Dokument-Nr. 18577

Pacelli, Eugenio: [Kein Betreff]. [Ohne Ort], vor dem 10. Oktober 1928

Bischöfliche Gnaden!
Hochansehnliche Festversammlung!
Die Jubilarin, die wir heute feiern, ist nicht von dieser Welt. Sie weiss nichts von ihren Freuden und Eitelkeiten. Sie sucht nichts von ihrem Glanz und ihren vergänglichen Ehren. Still und unauffällig ist sie seinerzeit gekommen und hat ihr Heim aufgeschlagen auf dem Boden des Pfälzer Landes, in den Mauern der alten Kaiserstadt Speyer. Still und unauffällig ist sie dahingeschritten durch den Wandel der Zeiten, Gnaden empfangend und Gnaden spendend. Und wenn sie heute, mit dem Jubelkranz von sieben Jahrhunderten geschmückt, zurückschaut auf den Weg, den sie gegangen - durch Prüfungen und Opfer, durch Stürme und Gefahren, durch Widerstände und Anfeindungen aller Art, dann ringt sich aus ihrem Herzen ein Magnifikat des Lobes und des Dankes, ein Magnifikat heiligen Jubels und demütigen Stolzes zu Gott dem Herrn, dessen allmächtige Vaterhand sie geschützt und bis zu dieser festlichen Stunde geführt hat.
Die Jubilarin des heutigen Tages ist jene Gottesliebe, jene betende, opfernde, dienende Liebe, die in der Weltabgeschiedenheit der Klostermauern ihre Heimstätte hat. Sie zieht sich zurück von dieser Welt. Aber an dem Altar, an dem sie sich Gott und seinem Dienste weiht, in der verinnerlichten Stille der klösterlichen Einsamkeit wächst mit ihr auch die heilige, übernatürliche Liebe zu den Brüdern und Schwestern, die draussen im harten Lebenskampfe stehen, der apostolische Drang nach Hilfe und Rettung für ihre ringenden Seelen. Ein heiliges Band innigster Verbundenheit schlingt sich zwichen der Ecclesia orans des Klosters und der Ecclesia <l>aborans1 derer, die im weltlichen Berufsleben kämpfen. Eine heilige Verbundenheit, deren 2
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deren geheimnissvolle Beziehungen und innere Abhängigkeiten uns erst dann in vollkommener Klarheit tragen werden, wenn in dem Gotteslicht der Ewigkeit die Schleier fallen, die in dem Zwielicht des Diesseits die volle Schau der übernatürlichen Welt verhüllen.
Wenn je, dann krankt unsere Zeit an einer Ueberschätzung des Aeusserlichen und an einer Unterschätzung der inneren Werte. Die verwöhnten Lieblinge der öffentlichen Meinung, die Heroen der Massen sind vielfach nicht mehr diejenigen, die sich in uneigennütziger und hingebender Arbeit im Dienste der Wahrheit, des Rechtes, im Dienste des Schönen und sittlich Guten verzehren. Eine Verwirrung aller Werturteile greift um sich, in der der Schein zum Götzen des Tages wird und immer weitere Kreise in den Bann seines trügerischen Kultes lockt.
Diesen Erscheinungen gegenüber spricht das heutige Jubiläum, das die Scharen Pfälzer Katholiken, unter der Leitung ihres geliebten, von mir hochverehrten Oberhirten, mit hohen kirchlichen, und 3 staatlichen und städtischen Autoritäten hier vereint, eine ernste und zu Herzen dringende Sprache. Der Gegenstand unserer Feier ist stilles, vor der Welt verborgenes, aber wahres Heldentum, das stille Heldentum der Nachfolge Christi. Ich möchte glauben, dass alle die Gebete, die Treue, die selbstlosen Opfer und die starkmütige Geduld der Ordensfrauen des St. Magdalenenklosters in den ersten sechs Jahrhunderten seines Bestehens nicht zuletzt dem Zweck zu dienen hatten, den Boden der apostolischen Wirksamkeit zu bereiten, mit der die Töchter des heiligen Dominikus seit einem Jahrhundert, ganz im Sinne ihres grossen Ordensstifters, für den Glauben, das Glück und die reine Sitte der weiblichen Jugend und der Frauenwelt des Pfälzer Landes eine Gnaden- und Segensquelle geworden sind.
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Das alte Speyer ist reich, überreich an grossen Erinnerungen, an einzigartigen Kleinoden der Kunst. Ich verstehe es, wenn Sie stolz sind auf diesen kostbaren Besitz. Ich selbst bin mit ehrfürchtiger Ergriffenheit durch Ihren Dom geschritten, durch dieses reife Meisterwerk romanischen Stilempfindens, dessen Hallen einst die Stimme Ber<n>hards 4 von Clairvaux hörten, da er die Völker des Abendlandes zum gemeinsamen Kampf für die Befreiung des Grabes Christi aufrief. Ich habe der Sprache der Kaisergruft gelauscht, dieses majestätischen Zeugen grosser Vergangenheit und vergangener Grösse, dieses nahenden Wahrzeichens dafür, dass aller Diesseitsglanz zum Staube zurückkehren muss, von dem er genommen ist.
Das, was wir heute feiern, kann an äusserer Schönheit und Pracht nicht an den Dom, kann an ruhmvollen Erinnerungen nicht an die Kaisergruft heranreichen und an die Szepterträger, die sie birgt. Aber höher als das Kunstwerk von Stein steht der geistige Gottesbau eines Lebens und Wirkens in Christus, höher als die verrauschende und verklingende Herrlichkeit der Erde steht der schlichte und entsagungsvolle Dienst an den Seelen, um sie im Schatten des Kreuzes Christi Frieden und Glück finden zu lassen.
Das Bildnis des Erlösers thront auch über dem Eingang zur Speyerer Kaisergruft. Und dabei die aufrüttelnde Inschrift: Per me reges regna<n>t!5 - Ich bin es, durch den die Könige herrschen! dass doch alle die, in deren Händen Herrschaft ruht, den tiefen Ernst, die mahnende Hoheit dieses Wortes erfassten! Dass doch auch die Völker selbst, die in den modernen Staatsverfassungen über einer Macht verfügen wie nie zuvor, sich bewusst werden, und bewusst bleiben wollten, dass dieses Mehr an Rechten auch ein Mehr an Pflichten bedeutet, ein Mehr an Verantwortung, ein Mehr an Rechenschaft vor dem Richterstuhl des ewigen Gottes!
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Dieses Gefühl heiliger Verantwortung hineinzutragen in alle Gebiete des privaten und öffentlichen Lebens, Einzelleben und Gemeinschaft so zu gestalten, dass sie dem letzten und höchsten Ziel alles geschöpflichen Daseins sich ein- und unterordnen, das ist die hehre [sic] Aufgabe der katholischen Welt, das ist der Kreuzzug unserer Tage, zu dem der Heilige Vater in der katholischen Aktion aufruft - ein Kreuzzug, dessen Bedeutung und Auswirkung für die Ausbreitung des Reiches Christi auf Erden gewiss dem nicht nachsteht, für den die hinreissende Beredsamkeit des heiligen Bernhard seinerzeit geworben hat. "Gott will es!" Folgen Sie dem Ruf des Stellvertreters Christi, der für Sie der Ruf Gottes ist! Und vergessen Sie eines nicht: Kein Massenaufgebot, keine noch so glänzende äusserliche Organisation, kein verheissungsvolles Programm und keine tönende Parole können den Geist ersetzen, der allein lebendig macht, den stillen Heroismus der christlichen Tat, den Heroismus derer, die wissen, dass der Weg zur Umgestaltung der Welt über die Umgestaltung unserer selbst nach dem Vorbilde Christi führt.
Dass der Allmächtige diesen heroischen Geist in Ihrer aller Herzen senke und daß das Feuer, das in Ihnen auflodert, auch andern die Fackel zur Heimat in Gott werde, dafür sei Ihnen und allen Glaubensbrüdern und -schwestern des Pfälzer Landes Symbol und Unterpfand der Apostolische Segen, den ich Ihnen im Namen unseres glorreich regierenden Heiligen Vaters spende.
1Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
2Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, gestrichen
3Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, gestrichen
4Hds. von unbebekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
5Hds. von unbebekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Pacelli, Eugenio, [Kein Betreff], [Ohne Ort] vom vor dem 10. Oktober 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 18577, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/18577. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 20.01.2020.