Dokument-Nr. 14023
Lohrer, Joseph an Pius XI.
München, 10. August 1923

Heiligster Vater!
Im Vertrauen auf die besondere Liebe, die Eure Heiligkeit der deutschen Kinderwelt in Wort und Tat entgegenzubringen die Gnade haben, wagt es der untertänigst Unterfertigte sich bittend dem Apostolischen Stuhle zu nahen. Der bestimmte Anlaß ist folgender.
Wie in allen Kulturländern der Welt wollen die Feinde der Religion im allgemeinen und der katholischen im besonderen auch in deutschen Ländern die allgemeinen Volksschulen zu ihren Zwecken auszunützen. Um das Volk und die Lehrerschaft unauffälliger und leichter zu gewinnen, verfahren sie nach folgendem für ihre Zwecke ausgezeichneten Plane. Sie streben, wie sie betonen, im Interesse des Fortschritts die allgemeine, unabhängige Staatsschule an. Aus Gründen der Toleranz fordern sie dann, daß in der allgemeinen Volksschule alle Kinder ohne Rücksicht auf die Religion un-
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terrichtet und erzogen werden. Den Lehrern wollen sie volle Gewissens- und Lehrfreiheit zugestehen und deshalb soll jede Schule jedem Lehrer "zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit" offen stehen. Endlich begünstigen sie sogenannte "freie["] oder neutrale Lehrervereinigungen, die den Staat als den alleinigen Herrn de Schule anerkennen.
Euer Heiligkeit ist dieses gefährliche Beginnen wohl bekannt. Ebenso kennen Eure Heiligkeit die Abwehrmaßnahmen der deutschen Katholiken. In gegenwärtiger Zeit ist der Abwehrkampf mit den größten Schwierigkeiten verbunden, so insbesondere für die katholisch gläubige Lehrerschaft, die sich in eigenen katholischen Lehrervereinigungen zusammengeschlossen hat. Merkwürdigerweise ist dies in außerordentlichem Maße in Bayern der Fall. Ein Großteil der katholischen Lehrerschaft will die oben angedeuteten Gefahren nicht erkennen und glaubt sich mit einer fragwürdigen neutralen Standesorganisation zufrieden geben zu können. Nur verhältnismäßig wenige Lehrer erkennen, wie notwendig es ist, daß
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sich gleichgesinnte katholische Lehrpersonen zur Verteidigung und Ausgestaltung der Bekenntnisschulen vereinigen, sich gegenseitig ermuntern und stärken, auf der gläubig katholischen Grundlage fortbilden und mit vereinter Kraft in inniger Beziehung mit der Kirche und mit den Mitteln der Religion zum Heile der unsterblichen Kinderseelen wirken.
In solcher Lage hält der Katholische Lehrerverein in Bayern die 9. Hauptversammlung mit der Feier des dreißigjährigen Bestehens vom 25.-27. August1 in München ab. Die Leitung des Vereins ist bestrebt, diese Veranstaltung ganz in den Dienst der Bekenntnisschule zu stellen. Deshalb ist als Vortragsthema angesetzt: "Die Sicherung der Bekenntnisschule durch die Lehrpersönlichkeit und das Schulbuch." Mit allen Mitteln soll versucht werden, durch die Kundgebung neue Kräfte für den Verein und seine Grundsätze zu gewinnen. Als das vorzüglichste sehen wir es an, wenn der oberste Führer und Leiter unserer heiligen katholischen Kirche unseren Bestrebun-
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gen allergnädigstes Interesse und Wohlwollen entgegenbringt. Darum wagen wir die alleruntertänigste Bitte, Euer Heiligkeit wollen in Rücksicht auf die besonderen Schwierigkeiten, die unseren Bestrebungen entgegenstehen, unseren Verein als zweckdienliche Organisation anerkennen, zur Betätigung im Sinne des Vereins ermuntern und für die glückliche Durchführung unserer Aufgaben huldvollst den Apostolischen Segen spenden.
Mit allen im Katholischen Lehrerverein in Bayern zusammengeschlossenen katholischen Lehrern versichere ich dem heiligen Apostolischen Stuhle treugehorsamste Gesinnung und verharre
in tiefster Ehrfurcht
als Euer Heiligkeit
alleruntertänigster
Oberlehrer Joseph Lohrer,
1. Vorsitzender
des Kath. Lehrervereins i. B.
1"25.-27. August" hds. mit blauer Farbe von unbekannter Hand unterstrichen, vermutlich vom Empfänger.
Empfohlene Zitierweise
Lohrer, Joseph an PiusXI. vom 10. August 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14023, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14023. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 23.07.2014.