Dokument-Nr. 2567

[Knilling, Eugen Ritter von][Krausneck, Wilhelm][Matt, Franz]: Zu Art. 13. [München], vor dem 10. März 1923

Auch der Heilige Stuhl wird anerkennen müssen, daß seit der politischen Umwälzung in Deutschland kaum ein deutsches Land für die Sicherstellung der Lebenshaltung der Religionsdiener (und zwar sowohl der aktiven Geistlichen wie der Ruhestandsgeistlichen) freiwillig soviel geleistet hat wie Bayern. Vergl. die Bayerische Gesetzgebung vom 9. August 1921 / 15. Februar und 27. Juli 1922 über die Ergänzung des Einkommens der Seelsorgegeistlichen und über die Ergänzung der konkordatsmäßigen Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe und Mitglieder der Domkapitel GVBI. S. 451, dann Seite 187 und Seite 469; ferner den Landtagsbeschluß vom 21. Juli 1922 über die Neuregelung der Ruhestandsbezüge der Geistlichen (Sten. Bericht Nr. 160 S. 458). Dazu sind im Gegenentwurf eines neuen Konkordates nicht nur die Verpflichtungen des Konkordates von 1817 in entsprechender Weise, sondern darüber hinaus noch administrative und finanzielle Verbindlichkeiten des bayerischen Staates von erheblicher Tragweite und auf Gebieten vorgesehen, in denen bisher eine solche vertragsmäßige Bindung überhaupt nicht oder doch nicht in diesem Umfange bestand.
Grundsätzliche Gegner der Erneuerung des Konkordates und besonders Gegner des zur Zeit beabsichtigten neuen Konkordates werden vor allem anderen fragen, ob und welche kirchliche Gegenleistungen denn diesen bedeutsamen staatlichen Bindungen gegenüberstehen oder ob etwa der bayerische Staat allein und einseitig zugunsten der kirchlichen administrativen und finanziellen Belange gebunden werden soll? Die Möglichkeit einer befriedigenden Antwort auf solche Fragen ist für die Staatsregierung, die den Antrag vor dem Landtag und der Öffentlichkeit zu vertreten
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haben wird, unentbehrlich. Der bayerische Landtag zählt 158 Mitglieder; für die Genehmigung eines Staatsvertrages, der oder soweit er keine Änderung der Verfassung mit sich bringt und der alsdann als Landesgesetz erlassen werden soll, ist zwar nur einfache Mehrheit erforderlich und genügend. Immerhin bedarf die Bayerische Volkspartei mit ihren 64 Stimmen noch der Unterstützung weiterer Mitglieder des Landtages aus den Reihen der mit ihr koalierten Parteien, wenn auch nur diese einfache Mehrheit im Landtage erreicht werden soll. Auf eine Mehrheit für das Konkordat kann aber die Staatsregierung bei den gegebenen politischen Verhältnissen nur rechnen, wenn sie bei der Beantwortung der vorangeführten Frage nachweisen kann, daß im Konkordat auch die staatlichen Belange in entsprechender und angemessener Weise berücksichtigt sind.
Zu § 1. Die bayerische Staatsregierung verkennt keineswegs, daß die Art und Weise der Ausbildung der Diener einer Religionsgesellschaft nach deutschem Reichs- und bayerischem Landesverfassungsrechte mit den Einschränkungen, die sich aus dem Art. 10 Nr. 1 der Reichsverfassung und aus den Erläuterungen zu Art. 14 § 3a des bayerischen Gegenentwurfes ergeben, an sich eine eigene Angelegenheit jeder Religionsgesellschaft bildet. Es wird auch zugegeben, daß die Bestimmungen, deren vertragsmäßige Vereinbarung dem Heiligen Stuhle von der Staatsregierung vorgeschlagen werden, für das Gebiet der katholischen Kirche kaum etwas Neues bringen, ja das sie sogar zum Teile hinter den Vorschriften zurückbleiben, die von der katholischen Kirche selbst schon getroffen sind.
Innerbayerische Verhältnisse veranlassen die bayerische Staatsregierung gleichwohl eine vertragsmäßige Regelung im Sinne
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des Art. 13 § 1 des Gegenentwurfes vorzuschlagen.
Der Bayerische Staat hat angesichts des Überwiegens des katholischen Bekenntnisses bei seinen Einwohnern ein lebhaftes Interesse daran, daß das bisherige Autoritäts- und Vertrauensverhältnis zwischen den Geistlichen und dem katholischen Volksteile nach jeder Richtung erhalten bleibt. Denn nur dann wird es möglich sein, bei der Neuordnung der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche die Bestrebungen nach völliger Trennung zurückzudämmen und auch künftig den Geistlichen durch staatliche Vorschrift schon kraft ihres Amtes noch eine Mitwirkung in staatlich organisierten Ämtern oder Betätigungen zu wahren wie z. B. in der gemeindlichen Armenpflege, in der öffentlichen Schulpflege, in der Verwaltung öffentlicher Stiftungen oder gemeinnütziger Anstalten usw. Sodann dürfte die Kirche selbst das größte Interesse daran haben, daß ihrem Klerus auch in der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten jenes Maß von Ansehen und Vertrauen erhalten bleibt, dessen er sich bisher in Bayern erfreuen konnte. Dieses Ansehen der Geistlichkeit und damit ihr Einfluß im Berufs- und öffentlichen Leben ist wesentlich bedingt durch ein bestimmtes Maß allgemeiner Bildung, das den Klerus heraushebt über das gewöhnliche Volk und ihn nicht zurückstehen läßt hinter den Angehörigen der gebildeten Stände, besonders den akademisch gebildeten höheren Staatsbeamten.
Weiter erscheint folgender Gesichtspunkt von besonderem Belange.
Die von der bayerischen Staatsregierung bisher an den Landtag gebrachten und davon angenommenen Anträge über Bemessung der staatlichen Ergänzung des Seelsorgereinkommens wurden unter anderem ganz besonders mit dem Hinweis darauf
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begründet, daß die bayerischen Geistlichen nach den geltenden staatlichen Bestimmungen dieselbe Ausbildung genießen wie die akademisch gebildeten Staatsbeamten und daß daher auch die staatliche Ergänzung ihres Einkommens billigerweise dem Einkommen der akademisch gebildeten Staatsbeamten angeglichen werden müsse. Damit ist es gelungen, dem katholischen Seelsorge-Klerus in Bayern staatlicherseits ein standesmäßiges Einkommen zu sichern wie sonst in keinem Deutschen Lande. Der bayerische Landtag wird auch für fernere Gewährung staatlicher Mittel zu einer diesem Gesichtspunkte Rechnung tragenden jeweiligen Ergänzung des Seelsorgereinkommens nur dann zu gewinnen sein, wenn die Staatsregierung in der Lage ist, die gesicherte Fortdauer der Verhältnisse nachzuweisen, die zu diesen Willigungen führten. Eine solche Sicherung läge in der vorgeschlagenen vertragsmäßigen Vereinbarung. Sie bildet sohin für die bayerische Staatsregierung nicht den Endzweck, vielmehr nur das Mittel zum Zweck und sie verfolgt daher nur scheinbar staatliche, in Wirklichkeit jedoch kirchliche Belange und Ziele.
Der staatliche Gegenentwurf wünscht deshalb eine ausdrückliche vertragsmäßige öffentliche Sicherung für eine solche allgemeine und berufliche Ausbildung der bayerischen Geistlichen durch Betrieb und erfolgreichen Abschluß der humanistischen Studien an einem vollwertigen deutschen Gymnasium sowie durch allgemeine und Fachstudien auf deutschen Hochschulen oder auf einer Priesterbildungsanstalt in Rom und zwar in einem Ausmaße, wie es in Bayern schon bisher staatlicherseits gefordert wurde.
Über den Wert der humanistischen Ausbildung als geistige Vorbereitung für philosophische und theologische Studien wird
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eine besondere Ausführung entbehrlich sein.
Die philosophischen und römisch-katholischen Fakultäten der deutschen Universitäten – zu denen auch die Universitäten Deutschösterreichs, besonders die in Innsbruck zählen – gewährleisten die denkbar beste allgemeine und fachliche Ausbildung des theologischen Nachwuchses. Das darf besonders in Anspruch genommen werden für die beiden bayerischen Universitäten München und Würzburg und für die staatlichen bayerischen Lyzeen am Sitze der Klerikalseminare Bamberg, Dillingen, Freising, Passau und Regensburg sowie für das staatlich unterstützte bischöfliche Lyzeum in Eichstätt, zumal in Erwägung der in den Art. 3 und 4 des Gegenentwurfes vorgesehenen Sicherungen zugunsten der römisch-katholischen Belange.
Auch an dem Erfordernis der bayerischen oder doch einer anderen deutschen Staatsangehörigkeit muß die bayerische Staatsregierung festhalten. Über die landesrechtliche Zulässigkeit der Aufstellung von Anstellungserfordernissen für Geistliche überhaupt in Bayern vergl. unten Bemerkungen zu Buchstabe a bei Art. 14 § 3. Den Nachweis der Reichsangehörigkeit im besonderen könnte auch schon das Reich auf Grund Art. 10 Nr. 1 der Reichsverfassung für alle religionsgesellschaftlichen Beamten vorschreiben.
Angesichts dieser Darlegung möchte es dem Heiligen Stuhle nicht schwer fallen, auf den bayerischen Vorschlag einzugehen. Denn der Heilige Stuhl vergibt dadurch gar nichts von seinen Befugnissen selbst zu weitergehenden kirchlichen Vorschriften für die Vorbildung seiner Geistlichen. Andererseits gibt er der Staatsregierung die Möglichkeit an die Hand, auf diese Bestimmungen als kirchliches Zugeständnis hinzuweisen, und erleichtert ihr dadurch nicht nur die Vertretung des Konkordates, sondern auch allenfallsiger weiterer
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Vorlagen über Verbesserung des Einkommens der Seelsorger vor dem Landtag und der Öffentlichkeit. Ohne dieses Zugeständnis würde nach der Überzeugung der Staatsregierung das Zustandekommen des Konkordates erheblich erschwert, wenn nicht überhaupt gefährdet sein.
Zu § 3. Die Erfahrungen, die in Bayern mit Niederlassungen von geistlichen Gesellschaften unter außerbayerischer Oberleitung gemacht und gesammelt wurden, und die Beobachtung, daß sich in den letzten Jahren nicht nur reichsdeutsche Ordenspersonen in Bayern niedergelassen haben, lassen diese Vorschrift für Männer- wie für Frauenklöster gleichmäßig geboten erscheinen. Werden Regular-Geistliche im Sinne des § 1 (Einleitung) verwendet, so haben auch für sie die Anstellungserfordernisse wie für die übrigen Geistlichen zu gelten.
Schließlich möchte noch folgendes festgestellt werden:
Die Bayerische Staatsregierung ist auf Wunsch der Kurie bereit bei der Ratifikation des neuen Konkordates in einer Note auszusprechen, daß die Vereinbarungen in § 1 Buchst. a, b, c die Kurie nicht mehr binden sollen, wenn etwa einmal die in der Einleitung erwähnten staatlichen Leistungen ohne anderweitigen entsprechenden Ersatz wegfallen sollten.
Empfohlene Zitierweise
[Knilling, Eugen Ritter von], Zu Art. 13, [München] vom vor dem 10. März 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2567, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2567. Letzter Zugriff am: 25.04.2024.
Online seit 24.10.2013.