Dokument-Nr. 19383

Erzbischof Gonzales aus Mexiko in M. Gladbach, in: Westdeutsche Landeszeitung München-Gladbach, 19. Juni 1928
Der hochwürdigste Herr Erzbischof Gonzales aus Mexiko traf Sonntag gegen 4 Uhr hier in M. Gladbach ein, um an der Eröffnung der Festfeier des Stadtpatrones, des hl. Vitus, im Münster teilzunehmen und damit den Katholiken seinen Dank für die Smpathiekundgebungen [sic] zu gunsten der verfolgten Glaubensbrüder Mexikos auszudrücken. In seiner Begleitung befand sich ein Priester aus dem mexikanischen Kolleg in Rom. Um ½ 5 Uhr wurde er in feierlichem Zuge am Pfarrhause in der Abteistraße abgeholt und zum Münster geleitet. Nicht gerade hoffnungsvoll waren, wie wir gestern schon in einem Berichte über die St. Vitus-Feier bemerkten, die Aussichten für die St. Vitus-Prozession. Bewölkt war und blieb der Himmel; grau in grau lag es über der Stadt. Aber als das Festgeläute vom Münster und von der Pfarrkirche erklang, da drang mit einem Male die Sonne durch und die geplante Reliquien-Prozession konnte gehalten werden. Inzwischen war auch der hochwürdigste Herr Dr. Petrus Wacker, Abt der Zisterzienser von Delenberg im Elsaß eingetroffen, der sich dem Zuge anschloß. Unter dem mehrstimmigen Gesang des "Ecce sacerdos magnus" hielten die beiden Kirchenfürsten ihren Einzug und nahmen auf den rechts und links vom Hauptaltar angebrachten Sitzen Platz. Nach Anlegung der Pontifikalgewänder fand eine kurze Andacht zu Ehren des hl. Vitus statt, worauf sich die Reliquienprozession unter den Klängen zweier Musikchöre, eröffnet von weiß gekleideten Mädchen sowie den Jungfrauen- und Frauenvereinen, in Bewegung setzte. Mit einem Male brach die Sonne durch und herrlicher Sonnenschein ließ die Paramente und mitgeführten Kostbarkeiten noch herrlicher erscheinen. Unter einem roten Traghimmel trugen vier Mitglieder des Jünglings-Vereins in roten Dalmatiken die Büste des hl. Vitus, ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst, das bekanntlich das Haupt des hl. Vitus enthält. Dem Baldachin voran schritt die zahlreich vertretene Geistlichkeit der Stadt, alle in roten Paramenten. Hinter den Reliquien folgten zunächst der Zisterzienser-Abt Dr. Wacker in Mitra, assistiert von den beiden Kaplänen Dr. Kremer und Havenith, sodann der hochw. Herr Erzbischof Gonzales mit Stab und Mitra, begleitet von den Ehrendiakonen P. Placidus Graf von Spee und Prof. Dr. Schmalohr. Der Erzbischof ist eine feine, sympathische Figur, der allenthalben herzliche Sympathien fand, als er, nach allen Seiten den Segen spendend, die Straßen der Altstadt durchschritt. Es waren eigentümliche Gefühle, welche alle Teilnehmer und die zahlreich die Straßen umgebenden und andächtig niederknieenden Zuschauer beseelten, einen lebenden Martyrer der mexikanischen Christenverfolgung hinter den Reliquien der Blutzeugen einher schreiten zu sehen, die vor mehr als eineinhalb tausend Jahren für denselben Glauben gelitten und gestorben waren und jetzt im Triumphe durch die Straßen geführt wurden. Den kirchlichen Würdenträgern schlossen sich die Mitglieder des Kirchenvorstandes, Stadtverordnete u. a. m. an. Hinter diesen folgten die Fahnenabordnungen der kirchlichen Vereine und Bruderschaften, an erster Stelle die St. Vitus-Bruderschaft und die St. Laurentius-Bruderschaft. So wurden die kostbaren Reliquien unseres Stadtpatrons,umgeben von zahlreichen weißgekleideten Mädchen, mit Palmzweigen in den Händen, und den Mitgliedern des Männervereins vom allerheiligsten Sakramente mit Prunkfackeln nach dem Festzuge durch die Abteistraße, Kirchstraße, Markt und Rathausstraße wieder in das herrlich beleuchtete Münster zurückgeführt, wo der hochw. Herr Erzbischof Gonzales das Te Deum anstimmte, das der Münsterchor in seiner bekannten meisterhaften Weise fortsetzte. Nach der Erteilung des sakramentalen Segens trat der Erzbischof an die Rampe des Hochchores und hielt an die dichtgedrängten Gläubigen eine kurze Ansprache in seiner spanischen Muttersprache, deren Wortlaut wir bereits brachten. Dechant Dr. Hütten forderte im Anschluß an diese Ansprache zu einem Gebet für Mexiko auf, nach dessen Beendigung der Erzbischof der Menge den feierlichen Erzbischöflichen Segen spendete; die Menge brach spontan in den Gesang des Liedes: "Wir sind im wahren Christentum" aus. Es waren ergreifende Augenblicke, in denen sich gleichsam die Universität der Kirche Gottes auf Erden ohne Unterschied der Nation, der Länder und der Sprache deutlich und sichtbar offenbarte. Mit dem Lobgesange "Großer Gott" wurden die beiden Kirchenfürsten zum Pfarrhause zurückgeführt. Hier nahm sodann der hochw. Herr Erzbischof die Vorstellung des Klerus und der Honoratioren entgegen, wobei Herr Justizrat Boß im Namen der Laien dem hochw. Herrn dankbare Bewunderung und herzliche Sympathien aussprach. Sichtlich ergriffen dankte der hochw. Herr Erzbischof nochmals für diese Treuekundgebung, die er nie vergessen und von der er sowohl dem Kardinal von Köln wie auch den mexikanischen Glaubensbrüdern mit Stolz und Genugtuung berichten werde. In der Tat: M. Gladbach kann stolz auf die ebenso erhebende wie ergreifende Feier sein, die es verdient, in seinen Annalen niedergeschrieben zu werden. Es zeigte sich auch hier wieder, daß der christliche Glaube eine völkerverbindende und völkerversöhnende Macht ist wie keine zweite in der Welt.
8r, oberhalb des Textkörpers Foto und Bildunterschrift: "Die Aufnahme wurde von uns Sonntagabend nach der St. Vitusprozession im Garten des Pfarrhauses des Herrn Dechanten, Oberpfarrer Dr. Hütten, angefertigt. Sie zeigt im Vordergrunde sitzend links den hochwürdigsten Herrn Erzbischof Gonzales aus Mexiko, rechts den hochwürdigsten Herrn Zisterzienserabt Dr. Petrus Wacker von Delenberg i. E., stehend von links nach rechts unseren hochw. Herrn Dechanten, Oberpfarrer Dr. Hütten, den hochw. Herrn Pfarrer Hüpgens von der Eickener Pfarre, Herrn Oberstudiendirektor Giesing vom hiesigen Gymnasium, den Begleiter des hochwürdigsten Herrn Erzbischofs aus dem mexikanischen Kolleg in Rom und den hochw. Herrn P. Plazidus, Graf von Spee."
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 19. Juni 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 19383, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/19383. Letzter Zugriff am: 27.11.2024.
Online seit 20.01.2020.