Der hochwürdigste Herr Erzbischof Gonzales aus Mexiko traf Sonntag gegen 4 Uhr
hier in M. Gladbach ein, um an der Eröffnung der Festfeier des Stadtpatrones, des hl. Vitus,
im Münster teilzunehmen und damit den Katholiken seinen Dank für die Smpathiekundgebungen [sic]
zu gunsten der verfolgten Glaubensbrüder Mexikos auszudrücken. In seiner Begleitung befand
sich ein Priester aus dem mexikanischen Kolleg in Rom. Um ½ 5 Uhr wurde er in feierlichem
Zuge am Pfarrhause in der Abteistraße abgeholt und zum Münster geleitet. Nicht gerade
hoffnungsvoll waren, wie wir gestern schon in einem Berichte über die St. Vitus-Feier
bemerkten, die Aussichten für die St. Vitus-Prozession. Bewölkt war und blieb der Himmel;
grau in grau lag es über der Stadt. Aber als das Festgeläute vom Münster und von der
Pfarrkirche erklang, da drang mit einem Male die Sonne durch und die geplante
Reliquien-Prozession konnte gehalten werden. Inzwischen war auch der hochwürdigste Herr
Dr. Petrus Wacker, Abt der Zisterzienser von Delenberg im Elsaß eingetroffen, der
sich dem Zuge anschloß. Unter dem mehrstimmigen Gesang des "Ecce sacerdos magnus" hielten
die beiden Kirchenfürsten ihren Einzug und nahmen auf den rechts und links vom Hauptaltar
angebrachten Sitzen Platz. Nach Anlegung der Pontifikalgewänder fand eine kurze Andacht zu
Ehren des hl. Vitus statt, worauf sich die Reliquienprozession unter den Klängen zweier
Musikchöre, eröffnet von weiß gekleideten Mädchen sowie den Jungfrauen- und Frauenvereinen,
in Bewegung setzte. Mit einem Male brach die Sonne durch und herrlicher Sonnenschein ließ
die Paramente und mitgeführten Kostbarkeiten noch herrlicher erscheinen. Unter einem roten
Traghimmel trugen vier Mitglieder des Jünglings-Vereins in roten Dalmatiken die Büste des hl. Vitus, ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst, das bekanntlich das Haupt des hl. Vitus
enthält. Dem Baldachin voran schritt die zahlreich vertretene Geistlichkeit der Stadt, alle
in roten Paramenten. Hinter den Reliquien folgten zunächst der Zisterzienser-Abt Dr. Wacker
in Mitra, assistiert von den beiden Kaplänen Dr. Kremer und Havenith, sodann der hochw. Herr
Erzbischof Gonzales mit Stab und Mitra, begleitet von den Ehrendiakonen P. Placidus Graf von
Spee und Prof. Dr. Schmalohr. Der Erzbischof ist eine feine, sympathische Figur, der
allenthalben herzliche Sympathien fand, als er, nach allen Seiten den Segen spendend, die
Straßen der Altstadt durchschritt. Es waren eigentümliche Gefühle, welche alle Teilnehmer
und die zahlreich die Straßen umgebenden und andächtig niederknieenden Zuschauer beseelten,
einen lebenden Martyrer der mexikanischen Christenverfolgung hinter den Reliquien der
Blutzeugen einher schreiten zu sehen, die vor mehr als eineinhalb tausend Jahren für denselben Glauben gelitten und gestorben waren und jetzt im Triumphe durch die Straßen geführt
wurden. Den kirchlichen Würdenträgern schlossen sich die Mitglieder des Kirchenvorstandes,
Stadtverordnete u. a. m. an. Hinter diesen folgten die Fahnenabordnungen der kirchlichen
Vereine und Bruderschaften, an erster Stelle die St. Vitus-Bruderschaft und die St. Laurentius-Bruderschaft. So wurden die kostbaren Reliquien unseres Stadtpatrons,umgeben von
zahlreichen weißgekleideten Mädchen, mit Palmzweigen in den Händen, und den Mitgliedern des
Männervereins vom allerheiligsten Sakramente mit Prunkfackeln nach dem Festzuge durch die
Abteistraße, Kirchstraße, Markt und Rathausstraße wieder in das herrlich beleuchtete
Münster zurückgeführt, wo der hochw. Herr Erzbischof Gonzales das Te Deum anstimmte,
das der Münsterchor in seiner bekannten meisterhaften Weise fortsetzte. Nach der Erteilung
des sakramentalen Segens trat der Erzbischof an die Rampe des Hochchores und hielt an die
dichtgedrängten Gläubigen eine kurze Ansprache in seiner spanischen Muttersprache, deren
Wortlaut wir bereits brachten. Dechant Dr. Hütten forderte im Anschluß an diese Ansprache zu
einem Gebet für Mexiko auf, nach dessen Beendigung der Erzbischof der Menge den feierlichen
Erzbischöflichen Segen spendete; die Menge brach spontan in den Gesang des Liedes: "Wir sind
im wahren Christentum" aus. Es waren ergreifende Augenblicke, in denen sich gleichsam die
Universität der Kirche Gottes auf Erden ohne Unterschied der Nation, der Länder und der
Sprache deutlich und sichtbar offenbarte. Mit dem Lobgesange "Großer Gott" wurden die beiden
Kirchenfürsten zum Pfarrhause zurückgeführt. Hier nahm sodann der hochw. Herr Erzbischof
die Vorstellung des Klerus und der Honoratioren entgegen, wobei Herr Justizrat Boß im Namen
der Laien dem hochw. Herrn dankbare Bewunderung und herzliche Sympathien aussprach.
Sichtlich ergriffen dankte der hochw. Herr Erzbischof nochmals für diese Treuekundgebung,
die er nie vergessen und von der er sowohl dem Kardinal von Köln wie auch den mexikanischen
Glaubensbrüdern mit Stolz und Genugtuung berichten werde. In der Tat: M. Gladbach kann
stolz auf die ebenso erhebende wie ergreifende Feier sein, die es verdient, in seinen
Annalen niedergeschrieben zu werden. Es zeigte sich auch hier wieder, daß der christliche
Glaube eine völkerverbindende und völkerversöhnende Macht ist wie keine zweite in der
Welt.
8r, oberhalb des Textkörpers Foto und Bildunterschrift: "Die Aufnahme wurde
von uns Sonntagabend nach der St. Vitusprozession im Garten des Pfarrhauses des
Herrn Dechanten, Oberpfarrer Dr. Hütten, angefertigt. Sie zeigt im Vordergrunde sitzend
links den hochwürdigsten Herrn Erzbischof Gonzales aus Mexiko, rechts den
hochwürdigsten Herrn Zisterzienserabt Dr. Petrus Wacker von
Delenberg i. E., stehend von links nach rechts unseren hochw. Herrn Dechanten,
Oberpfarrer Dr. Hütten, den hochw. Herrn Pfarrer Hüpgens von der Eickener
Pfarre, Herrn Oberstudiendirektor Giesing vom hiesigen Gymnasium, den
Begleiter des hochwürdigsten Herrn Erzbischofs aus dem mexikanischen Kolleg
in Rom und den hochw. Herrn P. Plazidus, Graf von Spee."
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 19. Juni 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 19383, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/19383. Letzter Zugriff am: 27.11.2024.Online seit 20.01.2020.