Dokument-Nr. 20583

[Unbekannt], in: Rottenburger Zeitung und Neckarbote, Nr. 146, 27. Juni 1928
Erwartungsvolle Stille legte sich mit einem Mal über die Festversammlung, als
Sr. Exzellenz der Apostolische Nuntius
die Stufen zum Podium mit elastischen Schritten bestieg. Er begann:
Exzellenzen!
Hochwürdigste und hochwürdige Herren!
Hochansehnliche Festversammlung!

Das Hochgefühl der Freude, mit dem ich vor Jahresfrist die unvergeßlichen Tage der Jahrhundertfeier der Erzdiözese Freiburg miterlebt habe, erfüllt mich auch heute wieder, wo ich, der liebenswürdigen Einladung Ihres verehrten Oberhirten folgend, mit den anwesenden hochwürdigsten Herren und hohen Vertretern von Regierung und Volks des Landes Württemberg, denen ich allen meinen ergebensten Gruß entbiete, unter Tausenden und Klerus und Gläubigen der Rottenburger Diözese das Gedächtnis an den Tag mitfeiern darf, an dem vor 100 Jahren zum erstenmal ein Bischof aller Katholiken der Württembergischen Lande durch das Portal Ihrer Kathedrale schritt. Und dieselbe hochgemute und dankbare Feierstimmung, deren Zeuge ich drüben in der schönen Dreisamstadt sein durfte, leuchtet mir auch aus den Augen aller hier zum Feste Versammelten entgegen. Das Te Deum mag in dem vergangenen Jahrhundert oft mächtig durch die froh und warm anmutenden Barockkirchen Ihrer schwäbischen Heimat geklungen haben, - selten wird es mit so heller Begeisterung zum Himmel emporgestiegen sein wie am heutigen Tage. Ihre Festesfreude und Ihr froher Jubel sind berechtigt. Wenn Sie die kirchlichen und kirchenpolitischen Ereignisse des ersten Säkulums Rottenburger Diözesangeschichte an Ihrem Auge vorbeiziehen lassen, von den gewaltigen Geschehnissen zu Beginn des 19. Jahrhunderts an, die eine Neuregelung der kirchlichen Verhältnisse in Deutschland notwendig machten, so können Sie das gütige Walten der Vorsehung mit Händen greifen. Als damals unter anderen das altehrwürdige Bistum Konstanz, das größte des deutschen Reichs, zu Grabe getragen wurde, da mag es den Zeitgenossen gewesen sein, als wenn ein Stück katholischer Welt unterginge. Selbst heute noch können wir uns nur schwer den<r>1 schmerzhaften Gefühlen2 erwehren, die bei der Erinnerung an jene Begebenheiten in uns aufsteigen. Und doch waren die äußeren Umwälzungen schließlich nur Ausdruck und Auswirkung der gewaltigen Krisen, die um 1800 das kirchliche Leben in Deutschland so tief erschütterten. Sie werden in der Kirchengeschichte Ihres Vaterlandes wenige Perioden finden, die sich an[...]

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hat. Und wenn wir nach den Grundlagen suchen, aus denen das neue religiöse Leben so herrlich erblühte, und nach den treibenden Kräften, deren sich die Vorsehung für den inneren Aufbau und die Festigung Ihrer Diözese bediente, so finden wir sie in dem unverwüstlichen Glauben, dem tief religiösen und treu kirchlichen Sinn, den das württembergische katholische Volk aus frommer Vergangenheit, als Erbe heiligmäßiger Apostel wie des ehrwürdigen Philipp Jeningen in den neuen Staat mitgebracht und dort als kostbaren Schatz sorgsam gehütet und in katholisches Neuland verpflanzt hat. In dem unbeiirbaren Glauben und religiösen Sinn des einfachen Volkes haben die führenden katholischen Männer gewurzelt, Priester und Laien, die im vergangenen Jahrhundert in Ihrer Heimat, im ganzen Reich und darüber hinaus mit Geist und Herz, mit Tatkraft und Unerschrockenheit für die Sache Christi und seiner Kirche eingetreten sind.
Mit besonderer Genugtuung begrüßen wir die persönliche Teilnahme des hochverehrenden Herrn Staatspräsidenten der württembergischen Lande und der anwesenden Herren Minister am heutigen Feste.
Ich sehe in ihr ein Sinnbild der vielfachen Beziehungen, die das Zusammenarbeiten von Kirche und Staat zwischen beiden Gewalten gewoben hat. Wenn ich auf diese Beziehungen zurückschaue, so drängt es mich, dem frohen und dankbaren Gefühl Ausdruck zu verleihen, daß Ihrer Diözese der bittere Kampf erspart geblieben ist, den der größte Teil der deutschen Katholiken in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhundert um heiligste Güter hat durchkämpfen müssen. Unsere Erinnerung geht in diesem Augenblick unwillkürlich zurück in die Septembertage des Jahres 1877, wo in Biberach König Karl und Königin Ilga verehrungswürdigen Andenkens gemeinsam und freundschaftlich mit dem hochseligen Bischof von Hefele der großen Tagung der deutschen Katholiken beiwohnten.
Auch die heutige Anwesenheit der hohen Regierungsvertreter in Ihrer Mitte soll uns als glückliches Vorzeichen dafür gelten, daß Kirche und Staat im zweiten Jahrhundert der Rottenburger Diözese in gegenseitiger Achtung und in herzlichem Einvernehmen zusammenarbeiten werden zum Besten von Land und Volk.
Wie von selbst wandern in dieser festlichen Stunde meine Gedanken zu der Stätte, wo die sterbliche Hülle des hochseligen Bischofs von Keppler der Auferstehung entgegenharren. Die Gestalt dieses edlen und feinsinnigen Oberhirten, dessen Werke hoch über das Grab hinaus weiter wirken, steht mir als die lebendige Verbindung von bodenständiger schwäbischer Eigenart und3
tes, und Seiner Eminenz des Hochwürdigsten Herrn Kardinals Ehrle, der als Gelehrter und Forscher von internationalem Ruf, als langjähriger Verwalter und Hüter der Schätze der Vatikanischen Bibliothek und nunmehriges Mitglied des heiligen Kollegiums dem deutschen und württembergischen Namen bei der Cathedra S. Petri eine Vertretung sichert, wie sie eindrucksvoller nicht gedacht werden kann. Männer wie diese werden für immer leuchtende Sterne in dem Ehrenkranz der Rottenburger Diözese sein. Neben Ihnen darf ich aber auch den ehrwürdigen Veteran des katholischen Hoffens und Streben in der schwäbischen Heimat nicht vergessen, Herrn Prälat Kümmel, den verdienstvollen Apostel der katholischen Presse des Schwabenlandes, dessen unermüdlichem, wahrhaft priesterlichen Wirken das religiöse Leben unter den Katholiken deutschen Südwestens so reiche Förderung und Stärkung verdankt.
Die Gründung der Diözese Rottenburg fiel in schicksalsschwere Zeit.
Der Beginn ihres zweiten Säkulums vollzieht sich ebenfalls unter ernsten, man möchte fast sagen düsteren Zeichen.
Die religiöse, sittliche und soziale Not stellt die deutschen Katholiken vor Aufgaben, wie sie in dieser Größe und geradezu beunruhigen Schwere die Vergangenheit nicht kannte. Geben auch Sie ihr Bestes zur Lösung dieser Aufgaben. Ihrem sonnigen und doch tiefen, anpassungsfähigen und doch zähen, allem Guten so weltoffenen und doch in wertvoller Tradition wurzelnden schwäbischen Charakter, verbunden mit der Glaubenstreue und selbstlosen Opferbereitschaft, die man gerade an Ihrer religiösen Art rühmt.
Das innerste Element

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, die unerschütterliche Grundfeste Ihrer Glaubenstreue soll der Christusgedanke sein: um Christi willen haben Ihre Väter treu zu Bischof, Papst und Kirche gestanden, um Christi willen sollen Sie dem Glauben Ihrer Väter treu bleiben. Daß aus dieser Glaubenstreue in der kommenden Zeit Ihrem Volk wahres Glück, heilige Friede, reichste Gottesgnade ersprieße, dafür spende ich Ihnen im Namen Seiner Heiligkeit Pius XI. von Herzen den Apostolischen Segen.
Schier endloses Händeklatschen setzte auf die formvollendete, von tiefstem Wohlwollen getragene Rede ein, eine Begeisterung, die sch zu stürmischer Ovation steigert; sie gilt dem Abgesandten des Papstes.
1Hds. gestrichen und eingefügt von unbekannter Hand.
2Hds. gestrichen von unbekannter Hand.
3An dieser Stelle wurde der Zeitungsabschnitt abgeschnitten. Er geht in der folgenden Spalte weiter, doch fehlt offensichtlich eine Passage.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom 27. Juni 1928, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20583, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20583. Letzter Zugriff am: 27.11.2024.
Online seit 20.01.2020, letzte Änderung am 01.02.2022.