Dokument-Nr. 16315
Vertreter der Katholischen Arbeiterinternationale an Pius XI.
[Ohne Ort], vor dem 20. August 1929

Die katholischen Arbeitervereine der verschiednen [sic] Länder haben anlässlich ihres grossen internationalen Kongresses im Juli 1928 Dir, Heiliger Vater, ein Gelöbnis treuer Ergebenheit zu Füssen gelegt und Du hast unsern [sic] Bund und unsere Bestrebungen gesegnet. Heute kommen wir als die katholischen Arbeitervereine Deutschlands, um Dir im Jahre Deines priesterlichen Jubiläums ehrfurchtsvolle Glückwünsche zu entbieten und zugleich Dir einen Bericht über unsere Arbeit in unserer deutschen Heimat vorzulegen.
In Deinem erhabenen Rundschreiben hast Du, Heiliger Vater, die schweren Uebelstämde [sic] erforscht, mit denen unsere Zeit behaftet ist. In Deiner Enzyklika „Ubi arcano Dei concilio" vom 23. Dezember 1922 hast Du besonders die Verwirrungen auf geistigem Gebiet umschrieben un [sic] den Klassenkampf als das tödliche Geschwür am Herzen der Völker bezeichnet. Ganz in Deinem Geiste suchen wir als katholische Arbeiterstandesvereine die Bestrebungen der katholischen Arbeiter auf Verbesserung der materiellen, sozialen- und geistig-sittlichen Lage ihres Standes fernzuhalten von widerchristlicher Auffassung der Klasse und des Klassenkampfes.
In diesen Bestrebungen begegnen wir heute einer früher nicht beobachteten Art und Weise, den Sozialismus in kirchlich gesinnte Arbeiterkreise hineinzutragen. Es gibt heute geistige Richtungen die behaupten, es führe eine gerade Linie vom Evangelium zum Sozialismus unserer Tage; wer mit seinem Christentum Ernst machen wolle, der müsse heute Sozialist sein. Es ist das (Es ist) eine ähnliche Strömung, wie die falsch verstandene, im Gegensatz zur kirchlichen Autorität tretende Armutsbewegung des Mittelalters, der die Kirche die richtig verstandene Armut eines Franz von Assisi entgegengestellt hat.
Eine andere Richtung geht den entgegengesetzten Weg. Sie sagt,
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Christentum und gesellschaftliches (wirtschaftliches) Leben gehen einander so wenig etwas innerlich an, daß das Evangelium weder zum Sozialismus führt, noch zu ihm im Gegensatz steht. Daher könne auch die Kirche ihren Kindern keine Weisungen geben, ob sie dem Sozialismus sich anschließen dürften oder nicht. Dies sei vielmehr ganz dem Gewissen des Einzelnen zu überlassen. Viele, die gläubige und eifrige Katholiken seien, glaubten nun, ihre Sendung an die Welt dadurch erfüllen zu müssen, daß sie in die proletarische = sozialistische Bewegung der Gegenwart sich hineinstellten.
Demgegenüber sehen wir in den katholischen Arbeiterstandesvereinen nach wie vor den Sozialismus unserer Tage verstrickt in eine Lebensauffassung, die gegen den Geist des Christentums und der Kirche steht. Unser Weg zur Verbesserung des Lebensschicksals der Lohnarbeiter ist darum ein anderer, ein eigener, er ist derselbe, der in den sozialen Enzykliken der Päpste und in den Rundschreiben der Bischöfe dargrund1gelegt ist. In der Verwerfung einer irrtümlichen Vermischung von Sozialismus und katholisch-kirchlichem Denken, glauben wir uns eine [sic] mit Deinen Lehren und der heiligen Ueberlieferung der Kirche.
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Unsere Aufgabe als katholische Arbeiterstandesvereine besteht indes nicht allein in der Abwehr eines irregeleiteten Zeitgeistes, wir wollen aufbauende Arbeit leisten und freudig mitarbeiten wo immer solche Arbeit im Sinne der richtungsweisenden Lehren Leo XIII getan wird.
1. In der vom Erzbischof von Köln berufenen sozialen Verständigungskommission haben unsere Führer mitgearbeitet. Unter ihrer Mitwirkung sind die Kölner Richtlinien erstanden, einen Anfang, dessen Fortführung geplant ist. In dem Widerstreit zweier Auffassungen, die beide durch ihre Einseitigkeit irre gehen, haben die Kölner Richtlinien und die katholische Arbeiterbewegung jene Mitte zu finden gesucht, die der jahrhundertalten
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Weisheit der christlichen Tradition entspricht. Nicht eine naturgesetzliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Ordnung der menschlichen Gesellschaft umgestürzt, nicht „ein neuer Geist" ist urplötzlich enstanden [sic] und hat die Welt zu dem ihm passenden Kleid sich umgestaltet, sondern aus den Tatsachen, wie sie der Schöpfer in der Natur der Dinge gegeben hat, und aus der allezeit verstandenen Unzulänglichkeit der Menschennatur heraus ist das allmählich geworden, was wir heute als unbefriedigenden Zustand der menschlichen Gesellschaft und Wirtschaft vor uns sehen. Darum versprechen wir uns keine Hilfe durch eine gewaltsame Veränderung der jetzt bestehenden Ordnung. Wir sind vielmehr der Ueberzeugung, daß man auch ohnen [sic] gewaltsamen Umsturz der Verhältnisse in der gegenwärtigen Ordnung seine Christenpflichten erfüllen kann, wenn auch vieles in den heutigen Verhältnissen ein Leben nach den christlichen Grundsätzen sehr erschwert und zum harten Opferleben, nicht selten zum Martytium [sic] macht. Wir sind ebenso überzeugt, dass keine Veränderung der Zustände etwas nützt, wenn nicht zugleich die Pflege der Gesinnung sich damit verbindet. Noch mehr: wir sind ganz zutiefst davon überzeugt, dass eine Gesundung der Verhältnisse nur aus einer ganz und gar christlichen Gesinnung heraus gefunden und verwirklicht werden kann. Wir stellen uns mit den Kölner Richtlinien auf den Boden der gegenwärtigen Ordnung, nicht um sie als vollkommen zu preisen, sondern um innerhalb ihrer auf dem Boden der Wirklichkeit, unsere Christenpflichten als Arbeiter zu erfüllen und damit schon die Fortbildung zu gesünderen Verhältnissen anbahnen zu helfen.
2. Weil die Dinge im Flusse sind, weil Kräfte aller Art, politische, wirtschaftliche, nicht zuletzt aber auch geistige Kräfte am Umbau des Bestehenden arbeiten, darum wollten auch wir katholische Arbeiter nicht fehlen mit unserem Beitrag zu den geistigen Kräften der Erneuerung. Der Reichsverband katholischer Arbeiter und Arbeiterinnenvereine Deutschlands hat sich eine eigene soziale Studienkommission geschaffen, die im Sinne der
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Rundschreiben Leos XIII, im Anschluss an die soziale Verständigungskommission des Erzbischofs von Köln, nach dem Vorgange der Union de Malines in der die katholische Arbeiterschaft Deutschlands nunmehr auch ihren Vertreter hat, die Auswendung der christlichen Sittenlehre auf die Fragen der Gesellschaft und Wirtschaft von heute zu klären sich bemüht. Wie Bischof Ketteler dabei von der Verteidigung zugleich aber auch von der Herausarbeitung der christlichen Auffassung vom Eigentum ausgegangen ist, so hat auch die Soziale Studienkommission, die in der Kettelerstadt Mainz tagte, den Ausgangspunkt ihrer Arbeiten von der Eigentumsfrage genommen. Die erschien umso notwendiger, weil auch in katholischen Kreisen die Auffassung um sich zu greifen drohte, es sei unter Führung der Moraltheologen und damit letztlich doch unter Billigung des kirchlichen Lehramtes selber ein widerchristlicher Eigentumsbegriff in die christlichen Schulen und damit ins Leben eingeführt worden, den es zu läutern, d.h. durch einen andersartigen Eigentumsbegriff zu ersetzen gelte.
Wir katholischen Arbeiter wissen, dass in weiten Kreisen, zu denen leider auch Katholiken gehören, der Lehre Leo XIII., das Recht des Eigentums und sein Gebrauch seien scharf zu unterscheiden, stracks widersprochen und diese Lehre als eine Spitzfindigkeit der Rechtsverdreher abgetan wird. Unsere Bemühungen sind nicht darauf gerrichtet [sic], einen vermeintlich neuen oder angeblich alten christlichen Eigentumsbegriff zu finden[.] Unsere Gedanken bewegen sich nach zwei Richtungen: Einmal, was zu geschehen habe, um eine angemasste Selbstherrlichkeit des grossen Eigentums und seiner Erwerbsinteressen so zu zügeln, wie es not [sic] tut, damit es eingegliedert werde dem Dienste am Ganzen. Nach Leo XIII. [sic] Wort, dass dem Staat gegenüber das Eigentumrecht [sic] zukomme seinen Gebrauch zu regeln, suchen wir einen Weg der staatlichen Regelung dieser Fragen, die gleicherweise den Fehler der kollektivistisch-sozialistischen Staats-, Gesellschafts- und Eigentumsauffassung vermeidet.
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Nach der anderen Richtung bewegen sich unsere Gedanken auf das Ziel, Wege zu erschliessen zur Bildung von Eigentum (Vermögen) in der Hand des besitzlosen Srbeiters [sic], damit sein heute so oft nur fomelles Recht, Eigentum zu erwerben und für die Zukunft seiner Familie vorzusorgen, zur Verwirklichung kommen, ja wenn möglich die von Leo XIII schon beklagte Häufung der Besitztümer in den Händen weniger Reicher Platz mache einer Verbreiter2ung der Beteiligung am Vermögensbesitz, was nicht um der besitzlosen Arbeiter allein willen sondern um der Ruhe, Ordnung und Wohlgegliedertheit der ganzen menschlichen Gesellschaft willen zu begründss3en wäre. Dabei sind wir uns bewusst, dass es sich hier nicht blos [sic] um rechtliche und wirtschaftspolitische Aufgaben handelt, sondern zugleich um grosse Erziehungsaufgaben, Erziehung zu Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, Erziehung zu wirtschaftlicher Selbstbestimmung und Selbstverantwortlichkeit.
Ganz besonders befassten wir uns mit dem Zusammenwirken von Kapital und Arbeit, wie wir es in der gegenwärtigen Wirtschaft fast als Regelfall beobachten, dass nämlich der eine sein Kapital, der andere seine Arbeit zum Produktionsprozesse beistellt. Wir mochten uns nicht dabei beruhigen, dass in dem um den AnEr4trag der Wirtschaft entbrannten Streite jeder der beiden Teile darauf pochend, dass ohne ihn kein Wirtschaften möglich wäre und kein Ertrag zustande käme, den ganzen Ertrag sich zuschreibt und dafür sich beansprucht. Darum bekennen wir uns zu der Ueberzeugung, dass sowohl dem Eigentümer, der die Produktionsmittel beistellt, als auch dem Arbeiter, der an den Produktionsmitteln seine Arbeit verrichtet, ein Anteil am Ertrag zukomme, der nach den Regeln der Gerechtigkeit zu bemessen ist. Wir bemühen uns, diese Regeln im einzelnen zu finden, um mittels ihrer in die unübersehbare Mannigfaltigkeit der Fälle, der Vertragsschlüsse und der wirtschaftlichen Verkehrakte, wie das wirtschaftliche Leben von heute sie mit sich bringt, hineinzuleuchten und festzustellen, was jeweils Recht und Gerechtigkeit erfordern. Dabei leitet uns der Gedanke, dass nur diejenigen Regeln
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dem ewigen Gesetz und weisen Schöpfungsplan Gottes gemäss sein können, bei denen auf die Dauer nicht blos [sic] eine Gruppe, sondern die menschliche Gesellschaft als Ganzess wohl fährt. Zugleich suchen wir uns bei allen diesen Erwägungen immer wieder vor Augen zu halten, dass es nicht einmal so sehr darauf ankommt, einen Massstab der Verteilung der irdischen Güter unter die verschiedenen Interessengruppen zu finden, als vor allem durch gemeinsame Bemühung aller, das grösste Zusammenspiel der Kräfte in der Wirtschaft des ganzen Volkes auszurichten auf das naturgegebene, gottgewollte Ziel des Wirtschaftens, d.i. die Unterhaltsfürsorge unter Wahrung der rechten Rangordnung der Güter. Indem wir in diesem Geiste an die Dinge herantreten, glauben wir den Kampf und die Anteile am Wirtschaftsertrage von der Ebene des nackten Interessengegensatzes auf eine höhere Ebene zu verlegen.
Wir lehnen mit Entschiedenheit ab, die allegemeine [sic] Gleichmacherei, deren Gurndgesetz [sic] das Gesetz des Neides ist: „keiner darf es besser haben als ich." Wir anerkennen die naturgemässe Ungleichheit der Menschen hinsichtlich ihrer äusseren Lage, insbesondere ihrer Vermögensverhältnisse. Was wir ablehnen, das ist jene Auffassung der Ungleichheit, die in der Bevorzugung im Anteil an den irdischen Glücksgütern nur einen höheren Anspruch ans Leben sieht, es im Leben besser zu haben und andere Menschen, die in weniger bevorzugter Lage sind, seinem eigenen Vorteil unterzuordnen, eine Auffassung, von der wir wohl wissen, dass sie nicht allein im Herzen des Reichen zuhause ist. Wir verstehen die Ungleichheit so, dass derjenige, dessen äussere Lage eine gehobene ist, entsprechend seinen grösseren Mitteln und weitreichenderen Möglichkeiten eine [sic] umso nützlicheres Glied der menschlichen Gesellschaft sein, ihr umso grössere oder wichtigere oder schwierige Dienste leisten soll.
Es ist unser Bestreben, diese unsere Ueberzeugung auch den Kreisen, die heute eine falsche Eigengesetzlichkeit der Wirtschaft behaupten
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und befolgen, einsichtig zu machen. Darüber hinaus muss allerdings nach unserer Ueberzeugung, für die wir uns wiederum auf Leo XIII berufen, der Staat die wirtschaftsmächtigen Kreise anhalten, ihre Gebähren [sic] so einzurichten, dass die Lebensrechte aller, auch der nichtsbesitzenden Volksgenossen gewahrt bleiben. Wo nach solchen Grundsätzen gehandelt wird, da ordnet der katholische Arbeiter freudig sich ein, um auch seinerseits als Glied des gesellschaftlichen Organismus seine besondere Leistung zu vollbringen und zum Wohlsein des Ganzen beizutragen.
3. Nicht nur theoretische haben wir gearbeitet an der Frage des Eigentums, sondern auch praktisch haben wir es unternommen, die Frage an dem Ende anzufassen, auf das bereits Leo XIII hingewiesen hat. Seit mehreren Jahren wird mit Kraft daran gearbeitet, allmählich einer wachsenden Zahl von Arbeitern die Möglichkeit zu eröffnen, ein eigenes Heim, ein Stück Boden und eine Wohnung, für sich und die Ihrigen zu eigen zu erwerben. Mit den übrigen katholischen Standesvereinen haben wir uns zusammengeschlossen zu einem Verband, dessen Aufgabe es ist, zuerst den Willen zum Eigenheim zu wecken, den Willen zur Sparsamkeit und Anspannung aller Kräfte zu erziehen, ohne die das Ziel nicht erreicht werden kann, sodann aber den geweckten Willen auch zu leiten und ihm die gangbaren Wege zum Ziele zu zeigen. Die hochwürdigsten Bischöfe Deutschlands haben dies Unternehmen gleich von Anfang an gut geheissen; die am Grabe der heiligen Bonifatius versammelten Bischöfe haben einen aus ihrer Mitte zum Führer dieser Bestrebungen bestellt; der Katholikentag von Magdeburg hat dem ganzem katholischen Deutschland die Wichtigkeit und Dringlichkeit dieser Aufgabe eingeschärft.
4. Ein unmittelbares Eingreifen in das wirtschaftliche Leben, besonders in die Arbeitskämpfe, liegt unserer Bewegung fern, weil in Deutschland eine Zweiteilung der Aufgaben sich herausgebildet hat, bei der unseren Vereinen die Aufgabe der religös sittlichen Bildung und Er-ziehung unserer Mitglieder die Herausarbeitung der kulturellen Momente
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in der heutigen Gesellschaft und Wirtschaft insbesondere Natürlich [sic] in unserer eigenen Standesbewegung zufällt. Als Standesbewegung verfolgen wir ein doppeltes Ziel: Vorerst pflegen wir den Berufsgedanken, d.i. die Auffassung unserer Arbeit im Wirtschafsprozess als die Erfüllung der Aufgabe, zu der uns Gott berufen hat, als Erfüllung seines heiligen Willens als etwas, das in Gottes Augen gross ist und darum auch uns nicht zu gering sein kann. Tief durchdrungen davon, dass es naturwidrig ist, die Stunden der Arbeit widerwillig abzuleisten, halten wir dafür, dass der Arbeiter in Arbeit und Beruf selbst Befriedigung, die Erfüllung seiner Anlagen zu Fähigkeiten finden müsse. Wir wissen sehr wohl, dass es dem Menschen bestimmt ist, im Schweisse seines Angesichtes sein Brot zu essen, dass darum Arbeit niemals in Spiel und Vergnügen gewandelt werden kann, Arbeit vielmehr immer hart bleiben wird. Diese Härte der Arbeit auch jene besondere Eigentümlichkeit eines Teiles der heutigen Maschinenarbeit, ihre Eintönigkeit nämlich, das Ungenügen einer stets wiederholten kleinen Teilverrichtung, wird uns kein Hindernis sein, die Arbeit im Sinne christlich gläubiger Berufserfüllung zu vollziehen. Nur eines ist es, was es für den schwachen Menschen allein schwer macht, was ein das Durchschnittsmass achtbarer Christentugend allzuweit übersteigt: dieses Wegwerfen der persönlichen Leistung des Menschen und seiner Arbeit an nichtige Zwecke, an blosse Befriedigung der Genußsucht oder der Erwerbsgier, ohne das wirklich werthabende Güter geschaffen werden, ohne dass das Leben der Menschen kulturell damit gehoben, sittlich und religiös veredelt wird.
Als katholische Arbeiterstandesbewegung genügt es uns nicht, den Einzelnen mit der rechten Berufsgesinnung zu erfüllen und vielleicht etwas dazu beizutragen, die Hindernisse auszuräumen, die solcher Berufsgesinnung sich in den Weg stellen. Wir betrachten es vielmehr als unsere Aufgabe, die Arbeiterschaft als Berufsstand der heutigen Gesellschaft anzugliedern. Die einstige Gliederung der Gesellschaft ist zerfallen und
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und wir betrachten es nicht als unser Ziel, sie zurückzurefen [sic], weil sie für ihre Zeit angepasst war, nicht für alle Zeiten, insbesondere auch nicht für unsere Zeit. Eine blosse Auseinanderschichtung der Menschen nach ihrer ökonomischen KL5age und die Zusammenballung der Angehörigen einer und derselben Schicht zu Klassen voll Klassenbewusstsein und Klassenkampfgesinnung kann aber zu keiner oranischen [sic] Gliederung der Gesellschaft führen, ist vielmehr deren Vern6einigung. Die Zuerkennung der politischen Gleichberechtigung and den Arbeiter, ohne dass man ihn zugleich auch in den menschlichen Beziehungen als wirkliches und vollwertiges Glied der menschlichen Gesellschaft behandelt und betrachtet, bringt auch noch keine Gesundung der Gesellschaftsornung [sic]. Unser Ziel ist daher, der Arbeiterschaft jene Stellung in der menschlichen Gesellschaft zu erringen, die es ihr ermöglichst [sic], ihren besonderen Dienst als Glied eigener Art an der Gesellschaft zu leisten, in der sie zugleich aber auch als ein solches, eine unentbehrliche Teilleistung verrichtendes Glied geschätzt und gewertet ist und sich jenes Anteils an dem allgemeinen Wohl erfreut, der einen [sic] solchen Gliede zukommt. In dieser unsera [sic] Auffassung glauben wir das Unvergängliche der christlich-organischen Gesellschaftsauffassung ohne einseitige Uebertreibung richtig zu verbinden mit der zweckmässigen Anschmiegung an die Gegebenheiten, Bedürfnisse und Notwendigkeiten der stets wechselnden Gegenwart,. [sic]
5. Aus allen diesen Gedanken heraus hat das Manifest, das unser Kölner Kongress in die Welt hat hinausgehen lassen, die Forderung erhoben nach der sinnvoll geleiteten Wirtschaft. Mit dem Fürsten der Schule, dem hl. Thomas von Aquin, halten wir daran fest, dass alles menschliche Tun und Lassen seine Ordnung empfungen [sic] muss durch die Ausrichtung auf das Ziel. Wie der Schöpfer selbst nicht sinnlos, sondern nach weiser Absicht die Welt und den Menschen geschaffen und ihm ein Daseinszeil [sic], einen Lebenszweck gesetzt hat, so muss auch das Wirtschaften des Menschen nicht blos der ewigen Zielbestimmung immer untergeordnet bleiben, sondern auch in sich selbst zweckstrebig
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und zielbewusst verlaufen[.] Deutlich genug hat der Schöpfer uns in der Natur der geschaffenen Dinge und unserer eigenen zu Lesen [sic] gegeben, welches das Ziel des menschlichen Wirtschaftens ist; den Menschen, d.i. allen Kindern der grossen Gottesfamilie auf dieser Welt, erst das zu verschaffen, ohne das [sic] sie überhaupt ihr Leben nicht fristen könnten, dann aber darüber hinaus hinaus ihnen alls [sic] das gewähren, was ihnen ermöglichst [sic], die höheren, vom Schöpfer ihnen verliehenen Gaben immer mehr zu entfalten, die Gaben des Geistes vor allem die höchste Anlage des Geistes für das Gute, Sittlichkeit und Religion. Die Wirtschaft, die ihrer Sinnerfüllung wieder dienen wird, wird ganz von selber, so vertrauen wir zuversichtlich, günstigere Vorbedingungen gewähren für die Lösung der uns beschäftigenden Aufgaben. Eine Wirtschaft, die wirklich die Güter erzeugt, deren die Menschen bedürfen und die den Menschen dienlich sind, wird mit steigender Wohlfahrt auch leichter Eigentum in der Hand der Besitzolsen [sic] entstehen lassen. Sie wird den breitem [sic] Massen des Volkes gesunde und menschenwürdige Wohnungen zur Verfügung stellen, Wohnungen, die ganz besonders auch den Anforderungen entsprechen, die wir mit Rücksicht auf die christliche Auffassung von Ehe und Familie an sie stellen müssen.
Heiligster Vater! In diesem unsern Bericht haben wir versucht darzulegen, was wir denken, was wir planen und was wir tun, was unser Wille und unser Ziel in einigen wichtigen Fragen ist. Ein Segenswort aus dem Munde des Statthalters Jesu Christi würde unsern Mut stärken, unsern Eifer beleben und unsern Bemühungen einen stärkeren Widerhall im katholischem [sic] Arbeitervolke unseres Landes geben.
1Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
2"er" Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
3"ss" Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
4"Er" Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
5"L" Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
6"n" Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Vertreter der Katholischen Arbeiterinternationale an PiusXI. vom vor dem 20. August 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 16315, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/16315. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 20.01.2020.