Dokument-Nr. 16340
Middendorf, Arnold an Trendelenburg, Friedrich
Köln, 26. März 1924
Dem Metropolitankapitel ist zur Kenntnis gekommen, dass die Stadt Köln sich wiederum mit der Absicht trägt, die beiden Domkurien Rechtschule 2 und 4 von dem preußischen Staat zu erwerben. Das Metropolitankapitel sieht sich daher genötigt, erneut darauf hinzuweisen, dass eine Veräußerung dieser beiden Domkurien ohne Zustimmung des Kapitels eine Verletzung der dem Kapitel in Ansehung dieser beiden Häuser gegen den Staat zustehenden Rechte bedeuten würde. Gegen eine Veräußerung dieser beiden Kurien erhebt daher das Domkapitel nachdrücklichst Einspruch.
Zur Begründung dieses Einspruchs sollen nachstehend nochmals die Rechtsverhältnisse zwischen dem Kapitel und dem Staat hinsichtlich der vom Staat dem Kapitel zur Verfügung gestellten Domherrenwohnungen erläutert werden:
Die Ansprüche des Domkapitels beruhen auf folgender in deutscher Uebersetzung wiedergegebenen Stelle der Bulle "De salute animarum": "Desgleichen tragen wir ihm, dem Bischofe Joseph (v. Hohenzollern in Frauenburg) hierdurch auf; dass er den Erzbischöfen und Bischöfen zu ihrer anständigen Wohnung entweder die alten bischöflichen Residenzen, wenn dieses füglich geschehen kann, oder andere Häuser in den Städten, auch wo die Umstände es begünstigen, einen Sommeraufenthalt. Alles, wie die Gnade des Königs es verleihen wird, fest bestimme und anweise.
Ein gleiches gilt inbetreff der Wohnungen und des Gelasses für die Würden, Chorherren, Vikarien oder Pfründner, wie auch für die bischöfliche Kanzlei, das Domkapitel und Archiv."
Die Bulle "De salute animarum" ist nicht nur ein Staatsvertrag zwischen dem römischen Stuhl und dem preussischen Staat,
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sie ist vielmehr gemäss Kabinettsordre vom 23. August
1821 preussisches Staatsgesetz. (vgl. Rh. Arch. Bd. 70, S. 88
vorletzter Absatz). Es handelt sich demgemäss bei den sich auf die Bulle gründenden
Ansprüchen des Domkapitels in Köln um gesetzlich begründete Ansprüche.Mit der Ausführung der Bulle "De salute animarum" wurde gemäss Kabinettsordre vom 23. August 1821 der preussischen Kultusminister betraut. Dieser beauftragte mit der Leitung des Wohnungsbeschaffungsgeschäftes den Oberpräsidenten der Rheinprovinz. Der Oberpräsident setzte dann wiederum eine Kommission ein zwecks Ermittelung geeigneter Wohnungen. Diese Kommission ist im Jahre 1836, nachdem sie ihre Aufgabe vollendet hatte, aufgelöst worden. Aufgabe der Kommission war es, die Verpflichtung des preussischen Staats betr. Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Domgeistlichkeit zu erfüllen. Dies ist folgendermassen geschehen: Die Kommission hat bestimmte Häuser mit Mitteln des Bistumseinrichtungsfonds für den Staat erworben, wobei die Bestimmung dieser Häuser als Wohnungen für die Mitglieder des Domkapitels stets ausdrücklich genannt worden ist. Diese Häuser sind dann in förmlicher Weise dem Domkapitel überwiesen worden, wobei ebenfalls erklärt wurde, dass das betr. Haus zur Wohnung für einen bzw. mehrere Domkapitulare dem Kapitel übergebe werde, wohingegen die jedesmaligen Vertreter des Kapitels erklärten, die Häuser im Namen des Domkapitels übernehmen zu wollen. Die die Grundstücke betreffenden Originalurkunden, insbesondere auch die Eigentumstitel wurden hierbei dem Domkapitel übergeben. Die ganzen Verhandlungen wurden protokollarisch festgelegt. Mit der Beendigung der Arbeiten der Kommission sollten die Verpflichtungen des Staates aus der Bulle die Ansehung der Wohnungsbeschaffung für die Domgeistlichkeit erfüllt sein.
Das Domkapitel hat stets den Standpunkt vertreten, dass es sich bei der vorerwähnten Uebergabe von Häusern, um eine Uebergabe zu Eigentum gehandelt habe. Diese Auffassung wurde insbesondere auch vertreten von dem erzbischöflichen Kanzler von
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Groote, welcher bei der
fraglichen Uebergabe als Vertreter des Staates funktioniert hatte. Wie sehr diese
Auffassung auch allgemein geteilt wurde, ergibt sich daraus, dass das Domkapitel
i. J. 1868 eines der ihm überwiesenen Häuser nach einer öffentlich in der Zeitung
bekannt gemachten Submissionsaufforderung ohne Widerspruch der Regierung an einen Privaten
verkauft und übereignet hat. – Nach Erlass des Gesetzes vom 22. April 1875 stellte sich
dagegen der preussische Staat auf den Standpunkt, dass er sich bei der Ueberweisung der in
Frage kommenden Häuser an das Domkapitel seines Eigentumsrechts nicht entäußert, diese
vielmehr dem Domkapitel nur zur Benutzung durch seine Mitglieder eingeräumt habe. Daraus
wurde weiter gefolgert, dass diese Benutzung nur fortwährende Leistungen aus Staatsmitteln
bilde und daher von § 1 des Gesetzes vom 22. April 1875 betroffen
werde.Nachdem dann die Räumung der Häuser zwangsweise durchgeführt war, erhob das Domkapitel i. J. 1876 die Eigentumsklage gegen den preussischen Staat. Nachdem zunächst das Landgericht Köln der Klage stattgegeben hatte, wurde die Klage durch Urteil des Oberlandesgericht Köln am 31. März 1879 abgewiesen. Das Urteil ist vom Reichsgericht bestätigt und damit rechtskräftig geworden.
Das Domkapitel steht auch heute noch auf dem Standpunkt, dass es sich bei diesem Urteil um einen Fehlspruch gehandelt habe, dass aber der Staat, wenn wirklich das Eigentum an den fraglichen Häusern in der Vergangenheit dem Domkapitel nicht übertragen worden sei, hierzu auf Grund der Bulle "De salute animarum" auch heute noch verpflichtet sei.
Selbst wenn man dem Urteil des Oberlandesgerichts beipflichten will, so ist die Rechtslage zwischen dem Domkapitel und dem Staat doch unter allen Umständen dahin festzustellen, dass der Staat verpflichtet ist, die dem Domkapitel zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Domgeistlichkeit übergebenen Häuser dauernd zu diesem Zweck zur Verfügung zu halten. Das Urteil sagt Rh. Arch. Bd. 70, S. 115 wörtlich:
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"dass das Verhältnis als eine fortdauernde Leistung bestimmter in gutem Zustande befindlicher Wohnungen aufgefasst und ausgeführt worden ist".
und weiter:
"dass die Ueberweisung der hier in Rede stehenden Häuser und der durch diesen Titel dem Domkapitel überkommene Besitz an denselben sich dahin charakterisiert, dass der Besitz zwar nicht rein prekär und nach Belieben der Staatsregierung widerruflich, aber auch kein Eigentumsbesitz an den Häusern ist, sondern in der Ausübung einer von dem Staat fortdauernd eingeräumten Benutzung der ihm zugehörigen Häuser zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Geistlichen besteht."
S. 122 a. a. O. betont das Urteil nochmals die Zusage des Staates, die Häuser fortwährend zu Wohnungen zu prästieren und bemerkt dazu, dass allerdings die Häuser in diesem Verhältnis wenig finanziellen Wert für den Staat hätten. Es erwägt schließlich sogar, dass der Staat in seiner Fürsorge für seine katholischen Untertanen sich das Eigentum gerade deshalb vorbehalten habe, damit die Häuser auch sicher ihrer Bestimmung verblieben! (S. 123 a .a. O.)
Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass das Metropolitankapitel auch heute noch wenigstens den Anspruch gegen den Staat hat, dass die ihm seinerzeit zur Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses der Domgeistlichkeit überwiesenen Häuser, darunter auch die beiden Domkurien Rechtschule 2 und 4, dauernd zu diesem Zwecke zur Verfügung gehalten werden.
Es kann ferner keinem Zweifel unterliegen, dass dieser Anspruch gegebenenfalls im Wege der Klage vor den ordentlichen Gerichten von dem Domkapitel verfolgt werden könnte. Weil aber der Staat nach seiner Veräußerung der Grundstücke Rechtschule 2 und 4 an die Stadt Köln nicht mehr in der Lage sein würde, seiner Verpflichtung, diese Häuser als Wohnungen für 2 Domkapitulare zu prästieren nachzukommen, muss das Domkapitel der Durchführung einer etwa dahingehenden Absicht nachdrücklichst widersprechen.
Das Metropolitankapitel in Köln:
gez. Dr. Middendorf,
Domprobst.