Dokument-Nr. 18728
Langer, Johannes an Pius XI.
Kiel, 29. Juni 1927
Unterzeichner ist ein Verzweifelter, der sich keinen anderen Weg mehr weis [sic], als sich an den Vater der Christenheit, Gottes Stellvertreter auf Erden zu wenden. Heiliger Vater werden täglich viele derartige Briefe bekommen; doch bitte ich diesen Brief im Namen des heiligsten Herzens Jesu nicht ungelesen fortzulegen.
Geboren den 29.10.02. zu Charlottenburg, trat ich mit 17 Jahren in das Kloster Sion, Diepenveen by Deventer (Holland) der reformierten Cistercienser (Trappisten) ein und legte nach 2 Jahren Noviziat die einfachen Gelübde ab als Chorreligiens. Durch meine Mutter wurde ich nachdem ich 3 Jahre im Kloster war, durch Vorspielung falscher Tatsachen, aus dem Kloster geholt. Nachdem ich
88v
majoren geworden war, ging ich wieder in den
Orden zurück.Wurde aber als Fugitivus empfangen. Aus diesen Gründen ließ ich mich vom Kloster Sion nach der deutschen Abtei Mariawald bei Heimbach (Eifelgebirge) versetzen. Nachdem ich 2 Monate in Mariawald gelebt hatte, wurde vom Kloster Sion der Bescheid, dass ich dort mit einem confrater sodomia perfecta getrieben hätte. Heiliger Vater! So wie die Sache von dem Frater hingestellt wurde, war es nicht. Verzweifelt und durch Kants philosophia inspiriert, wurde ich in der Welt protestant [sic]. In protestantischen Kreisen weckte meine Klostervergangenheit Interesse.
Man bietet mir jetzt die Mittel protestantische theologie [sic] zu studieren.
Heiligster Vater! Ich bin protestantisch geworden und arbeite in der protestantisch-socialen Fürsorge. Aber ich habe keine
89r
Ruhe und bin der Verzweiflung nahe. Eure Heiligkeit sind
meine letzte Hoffnung! Ich bin aus vollster Überzeugung Katholik nur leider im
protestantischen Kleide.Vater der Christenheit, also auch mein Vater, helfen, Euer Heiligkeit mir und lassen mich nach Rom kommen. Ich bitte nur um eine Fahrkarte. Dort können mich Heiliger Vater in eine Besserungsanstalt senden. Nur fort möchte ich von hier. Hier gehe ich unter! Ich meine, Heiligster Vater, dass ich dieser Gnade nicht würdig bin; aber es geht ja hier um meine Seele. Ich will dass [sic] Geld zur Fahrt nach Rom nicht persönlich haben, damit jeder Betrug meiner Person ausgeschlossen ist. Dringend möchte ich, Eure Heiligkeit bitten meine Angelegenheit nicht durch die bischöfliche curia, oder das hiesige Pfarramt gehen zu lassen, sondern meinen Brief als eine Beichte zu betrachten. Andernfalls wäre ein Eclat unvermeidbar und ich hät-
89v
te nicht das Notwendigste, um mein
Leben zu fristen. Heiligster Vater, bitte, bitte retten Sie mich!! Ich will auch jede Strafe
auf mich nehmen.Mit der Bitte um Euer Heiligkeit apostolischen Se
Johannes Langer
Kiel, Koldingstr. 36 I bei
Juretzka.
1↑Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser gestrichen.