Dokument-Nr. 20810

Archäologisches Institut des Deutschen Reiches: Hundertjahrfeier des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches. Berlin, 08. Februar 1929

(Pressevorbesprechung; Berichtauszug.)
Das Archaeologische [sic] Institut des Deutschen Reiches kann in den nächsten Wochen seinen 100. Geburtstag begehen. Aus diesem Anlass war die Presse zu einer Vorbesprechung gebeten worden, die in den Räumen des sogenannten Gipsmuseums in der Universität stattfand. Herr Professor Dr. F. Noack begrüsste zunächst als Hausherr die Erschienenen. Er gab dem Wunsch und der Hoffnung Ausdruck, dass diese Zusammenkunft die Gelegenheit gebe, die reichen Sammlungen dieses Museums wieder einmal kennen zu lernen. Freilich meinte er, dass in diesem Museum kein einziges Original zu finden wäre, dass es aber doch einen unvergleichlichen internationalen Kongress von Vertretern hoher und höchster Gestalten einer ewig unvergänglichen Kunst darstelle.
Professor Dr. G. Rodenwaldt, der Direktor (amtlich führt er die etwas veraltete Dienstbezeichnung Sekretar) des Archaeologischen Institutes des Deutschen Reiches nahm dann das Wort: Vor wenigen Tagen waren hundert Jahre vergangen, seit von Rom aus ein Manifest an Kunstfreunde und Gelehrte der ganzen damaligen Welt versandt wurde, das die Gründung eines "Instituto di Correspondenza Archeologica" ankündigte. Unter den Unterzeichnern befanden sich Karl Josias von Bunsen, der damalige Gesandte Preussens beim Heiligen Stuhl, auf den Ampère das bekannte Wort geprägt hat, dass er Vertreter nicht nur der Preussischen Regierung bei dem Päpstlichen Stuhl, sondern auch der Deutschen Wissenschaft bei dem römischen Altertum gewesen sei, Berthel Thorwaldsen, der führende Meister der klassizistischen Skulptur, Carlo Fea, der Uebersetzer der Werke Winckelmanns in die italienische Sprache, der kunstsinnige baltische Freund des Altertums Baron von Stackelberg, der kultivierte Kenner und Kunstschriftsteller Freiherr von Rumohr, der in Kunst und Wissenschaft liebenswürdig dilettierende August Kestner, der Sohn von Werthers "Lotte", und der Fachgelehrte, der die Seele des neuen Unternehmens war. Eduard Gerhard. Am 21. April, dem traditionellen Geburtstage Roms, der auch der Festtag des modernen
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Italien ist, wurde das Institut unter Leitung Bunsens in einem Saal des Palazzo Caffarelli auf dem Kapitol feierlich eingeweiht. Es war ein kleiner Kreis, der die Eröffnung vollzog, der aber durch wohlwollende Förderung und praktische Mitarbeit mit der Elite der damaligen Kulturwelt verbunden war. Dass Winckelmann einer der Ahnherren dieses, wie es einmal heisst, Winckelmannschen Unternehmens war, ist selbstverständlich. In seine Zeit reichte die produktive Arbeit Carlo Feas zurück. Den fruchtbaren Boden, auf dem die Schöpfung in Rom gedieh, bildete die Tradition, die Wilhelm von Humboldt geschaffen hatte. Dass er die Präsidentenschaft des Instituts nicht übernehmen konnte, beruht auf dem Geschick, das ihm in den Monaten der Gründung des Institutes seine Gattin raubte, aber er begleitete die Schöpfung mit seinem Interesse und nach seinem Tode erhielt das Institut als kostbaren Besitz von Alexander von Humboldt Thorwaldsens Bronzebüste seines Bruders geschenkt. Goethe sandte noch im Jahre 1831 einen Beitrag zu den Schriften des Instituts. Hinter diesen drei, für dem [sic] Grund, auf dem sich das Institut aufbaute, symbolischen Gestalten stand die Elite des Klassizismus, wie sie sich in den führenden Persönlichkeiten des politischen, kulturellen und künstlerischen Lebens des damaligen Europa zusammensetzte und eine in dieser Geschlossenheit nie wieder erreichte Internationale der geistigen Kultur bildete. Durch Wilhelm von Humboldt knüpften sich von Anfang an die Fäden zum Berliner Klassizismus und es ist kein Zufall, dass zu den ersten Mitgliedern des Instituts Schinckel und Rauch gehörten. Das Institut hatte zum Zweck die archaeologische Korrespondenz. Bis heute hat die Lebenskraft des Instituts darin bestanden, dass es nicht nach dem Schema vorhandener Typen wissenschaftlicher Anstalten wie Universitäten, Akademien und wissenschaftlicher Hilfsinstitute geschaffen war, sondern die Erfüllung des eigentlichen Bedürfnisses der archaeologischen Wissenschaft sich zum Ziel setzte. Für sie ist bezeichnend das stetige und fast unermessliche Heranströmen neuen Materials. Dieses Material zu erfassen und mit den Mitteln der ständig sich verfeinernden Reproduktionstechnik wiederzugeben, war die Hauptaufgabe des Instituts und ist bis heute das Zentrum seiner Tätigkeit geblieben. Wenn auch naturgemäss das klassische Altertum im Mittelpunkt seiner Betätigung stand, so
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waren doch von vornherein auch die Erforschung Aegyptens und des Orients sowie der nordischen Länder in das Aufgabengebiet des Instituts hineingenommen worden. In ausgezeichneten Darlegungen führte Professor Rodenwaldt durch die hundertjährige Geschichte des Instituts, zeigte dessen Wachstum und Einfluss auf das Geistesleben. Es gibt wohl kaum eine zweite Wissenschaft, die so wie die Archaeologie auf internationale Beziehungen und internationale Zusammenarbeit eingestellt ist. Die Institute aller Nationen in Rom, Athen, Kairo und anderen Städten bilden Mittelpunkte einer ständigen internationalen Zusammenarbeit, wie sie keine andere Wissenschaft besitzt. Auch für die Erforschung unserer eigenen deutschen Vorgeschichte ist es die Hauptaufgabe des Instituts, die Verbindung mit den Kulturen und der Wissenschaft der Nachbarländer herzustellen. Daher haben sich denn auch auf keinem anderen Gebiete die Fäden nach dem Kriege sobald wieder geknüpft wie auf dem der Archaeologie, bei der es sich um die gemeinsamen Grundlagen der Kultur der Gegenwart handelt und bei denen wirtschaftliche und materielle Interessen anderer Art ausgeschaltet sind. Dieser internationale Zusammenklang spiegelt sich in den Jubiläumsfeierlichkeiten, die sich in folgender Weise vollziehen werden: Der Hauptfestakt findet im Plenarsitzungssaal des Reichstages am Abend des 21. April, des Gründungstages des Instituts, statt. Der Vorsitzende des Instituts, eben Professor Rodenwaldt, wird die Festrede halten. Am Montag, den 22. April, wird für die deutsche internationale Gelehrtenwelt, die sich zu dem Jubiläum versammelt, ein Empfang im Pergamon-Museum stattfinden. Die gewaltigen Säle, die den pergamenischen Altar und die erlesenen Beispiele antiker Architektur enthalten, werden bis dahin vollendet sein. Am Dienstag Abend findet in Verbindung mit den Jubiläumsfeierlichkeiten die erste Tagung der Gesellschaft für antike Kultur statt, bei der der Präsident dieser Gesellschaft, Herr Staatssekretär Professor Dr.  Popiz, eine Festrede und Herr Professor Werner Jaeger einen Vortrag halten wird. Zu Ehren der Jubiläumsteilnehmer wird die Stadt Berlin, mit deren Geistesgeschichte das Institut so nahe verbunden ist, am Mittwochabend eine Festvorstellung in der Städtischen Oper veranstalten. Am Donnerstag Nachmittag werden Aufführungen der Hochschule für Leibesübungen stattfinden. Die Tage vom Montag bis zum Donnerstag werden im übrigen durch eine internatio-
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nale Tagung ausgefüllt werden, in der in etwa 60 Vorträgen von führenden Gelehrten aller Nationen über die bedeutendsten Ausgrabungen der letzten Jahre berichtet werden wird. Es handelt sich um Themata, von denen jedes einzelne weit über die Grenzen des Fachgebietes hinaus auf allgemeines Interesse rechnen kann. Sie werden die Kulturen von den ältesten Anfängen bis hoch hinauf ins Mittelalter umfassen und von der inneren Verbundenheit der Kulturgeschichte Europas, Afrikas und Asiens bis zum fernsten Osten Zeugnis ablegen.
Dann wies Professor Dr. W. Jäger darauf hin, dass in Verbindung mit dem Institutsjubiläum die Gesellschaft für antike Kultur ihre erste öffentliche Tagung abhalten werde. Diese Gesellschaft hat sich das Ziel gesteckt, die antike Kultur für unsere gesamte geistige Bildung fruchtbar zu machen und mit dem Leben unserer Zeit in neue Verbindung zu setzen. Die klassische Kultur ist eine der dauernden geistigen Grundlagen des europäischen und auf besondere Weise des deutschen Geistes. In einer Zeit wie der unsrigen, die erfüllt ist von schwankender Unsicherheit und von fieberhaftem Suchen nach neuen Masstäben [sic] und Zielen, ist die Pflege eines so edlen und unausschöpflichen Besitzes wie der Kunst und Gedankenwelt des Altertums einer [sic] Kulturaufgabe von neuer Aktualität.
Geheimrat Dr. Th. Wiegand wies dann noch darauf hin, dass das Pergamon-Museum während der Tagung zum ersten Male seine Säle öffnen würde, um so den Teilnehmern der Tagung Gelegenheit zu geben, seine reichen Schätze antiker Architektur, die allen Unbilden der Zeit zum Trotz unter ungeheurem Arbeitsaufwand hier versammelt wurden, zu besichtigen.
Empfohlene Zitierweise
Archäologisches Institut des Deutschen Reiches, Hundertjahrfeier des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, Berlin vom 08. Februar 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 20810, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/20810. Letzter Zugriff am: 08.05.2024.
Online seit 20.01.2020.