Dokument-Nr. 14494
Kessler, Josef Alois an Pacelli, Eugenio
Berlin, 28. Januar 1925

Eure Exzellenz,
Hochwürdigster Herr Nunzius,
Seine Eminenz, der Hochwürdigste Herr Staatssekretär Seiner Heiligkeit setzte mich in Kenntnis, dass ich nächstens 4500 Dollars für die Geistlichen Russlands durch das Deutsche Auswärtige Amt erhalten werde. Diese Spende empfing die "Fürsorge für Russland", an welche sie, wie es scheint, irrtümlicher Weise adressiert worden war. Auf mein Verlangen, diese Summe mir zur Weiterleitung herauszugeben, antworteten die vier Verwaltungsmitglieder der Fürsorge mit einer Absage.
Die Vorstände der Fürsorge bildeten früher das "Hilfswerk für die Schwarzmeerdeutschen". Ende 1923 baten sie um Anschluss an unsere "Fürsorge für Russland Diözese Tiraspol beim Deutschen Caritasverband", der ihnen auch gewährt wurde, jedoch unter der Bedingung, dass das Hilfswerk in der Fürsorge aufgehe. Bald darauf gestalteten die Herren Lamboj, Ullmann, Böser und Feisst die Fürsorge unter Beibehaltung des Titels in einen Verein von nur 7 Mitglieder [sic] um. Sie hatten dazu weder meine noch des Caritasverbandes Genehmigung eingeholt. Der neuen Fürsorge gaben sie andere Satzungen, die ich bis heute noch nicht zu Gesicht bekam. Nun waren die oben genannten vier Herren, weil sie im Verein absolute Mehrheit hatten, die Herren der Lage. Durch notarielles Schreiben an die Fürsorge äusserte ich den Herren meine Missbilligung über ihr eigen-
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mächtiges Vorgehen und legte jede Verantwortung für die Handlungen der neuen Fürsorge von mir ab. In der Folge verbot der Caritasverband dem Verein das Prädikat "beim deutschen Caritasverband", ich aber entzog ihm den Titel "Diözese Tiraspol". Ersteres legte er nieder, meine Forderung lehnten die Herren unter dem Vorwand ab, dass ihr Verein unter demselben behördlich eingetragen sei. Nach dem Geist und der Praxis der kath. Kirche steht doch die Caritas unter der Autorität der Kirche resp. kirchlichen Obern, und der hl. Stuhl hat die früheren reichlichen Spenden für meine Diözesanen auch nur deswegen an "die Fürsorge" gerichtet, weil diese unter meiner und des Caritasverbandes Autorität stand. Seit die Fürsorge sich unserer Oberleitung entzogen hat, hat sie das Recht verloren, Spenden vom hl. Stuhl zu empfangen, die der Natur der Sache nach an jene Fürsorge gerichtet sind, die unter unserer Autorität stand. Daher sollten obenerwähnte Herren die 4500 Dollars herausgeben. In diesem Sinne lautet auch der Brief des Hochwürdigsten Herrn Staatssekretärs an mich; dessen Wortlaut ich hier anführe. "Significare Tibi propero Germaniae Gubernium (Ministerium negociis externis regundis) Amplitudini Tuae mox redditurum esse Summam 4500 $. Quae quidem pecuniae vis Rev. do[.] D Rutenis Decano de Turkestan in oppido Tashkent degenti mittenda erat, at cum hoc, pro rerum conditione, impossibile sit, ad Te mittitur, quo Tu sacerdotibus in Russia indigentibus distribuendum cures."
Es wäre daher im Interesse der guten Sache, wenn Eure Exzellenz oben genannte Herren veranlassen möchten, den Willen des hl. Vaters und ihres Ordinarius besser zu respektieren, worum ich hiermit höf-
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lichst und ergebenst bitte. - Indem ich mich und meine Diözese Ihrem gnädigen Wohlwollen, Exzellenz, bestens empfehle, zeichne ich in vorzüglichster Verehrung
ganz ergeben
+ Joseph Kessler
Bischof von Tiraspol
Empfohlene Zitierweise
Kessler, Josef Alois an Pacelli, Eugenio vom 28. Januar 1925, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 14494, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/14494. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.06.2016.