Dokument-Nr. 16314
Vertreter der Katholischen Arbeiterinternationale an Pius XI.
[Ohne Ort], vor dem 20. August 1929
Zumal in den letztern [sic] Jahren haben diese internationalen Verbände auf den erwähnten vorherrschenden Gebieten des gesellschaftlichen Lebens bedeutend an Macht Ausdehnung und verbreitung [sic] gewonnen und zwar nicht an letzter Stelle infolge des Einflusses einerseits der kapitalistischen Weltmacht, andrerseits der internationalen Büros des Völkerbundes und der Arbeid [sic] in Genf.
In Anbetracht der Machtverhältnisse in Europa und auszerhalb desselben, auf sozialem und ökonomischem wie auf politischem Gebiete, is [sic] es klar und deutlich dass diesem weltbeherrschenden Bestreben häufig den [sic] Christentum entgegengesetzte Prinzipien zugrunde liegen. (!)1
Denn obgleich die in zahlreichen päpstlichen Enzykliken und Entscheidungen uns vorgehaltene und empfohlene wohltätige katholische Aktion in den letztern [sic] Jahren in manchen Ländern zu erfreulichem Aufschwung gelangte, so lässt sich doch leider nicht leugnen, dass es in andern Ländern mit dieser Aktion bisher kaum zum ersten Anfang gekommen und dass die christlichen Organisationen auf den mehrerwähnten Gebieten international
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noch durchaus in der Minderzahl sind.Dieser Umstand erweist wohl ganz besonders die unbedingte Notwendigkeit einer Gesamtorganisation unter den Katholiken aller Länder des Erdkreises, solchergestalt, dass nicht nur in Bezug auf unsre in den päpstlichen Enzykliken erörterten christlichen Grundsätze die denkbar gröszte Übereinstimmung herrsche, sondern dasz auszerdem hinsichtlich der Anwendung und der allgemeinen Verbreitung jener Prinzipien eine überall zu ermöglichende Organisationsform gewählt werde.
Auf dem Gebiete der Fachbewegung, wo ökonomische Verhältnisse und Ansichten einer Einheitsorganisation vielfach im Wege stehen, hat sich eine solche leider als unmöglich erwiesen. Den katholischen Arbeitern einiger Länder ist es gelungen, rein katholische Vereine zu gründen; in mehreren Ländern jedoch sahen sie sich genötigt, für ihre Fachorganisation sich die Mitwirkung protestantisch-christlicher Gruppen zu sichern und in dem ökonomisch wichtigsten Teil der Erde gehören sie – offenbar ohne solches als den christlichen Prinzipien zuwider zu empfinden, etwa der materiellen Interessen wegen, – den sogenannten neutralen, verwiegend [sic] jedoch mehr oder weniger sozialistisch eingestellten Vereinen an.
Dies hat zur Folge, dasz auf internationalen Konferenzen und Beratungen die Katholiken, die, wie oben erwähnt, ohnehin schon in der Minderheit sind, ihrer [sic] Einfluss zudem noch durch ihren Mangel an gegenseitigem Einverständnis geschmälert sehen. Und dies hinwiederum könnte bei dem geschwind fortschreitendem Zusammenschluss auf sozialem ökonomischem und
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politischem Gebiete verhängnisvoll
werden. Namentlich aus diesem Grunde haben wir eine katholische Arbeiter- International der
katholischen Arbeiter verbände [sic] oder der kathol. Standesorganisationen für notwendig
gehalten. In derselben können alle Arbeiter, ohne Unterschied des Faches oder des Berufes,
zusammenwirken um gemeinschaftliche soziale Interessen zu vertreten, an erster Stelle jedoch
um in der Lehre unsrer christlichen Grundsätze unterrichtet zu werden und diese Lehre auch
in andern Lebenskreisen, z.B. in denen der Fachorganisation, zu fördern und zu
verbreiten.Solche – in der socialistischen Bewegung unbekannten – Arbeitervereine oder Standesorganisationen lassen sich allenthalben verwirklichen und unserer bescheidenen Ansicht nach ist es von höchsten [sic] Interesse, dass sie, zumal in Ländern mit gemischt-christlichen oder ausschlieszlich neutral-sozialistischen Gewerkschaffen [sic], letztern an die Seite gestellt und zur Blüte gebracht werden.
In dieser praktischen Weise kann der Einflusz des Christentums, national wie international, af [sic] den vorherrschenden Gebieten des gesellschaftlichen Lebens bestärkt und befestigt werden.
(!)2Vierzig bis fünfzig Millionen Wähler in Europa d.h. 25 pzt. derselben, wählen sozialistisch. Die sozialistischen und kommunistischen Gewerkschaften zählen auf der ganzen Welt etwa 20 Millionen Mitglieder, dagegen die christlichen nur 3 bis 4 Millionen.
1↑Hds. von unbekannter
Hand, vermutlich vom Verfasser, hinzugefügt.
2↑Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser,
hinzugefügt.