russischen
Papiere fast vollkommen ihren Wert. Die in Petersburg liegenden Papiere wurden uns ganz
enteignet. Ebenso wurde uns ein Haus in Rostow am Don von den Bolschewiki genommen.Im Mai vorigen Jahres wurde ich nun auf ein Gesuch hin mit meinen Kindern als deutsche Staatsangehörige aufgenommen. Doch wurde bei der Einbürgerung zur Bedingung gemacht, dass ich keinerlei Unterstützung vom Staate in Anspruch nähme. Ich hatte damals eine Stelle in einem hiesigen gemeinnützigen Unternehmen, wo ich als Verkäuferin tätig war. Ich bekam im Monat 100.- M und konnte mit meinem 21jährigen Sohn ganz gut leben. Jetzt musste ich aber meinen Posten aufgeben, weil sich die Verkaufsstelle nicht rentiert. Von meinen Kindern kann ich auch auf keine Unterstützung rechnen.
Mein Sohn hatte Ostern 1923 das Gymnasium verlassen und studiert auf der hiesigen Hochschule, um Lehrer zu werden. Er hat noch 2 Jahre Studium vor sich, ehe er angestellt werden kann. Die Kosten für sein Studium werde ich künftighin sehr schwer aufbringen können. Nur durch gelegentliche Arbeiten ist es uns möglich, das zum Leben nötigste an Geld zu verdienen.
Als Witwe von 48 Jahren habe ich wenig Hoffnung, in absehbarer Zeit eine regelmässige Verdienstmöglichkeit zu finden.
So wende ich mich denn in tiefster Ehrfurcht und grossem Vertrauen an Eure Heiligkeit mit der Bitte, mir durch eine Unterstützung über
34r
die nächste
schwere Zeit hinwegzuhelfen, bis Gottes Gnade uns einen andern Weg zeigt.Eurer Heiligkeit untertänigste
und gehorsamste Tochter
Therese verw. Lauer