Dokument-Nr. 18640
[Hindenburg, Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von]: Erwiderungsansprache des Herrn Reichpräsidenten, 01. Januar 1927
Mit aufrichtigem Danke nehme ich die in so warme und herzliche Worte gekleideten Glückwunsche entgegen, die Sie im Namen des Diplomatischen Korps dem Deutschen Volke und mir als seinem Vertreter dargebracht haben.
Sie haben darauf hingewiesen, daß das verflossene Jahr durch ein politisches Ereignis, den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund, sein besonderes Gepräge erhielt, und daß während seines Verlaufes der Gedanke des Friedens und der internationalen Zusammenarbeit trotz mancher Schwierigkeiten und Hindernisse einen starken aufschwung [sic] genommen hat. Wenn sich auch, wie Sie hervorgehoben haben, noch nicht mit voller Sicherheit übersehen läßt, ob diese Bemühungen um eine gegenseitige Verständigung zwischen den Staaten und Völkern den gewünschten Erfolg haben werden, so bin ich doch mit Ihnen der Ueberzeugung, daß diese Bestrebung mit allen Kräften fortgesetzt werden müsse, um den Gedanken der Zusammengehörigkeit der Nationen zur Verwirklichung zu bringen. Hieran mitzuarbeiten hat sich das Deutsche Reich durch die von Ihnen erwähnten internationalen Abmachungen erneut bereit erklärt. Nach den Spannungen und Erschütterungen der vergangenen Jahre sind die Völker in der Tat zu einer Schicksalsgemeinschaft
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verbunden und in ihren politischen,
wirtschaftlichen und geistigen Lebensnotwendigkeiten mehr denn je aufeinander angewiesen.
Jedes Volk hat in erster Linie das Recht und die Pflicht, seine politische Unabhängigkeit,
seine Freiheit und seine Eigenart aufrecht zu erhalten. Das soll und darf aber nicht
hindern, auf der Grundlage der Gerechtigkeit und der Gleichberechtigung aller Nationen das
allgemeine Wohl der Menschheit zu pflegen und zu fördern. Seien Sie überzeugt, daß das
Deutsche Volk in diesem Sinne mit aller Kraft an der Erreichung des hohen Zieles der
Völkerverständigung mitarbeiten wird.Herr Nuntius! Möge das Neue Jahr die Wünsche, mit denen wir heute sein Kommen begrüßen, möge es das tiefe Verlangen der Menschheit nach ruhiger, gedeihlicher Arbeit und nach einer wahren Friedensgemeinschaft der Völker erfüllen. Möge es uns und allen anderen Völkern die wirtschaftliche Gesundung bringen, die der von Ihnen in so warmempfundenen Worten beklagten Not der Erwerbslosigkeit ein Ende setzt. In dieser Hoffnung spreche ich Ihnen, Herr Nuntius, und Ihnen, meine Herren, zugleich für Ihre Staatsoberhäupter, Regierungen und Völker, im Namen des Deutschen Volkes und im eigenen Namen meine aufrichtigsten und herzlichsten Neujahrswünsche aus.