TEI-P5
Abschrift zu IV Ru 2834
Ich hatte heute eine eingehende Unterhaltung mit dem hiesigen orthodoxen Bischof
Tichon über die Frage des Malteserschatzes. Der Bischof gab mir bereitwillig
folgende Auskunft:
Die Angaben in der Notiz des "Berliner Lokalanzeigers" vom 3. April d. J. sind zutreffend. Der sogenannte Malteserschatz ist nach dem Tode der Zarinmutter auf deren Anordnung dem russischen Metropoliten Antonius übergeben worden. Antonius, der sich in Belgrad aufhält, sich dort aber nur als Gast der Jugoslavischen Regierung betrachtet, hat den Schatz zur einstweiligen Aufbewahrung dem Berliner Bischof Tichon übergeben. Antonius hält es jedenfalls nicht für angezeigt, den für die rechtgläubige Kirche sehr wichtigen Schatz an sich zu nehmen, so lange nicht seine – Antonius' - rechtliche Stellung gegenüber Jugoslavien und die endgültige Festsetzung seines Amtssitzes geregelt sind.
Der Schatz hat nach dem Urteil von Sachkennern einen Handelswert von nicht mehr als 60.000 Rubel. Seine eigentliche Bedeutung liegt in der religiösen Wertschätzung, die die Heiligenreliquien genießen. Dem Bischof war bekannt, daß der Malteserorden gewisse Ansprüche auf den Schatz erhebt. Er wußte auch, daß Mitglieder des Ordens an den hiesigen Nuntius Pacelli herangetreten sind, um dessen Ansicht zu erfahren, und daß der Nuntius gegenüber den Wünschen des Ordens eine ablehnende Haltung eingenommen hat. Der Bischof betonte mir gegenüber,
Hiermit
II Vat. (Herrn Ges. Rat Klee)
ergebenst vorgelegt.
Online seit 20.01.2020.
Dokument-Nr. 20269
Aufzeichnung, vor dem 14. Mai 1929
Die Angaben in der Notiz des "Berliner Lokalanzeigers" vom 3. April d. J. sind zutreffend. Der sogenannte Malteserschatz ist nach dem Tode der Zarinmutter auf deren Anordnung dem russischen Metropoliten Antonius übergeben worden. Antonius, der sich in Belgrad aufhält, sich dort aber nur als Gast der Jugoslavischen Regierung betrachtet, hat den Schatz zur einstweiligen Aufbewahrung dem Berliner Bischof Tichon übergeben. Antonius hält es jedenfalls nicht für angezeigt, den für die rechtgläubige Kirche sehr wichtigen Schatz an sich zu nehmen, so lange nicht seine – Antonius' - rechtliche Stellung gegenüber Jugoslavien und die endgültige Festsetzung seines Amtssitzes geregelt sind.
Der Schatz hat nach dem Urteil von Sachkennern einen Handelswert von nicht mehr als 60.000 Rubel. Seine eigentliche Bedeutung liegt in der religiösen Wertschätzung, die die Heiligenreliquien genießen. Dem Bischof war bekannt, daß der Malteserorden gewisse Ansprüche auf den Schatz erhebt. Er wußte auch, daß Mitglieder des Ordens an den hiesigen Nuntius Pacelli herangetreten sind, um dessen Ansicht zu erfahren, und daß der Nuntius gegenüber den Wünschen des Ordens eine ablehnende Haltung eingenommen hat. Der Bischof betonte mir gegenüber,
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daß er selbst keine
eigene Ansicht in der Rechtsfrage habe, daß ihm aber bekannt sei, daß der Metropolit
Antonius sich nicht etwa als Eigentümer, sondern nur als Verwahrer betrachte. Trotzdem sei
aber Antonius nicht etwa bereit, den Schatz den Maltesern herauszugeben, weil die
Bedingungen für die Rückgabe nicht erfüllt seien. Antonius betrachte die ganze Angelegenheit
als eine große prinzipielle Angelegenheit zwischen der orthodoxen und der katholischen
Kirche. Man sei bereit, die Angelegenheit letzten Endes auch im Prozeßwege durchzufechten.
Gerade aus dem Grunde, weil man mit einem Prozeß rechne, habe man neuerdings erwogen, auch
wenn die mit der Jugoslavischen Regierung zu erörternde Frage der Rechtsstellung des
Antonius in günstigem Sinne entschieden sei, den Schatz nicht nach Jugoslavien zu
überführen, sondern ihn lieber hier zu lassen, weil man in die Objektivität der Gerichte in
Deutschland ein größeres Vertrauen setze als in die der jugoslavischen Behörden. Hiermit
II Vat. (Herrn Ges. Rat Klee)
ergebenst vorgelegt.