Dokument-Nr. 20558
Sauer OSB, Bonifacius (Taufname: Joseph) an Pacelli, Eugenio
Tutzing, 24. März 1928
Euer Exzellenz wollen gütigst entschuldigen, dass ich in der Frage der Seelsorge resp. missionarischen Erfassung der chinesischen und japanischen Studenten an den deutschen Hochschulen immer noch keine Antwort gegeben habe. Ich habe auf diese Frage keineswegs vergessen, sie hat mich vielmehr auf meinen verschiedenen Wanderungen und Reisen durch Süd- und Mitteldeutschland begleitet.
Zunächst habe ich durch gelegentliches Umfragen in Kreisen von Universitätsprofessoren festgestellt, dass die Zahl der an den deutschen Universitäten und technischen Hochschulen studierenden Japaner – und wahrscheinlich auch Chinesen – wesentlich grösser ist als die vom Charitas-Verband mitgeteilte Statistik vermuten lässt. Hier sind nur die wirklich immatrikulierten japanischen und chinesischen Studenten angegeben. Es gibt aber außer diesen an vielen Universitäten noch eine ganze Anzahl von älteren Japanern, meist Männer, die bereits in Amt und Würden stehen. Diese sind von der Regierung oder von grösseren wissenschaftlichen oder industriellen Korporationen nach Europa gesandt, um ihr Wissen
189
zu vervollständigen oder
die deutschen Wissenschafts- und Lehrmethoden näher kennen zu lernen. Sie haben natürlich
gar kein Jnteresse daran, sich als Studenten immatrikulieren zu lassen, sondern arbeiten nur
auf ein oder zwei Semester bei einem bestimmten Professor in der Klinik oder in einem
chemischen Laboratorium. Solcher Männer aus Japan gibt es z. B. Studenten an der
Universität Heidelberg nicht weniger als zwölf, Die missionarische Erfassung der chinesischen und japanischen Studenten im einzelnen betreffend, scheint es mir unbedingt notwendig, dass irgendwo in Deutschland eine Art Studentenheim für Ostasiaten geschaffen werde und zwar womöglich in einer katholischen Stadt. Jch denke in erster Linie an München und habe diesbezüglich mit dem bayrischen Nationaldirektor des Werkes der Glaubensverbreitung Mgr. Neuhäussler bereits Rücksprache genommen. Der japanische und chinesische Student sucht besonders in den Jahren seiner Studien in Europa Anschluss um sich sprachlich weiterbilden und auch besser in den europäischen Jdeenkreis eindringen zu können. Ein Studentenheim resp. eine Art ostasiatischer Studentenclub, in dem auch katholische Studenten verkehrten, könnte da sehr viel wirken. Wahrscheinlich würde ein solches Haus auch zur Folge haben, dass eine weit grössere Zahl von japanischen und chinesischen Studenten nach München gehen würde
190
und so mit katholischen Kreisen in Fühlung
käme.x)
Ich habe nämlich oft schon vor dem Kriege und erst recht nach dem Kriege seitens japanischer Studenten die aus Deutschland zurückkehrten, die Klage gehört, dass es ungemein schwer für sie sei in Deutschland irgendwie Anschluss zu finden, sei es an andere Studierende, sei es
Für Berlin könnten vielleicht die Patres Jesuiten oder die Missionäre von Steyl einen Versuch machen. Einen Pater von St. Ottilien aus eigens zu diesem Zweck nach Berlin hinzuschicken, halte ich für durchaus importun. Ich fürchte, ein solch alleinstehender Mann geht sehr bald moralisch unter in der Grossstadt, zumal die ihm gestellte Aufgabe ihn kaum einige Stunden im Tage beschäftigt.
Für die übrigen Universitäten könnten die betreffenden Universitätsseelsorger zu dieser Aufgabe der Chinesen- und Japaner-Mission unter den Studierenden der betreffenden Universität herangezogen werden. Um die japanischen, resp. chinesischen Studenten besser anzuziehen, wäre die Veranstaltung von Vorträ-
191
gen für die asiatischen Studenten und zugleich auch
seitens der asiatischen Studenten für deutsche Studierende zu empfehlen. Der
betreffende Universitätsseelsorger oder ein katholischer Student müsste den letzteren bei
der Ausarbeitung ihres Vortrages bezüglich der sprachlichen Formulierung etwas an die Hand
geben. Ich bin überzeugt, dass gerade diese Vorträge und die Möglichkeit selbst öffentlich
aufzutreten die japanischen und chinesischen Studenten mächtig anziehen würde. Für die
asiatischen Studentenklubs in München und Berlin müsste auch eine entsprechende Bibliothek
geschaffen werden, wozu der Görresverein und der Augustinusverein, vielleicht auch einige
grössere katholische Buchhandlungen sicher gerne mithelfen würden. Ich halte es ferner nicht
für ausgeschlossen, dass auch das deutsche Reich unter dem Titel "Förderung der deutschen
Interessen im Auslande" sowohl für die Schaffung des Klubs als auch einer solchen Bibliothek
eine finanzielle Beihilfe gewähren wird. Sollte später sich die Notwendigkeit einer
Zentralleitung herausstellen, so dürfte auch hierfür Professor Dr. Aufhauser in München
ganz die geeignete Persönlichkeit sein. Der Name eines Universitätsprofessors dürfte da bei
den asiatischen Studierenden viel mehr Anziehungskraft haben als der eines einfachen
Ordensmannes, selbst wenn derselbe Missionär in China oder Japan war. Das sind in Kürze die Gedanken die ich Eurer Exzellenz über diese Angelegenheit zu unterbreiten hätte. Ich gehe in der nächsten Woche nach Rom und werde dann nicht ver-
192
fehlen, auch Sr. Eminenz meine Ansicht über diese
Frage in aller Ehrfurcht und Offenheit darzulegen. Vielleicht kann ich später
Ew. Exzellenz, sei es schriftlich oder mündlich, kurz darüber berichten.Mit ehrfurchtsvollem herzlichen Grusse
Euer Exzellenz
ergebenster Diener in Christo
+ Bonifatius Sauer O. S. B.
Titularbischof von Appiaria
& Apost. Vikar von Wonsan,
Corea.
Adresse: St. Ottilien,
Oberbayern.
x)↑Viele gebildete Japaner beurteilen Deutschland nur nach
Berlin.