Dokument-Nr. 16780

[Preußische Regierung]: Außerkrafttreten der dem neuen Vertrage Preußens mit der Kurie entgegenstehenden Gesetze und Verordnungen (Artikel 12 Abs. 2 der Vertragsvorschläge), 23. März 1929

I. Die zwischen den Vertragschließenden bisher bestehenden Vereinbarungen (Bulle De salute animarum v. 16.7.1821, Bulle Provida solersque v. 16.8.1821, Bulle Ad dominici gregis custodiam v. 11.4.1827 und Bulle Impensa Romanorum v. 26.3.1824 nebst Breven).
Durch Artikel 1 Abs. 1 des Vertrages sind die Bestimmungen der Zirkumskriptionsbullen über die Diözesanorganisation und –zirkumskription aufrechterhalten, soweit sich nicht aus dem Vertrag selbst ein anderes ergibt.
Über die Zirkumskription der durch die deutsch-tschechoslovakische Grenze durchschnittenen Diözesen schweben besondere Verhandlungen.
Die Diözesandotation hat durch Artikel 3 des Vertrages nebst dem zugehörigen Vermerk des Schlußprotokolls eine Neuregelung erfahren. Die Bestimmungen der Zirkumskriptionsbullen über die Dotation treten mithin außer Kraft, soweit sich nicht aus Abs. 2 und Abs. 3 dieses Artikels ein anderes ergibt.
Das in den Zirkumskriptionsbullen nebst Breven behandelte Ämterbesetzungsrecht ist in Artikel 5ff. des Vertrages neu geregelt, womit die diesbezüglichen Bestimmungen der bisherigen Vereinbarungen außer Kraft treten.
Das Gleiche gilt gemäß Artikel 8 und 9 des neuen Vertrages von den Bestimmungen der Zirkumskriptionsbullen über die Vorbildung der Geistlichen.
100v
Nach Artikel 12 Abs. 2 Satz 2 des neuen Vertrages bleiben für den Fall seines Außerkrafttretens alle Ansprüche und Einwendungen aus den bisher bestehenden Vereinbarungen aufrechterhalten.
II. Die Preußischen Staatskirchengesetze.
1. Die sog. Maigesetze.
a) Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen vom 11. Mai 1873 (GS S. 291) nebst Novellen.
Artikel 8, 9 und 11 des Vertrages enthalten eine Neuregelung der in dem vorbezeichneten Gesetz behandelten Materien, sodaß dieses gegenstandslos wird. Unberührt bleiben lediglich § 20 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 und § 21 a.a.O. in der Fassung des Artikels 2 § 4 des Gesetzes vom 29. April 1887, die ihrerseits Gegenstände des neuen Vertrages nicht behandeln.
b) Die Gesetze vom 12. und 13. Mai 1873 über die kirchliche Disziplinargewalt und über kirchliche Straf- und Zuchtmittel (GS S. 198, 205) nebst Novellen werden durch den neuen Vertrag nicht berührt. (Vgl. unten zu III.)
c) Das Gesetz über die Verwaltung erledigter katholischer Bistümer, v. 20. Mai 1874 (GS. S. 135) wird durch Artikel 8 Abs. 3 Satz 2 des neuen Vertrages gegenstandslos.
d) Das Gesetz, betreffend die geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche v. 31. Mai 1875 (GS. S. 217) nebst Novellen behandelt keine Materie des neuen Vertrages. (Vgl. unten zu III.)
e) Das Gesetz betreffend die Rechte der altkatholischen Kirchengemeinschaften an dem kirchlichen Vermögen v. 4. Juli 1875 (GS S. 333) tritt gemäß Artikel 4 des Vertrages mit Wirkung für die Zukunft außer Kraft.
101r
2. Gesetz über erloschene Parochien und über die Behandlung des Vermögens derselben, v. 13. Mai 1833 (GS. S. 51).
Die §§ 4 und 5 dieses Gesetzes treten gemäß Artikel 4 des Vertrages mit Wirkung für die Zukunft außer Kraft.
III. Anhang: Auswirkung der Verfassung des Deutschen Reichs, v. 11. August 1919.
Soweit nach dem Gesagten der neue Vertrag die früheren Gesetze nicht berührt, bleibt die Auswirkung der Reichsverfassung auf diese zu prüfen. Hierzu mag folgendes bemerkt werden:
Am tiefgreifendsten ist die Auswirkung auf dem Gebiete der Ordensgesetzgebung (oben II 1 d). Die in der Reichsverfassung garantierte Vereins- und Versammlungsfreiheit, Freiheit des Erwerbs der Rechtsfähigkeit und Niederlassungsfreiheit kommt allen Ordensmitgliedern, soweit sie Deutsche sind, zu Gute. Mit Rücksicht hierauf hat das Preußische Staatsministerium bereits durch Beschluß vom 13. Dezember 1919 – St.R.I 22599 – und ihm entsprechenden Erlaß des Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und des Ministers des Innern vom 31. Dezember 1919 – G II 688/ I b 1860 - angeordnet, daß die Ordensniederlassungen deutscher Reichsangehöriger nicht mehr der ministeriellen Genehmigung bedürfen und ihre Tätigkeit den bisherigen Sonderbestimmungen nicht mehr unterliegt.
Die Gesetze vom 12. und 13. Mai 1873 über die kirchliche Disziplinargewalt und über kirchliche Straf- und Zuchtmittel (oben II 1 b) sind größtenteils bereits durch die frühere preußische Gesetzgebung aufgehoben. Von dem ersten Gesetz gelten nur noch § 2 (in der Fassung des Artikels 7 des Gesetzes vom 21. Mai 1886), §§ 3 bis 5, §§ 6 und 7 (in der Fassung des Artikel 8 des Gesetzes vom 21. Mai 1886),
101v
§§ 8 und 9. § 8 wird nicht mehr gehandhabt. § 9 enthält lediglich eine Vergünstigung für die Kirche. Von dem zweiten Gesetz gilt nur noch § 1. Wieweit im einzelnen die Reichsverfassung in diese übriggebliebenen Bestimmungen eingreift, kann zweifelhaft sein.
Empfohlene Zitierweise
[Preußische Regierung], Außerkrafttreten der dem neuen Vertrage Preußens mit der Kurie entgegenstehenden Gesetze und Verordnungen (Artikel12 Abs.2 der Vertragsvorschläge) vom 23. März 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 16780, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/16780. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 02.11.2015.