Dokument-Nr. 15536
Kessler, Josef Alois an Pacelli, Eugenio
Berlin, 29. September 1924
Auf das geehrte Schreiben Euerer Exzellenz vom 19 d. M. habe ich die Ehre folgendes mitzuteilen:
Ingenieur Fritz Seeliger wohnt in Berlin-Friedenau Lefevre-Strasse 9. Da er eine Stellung mit ca. 8.000 Mark Jahreseinkommen hat, würde er nur unter den allergünstigsten Bedingungen nach dem Turkestangebiet zurückkehren. Diese wären folgende: 1) Freie Hin- und Rückreise für sich, seine Frau und einen Vorarbeiter, 2) 8.000 Mark Jahresgehalt, 3) ca. 8.000 Mark Entschädigung für den Verlust seiner gegenwärtigen Stellung.
Diese Bedingungen sind so schwer, dass wohl niemand darauf eingehen wird. Herr Fritz Seeliger und Frau sind Protestanten. Indessen machte dieser Mann auf meinen zuverlässigen Vertrauensmann, der ihn besuchte, einen günstigen Eindruck. Ob man ihm aber eine hohe Geldsumme zu angegebenen [sic] Zweck anvertrauen könne, wage weder ich noch mein Vertrauensmann zu entscheiden, und dies um so weniger, da seit dem Weltkrieg das Gefühl für Gerechtigkeit und Ehrlichkeit bei den meisten Menschen, wie die Erfahrung lehrt, tief gesunken ist.
Herr Fritz Seeliger hat sich durch unzweifelhafte Dokumente vor meinem Vertrauensmann als der vom Hochw. Staatssekretariat S-ner Heiligkeit [sic] gesuchte ausgewiesen. Es gibt nämlich in Berlin ein halbes Dutzend Fritz Seeliger, worunter mehrere Ingenieure und Baumeister.
Indem ich obiges Euerer Exzellenz mitteile, zeichne ich in vorzüglicher Verehrung und Hochschätzung
ergebenst
+ Joseph Kessler
Bischof von Tiraspol