Dokument-Nr. 21409
[Zörgiebel, Karl] an Klee, Eugen
Berlin, 20. April 1929

Abschrift Nr. II Vat. 362
Der ehemalige russische jetzt staatenlose Student Peter Jankowsky, geboren am 2.9.92 zu Tiflis, ist am 15.11.1921 von Wildemann am Harz nach Berlin zugezogen, um sich hier dem Studium an der Handelshochschule zu widmen. Jankowsky soll als Oberleutnant der Wrangel-Armee in Südrußland gekämpft haben und nach Auflösung dieser Armee mit anderen Flüchtlingen durch Vermittlung des Roten Kreuzes und der Deutschen Gesandtschaft in Wien über Passau nach Deutschland eingereist sein. In Berlin ist er bei der Handelshochschule immatrikuliert und wurde vom Amerikanischen Hilfskomitee materiell unterstützt. Die russische Delegation, das deutsche Rote Kreuz und die russische Flüchtlingsfürsorge haben sich dafür eingesetzt, daß Jankowsky die Aufenthaltsgenehmigung gewährt, bzw. verlängert wurde.
Nach vertraulichen Ermittlungen soll sich Jankowsky als ehemaliger Oberst der russischen Grenzpolizei gegen Persien bei dem russischen Priester Gawril eingeführt haben. Diese Angabe dürfte in Anbetracht der Jugendlichkeit Jankowsky's un-
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treffend sein. Aus angeblichem Interesse für die russische Kirche soll er sich erboten haben, sämtliche Grabstätten russischer Soldaten in Deutschland ausfindig zu machen, diese Plätze photographieren und die Photographien in einem Album zusammenstellen zu wollen. Durch dieses Anerbieten wurde er mit dem hiesigen russischen Bischof Tichon bekannt, der sich mit seinem Vorhaben einverstanden erklärte, zumal Jankowsky ausdrücklich auf jede Bezahlung verzichtete. Jankowsky reiste dann sehr viel in Deutschland herum und photographierte auch tatsächlich verschiedene Grabstätten russischer Kriegsgefangener in Deutschland. Woher er die Mittel für seine Reisen erhalten hat, konnte er Bekannten gegenüber nicht erklären; es erscheint daher zweifelhaft, ob er nur zu dem angegebenen Zwecke seine Reisen unternahm. Tatsächlich ist von ihm ein Album mit Photographien russischer Grabstätten zusammengestellt und der russischen Kirche am Fehrbellinerplatz zu Händen des Bischofs Tichon übergeben worden.
Russischer Priester ist Jankowsky niemals gewesen, ebensowenig wie er jemals sich theologischen Studien gewidmet hat. Mit der Begründung, daß die Polizei ihm Schwierigkeiten wegen der Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung mache, erbat er später von Tichon eine Bescheinigung darüber, daß er in Diensten der russischen Kirche stände und monatlich 100 Mark verdiene. Diese unrichtige Bescheinigung soll Tichon tatsächlich ausgestellt haben. Jankowsky hat jetzt auf Grund dieser Bescheinigung die russische Kirche auf Zahlung des Gehalts für mehr als ein Jahr verklagt. Das Verfahren soll beim Amtsgericht Charlottenburg schweben.
Nach den vertraulichen Mitteilungen soll Jankowsky
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mit dem Transport der Schätze des Maltheserordens nicht das Geringste zu tun haben. Die Schätze sollen vielmehr nach dem Tode der Zarin-Mutter dem Fürsten Dolgorukoff übergeben worden sein, der sie nach Berlin transportierte und der russischen Kirche (Bischof Tichon) zur Aufbewahrung übergab. Dort sollen sich die Schätez auch jetzt noch befinden, obwohl seitens des jetzigen Großmeisters des Maltheserordens ein Prozeß auf Herausgabe angestrengt worden sein soll.
I. V.
gez. Wündisch.
Empfohlene Zitierweise
[Zörgiebel, Karl] an Klee, Eugen vom 20. April 1929, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 21409, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/21409. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 20.01.2020.