Dokument-Nr. 16488
Rauterkus SJ, Franz an Pacelli, Eugenio
Berlin, 21. Juli 1925
erwidere ich auf das Schreiben vom 11.d.Mts., dass ich den Mitpreis [sic] am Michaelkirchplatz bezahlt habe.
Wegen der Opportunitaet des [sic] Sendung eines Geistlichen vom orientalischen Ritus habe ich zunaechst persoenlich gesprochen mit dem Bischof von Danzig. Der hochwuerdigste Herr meinte, den hiesigen Russen wuerde ein Bulgare wenig genehm sein, und auch davon abgesehen, halte er einen derartigen Gottesdienst hier in Berlin fuer ziemlich ueberfluessig.
Frau von Oettingen habe ich ebenfalls konsultiert, die Antwort der Dame lege ich diesem Briefe bei.
Wenn ich meine eigene Auffassung beifuegen darf, so lautet dieselbe so:
1.) Die sehr wenigen katholischen Russen, welche ueberhaupt hier in Berlin weilen, habe [sic] sich an den roemischen Ritus gewoehnt und verlangen nichts anderes.
2.) Wenn einige nichtkatholische Russen in einem augenblicklichen Aerger von ihrem Bischof Tychon sich zu trennen erklaeren, so folgt daraus noch nicht, dass sie sich nun dem Ritus anschliessen, der ihnen durch einen bulgarischen Priester vermittelt wird. = Mit zahlreichen Uebertritten erwachsener Russen ist hier ueberhaupt nicht zu rechnen.
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3.) Der bulgarische Priester wuerde hier keine volle
Beschaeftigung haben. Eine Beschaeftigung in einer Schule oder in einem andern Institut
duerfte fuer ihn als Auslaender sehr schwer zu erreichen sein.4.) Neben der caritativen Taetigkeit hat sich hier als ein sehr gutes Mittel, den Russen zu helfen, erwiesen die Sorge fuer die Kinder, Unterbringung in katholischen Schulen, Erziehungsanstalten u.s.w.; ich glaube, wenn die immerhin doch nicht geringen Mittel fuer den Unterhalt des Priesters zu diesen Zwecken verwendet würden, so wuerde dadurch der Sache der Russen mehr gedient werden.
5.) Bei der geplanten Neueinrichtung wuerden wir hier in Berlin praktische [sic] zwei Russenseelsorger haben. Theoretische [sic] lassen sich die Arbeitsgebiete ja sehr schoen abgrenzen, ob das aber in der Praxis auch so moeglich ist, ob nicht vielmehr durch die neue Einrichting [sic] allerhand Differenzen und Reibereien geschaffen werden, scheint mir sehr der Beachtung wert zu sein. = Wenn ich uebrigens recht unterrichtet bin, hat Herr Professor Dr. Berg seine fruehere Ansicht ueber die Opportunitaet der Sendung des gedachten Geistlichen Geaendert [sic]. [sic]
Duxi salvo meliore iudicio!
In hoher Verehrung bin
Ew. Exzellenz
ergebenster
(gez.) Rauterkus S.J