Dokument-Nr. 2815

[Windolph, Josef]: Die Eingabe des Vorstandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) betr. Verständigung und Einigung in der Gewerkschaftsfrage vom 24.5.1919, 24. Mai 1919

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Die Zentralkommission der katholischen Gewerkschaften beauftragte am 3. Februar 1919 den Verbandssekretär der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin), Abgeordneten Dr. Fleischer, sich mit seinem Fraktionskollegen Stegerwald, dem Generalsekretär der christlichen Gewerkschaften, in Verbindung zu setzen, um mit ihm über die Beteiligung der katholischen Gewerkschaften an der "Arbeitsgemeinschaft" zu verhandeln, bezw. zu erreichen, dass der gegen die katholischen Gewerkschaften ausgeübte Terrorismus aufhöre. Die Verhandlungen fanden statt und gingen naturgemäß von der Frage aus, ob nicht eine Verständigung über die zwischen den katholischen und den christlichen Gewerkschaften bestehenden Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten, die ja den eigentlichen Anlass zu Reibungen in der gewerkschaftlichen Praxis bildeten, erfolgen könne.
Nach verschiedenen Vorbesprechungen fand am 29. März 1919 in Weimar zwischen den
Herren Stegerwald und Redakteur Joos als Vertretern der christlichen Gewerkschaften einerseits und Dr. Fleischer als Vertreter der katholischen Gewerkschaften andererseits zunächst eine mehr freundschaftliche Aussprache über die unter den deutschen Katholiken auf gewerkschaftlichem Gebiet obwaltenden Meinungsverschiedenheiten statt. Die Verhandlungen wurden in den sogenannten Weimarer Leitsätzen niedergelegt. (Siehe Anlage 1).
Nachdem dann der Vorstand des Berliner Verbandes sich in mehreren Vorstandssitzungen für sich allein mit der Angelegenheit und dem bisherigen Gang der Verhandlungen
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beschäftigt hatte, fand am 3. Mai 1919 eine gemeinsame Sitzung von Vertretern des Verbandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) und des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften in Berlin statt. Das Resultat der Verhandlungen waren 4 Leitsätze (siehe Anlage 2.)
Die Tatsache, dass nach jahrelangen und so überaus erbitterten Kämpfen zwischen den beiden Gewerkschaftsrichtungen nun endlich einmal ernsthafte Versuche gemacht wurden, den Streit beizulegen, löste innerhalb der deutschen katholischen Arbeiterschaft wie auch ganz allgemein in den weitesten Kreisen der deutschen Katholiken grosse Befriedigung aus. Am meisten wurde zweifellos die Kunde von der Möglichkeit, den Gewerkschaftsstreit recht bald zu beendigen, von den Mitgliedern der katholischen Gewerkschaften und deren Präsides begrüsst. Befremden musste es freilich erregen, dass der "Arbeiter", das offizielle Organ der Berliner Richtung, gerade in der Zeit, wo die Verhandlungen über eine eventuelle Verständigung mit den christlichen Gewerkschaften geführt wurden, sich nahezu in jeder Nummer mit der denkbar größten Schärfe über die christlichen Gewerkschaften äußerte. Mehr als einmal wurde darum die Ansicht laut, die Leitung des Berliner Verbandes wolle eigentlich gar keine "Verständigung" mit den christlichen Gewerkschaften. Demgegenüber betonte die Berliner Verbandsleitung ihre Sehnsucht nach Frieden und die Bereitwilligkeit zu einer Verständigung nicht nur bei Konferenzen mit den Verbandsmitgliedern, sondern auch wiederholt in der Presse vor der breitesten Oeffentlichkeit, teilte aber gleichzeitig auch mit, sie habe entsprechend den Weisungen der Enzyklika Singulari quadam die Angelegenheit dem Apostolischen Stuhle zur Entscheidung unterbreitet. "Sobald dieselbe vorliegt", schrieb u.a. der "Arbeiter" in Nr. 15 vom 27. Juli 1919, sollen die Verhandlungen weiter geführt und zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden."
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Derartige Ausführungen müssten eigentlich zu der Ansicht führen, dass die Berliner Verbandsleitung wenigstens in aller Aufrichtigkeit für den Versuch einer Verständigung unter den beiden Richtungen und damit auch einer Beilegung des Gewerkschaftsstreites eintritt. Die Eingabe an den Apostolischen Stuhl, auf die in diesem Zusammenhange Bezug genommen wird, und die vom 24. Mai 1919 datiert ist, atmet jedoch keinerlei Bereitwilligkeit für eine Verständigung. Sie ist im Gegenteil mit Bewusstsein darauf angelegt, dass von Rom keine Entscheidung kommen möge, die einer Beilegung des Gewerkschaftsstreites förderlich ist.
Für die in der "Eingabe" formulierte Frage, ob die katholischen Gewerkschaften beizubehalten oder aufzulösen, oder ob eventuell die Mitglieder der katholischen Gewerkschaften auf Grund der stattgefundenen Verhandlungen und der in Berlin am 3. Mai 1919 festgelegten Leitsätze den christlichen Gewerkschaften zuzuführen seien, müsste der Ausgangspunkt zunächst die einwandfreie Beantwortung der Frage sein:
"Genügen unter den heutigen Verhältnissen die in Deutschland bestehenden katholischen Gewerkschaften noch den berechtigten wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitglieder?"
Denn es kann keinem katholischen Arbeiter zugemutet werden, einer Gewerkschaft anzugehören und in deren Kassen Beiträge zu zahlen, die keinen praktischen Wert für ihn hat.
Die "Eingabe" glaubt gleich im Eingange die Auffassung, als genügten die katholischen Gewerkschaften den wirtschaftlichen Bedürfnissen nicht, mit allem Nachdruck zurückweisen zu müssen. Sie behauptet namentlich, dass auch die Mitglieder, die katholisch organisierten Arbeiter, gegen eine
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gegenteilige Behauptung Widerspruch erhöben, obwohl der Verbandsleitung doch zur Genüge bekannt ist, dass nicht wenig Mitglieder schon seit längerer Zeit der Ansicht sind, die katholischen Gewerkschaften seien unter den heutigen Verhältnissen, namentlich wegen ihrer zahlenmäßigen und finanziellen Schwäche, nicht mehr in der Lage, den wirtschaftlichen Bedürfnissen ihrer Mitglieder zu genügen.
Es dürfte der Verbandsleitung ferner bekannt sein, dass eine ganze Reihe von Präsides, und unter ihnen sehr pflichteifrige und für die rein konfessionelle Organisation an sich sehr begeisterte Männer schon seit geraumer Zeit ernste Zweifel hegen, ob sich die katholische Gewerkschaftsbewegung denn wirklich soweit durchsetzen werde, dass sie auch als ein ernsthaft in Betracht kommender Faktor innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung angesehen werden könne.
Die Verbandsleitung geht endlich bei ihrer Darstellung der Verhältnisse auch mit dem größten Stillschweigen über die Tatsache hinweg, dass sich eine nicht geringe Zahl von früher katholisch organisierten Arbeitern namentlich in der letzten Zeit unter dem Druck der Verhältnisse den sozialdemokratischen Gewerkschaften anschlossen. Es geht nicht an, Arbeiter, die so handelten, ohne weiteres als "Schwächlinge" und dergl. zu bezeichnen. Wenn – wie das oft genug der Fall ist – ein oder zwei katholisch organisierte Arbeiter sich auf der Arbeitsstätte unter100 oder gar 200 andersdenkenden Arbeitern befinden, so können sie sich zuweilen auch beim besten Willen nicht "halten". Schon der Umstand, dass die katholischen Gewerkschaften es bis zur Stunde nur auf eine Gesamtmitgliederzahl von 20.000 bringen konnten, während augenblicklich beispielsweise die sozialdemokratischen Gewerkschaften ca. 5½ Millionen Mitglieder haben, legt gewisse Folgerungen sehr
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nahe. Wenn auch schließlich für den absoluten Wert einer Organisation die Mitgliederzahl nicht das ausschlaggebende Moment darstellt, so ist doch nun einmal eine auch nur einigermaßen genügende Mitgliederzahl eine conditie sine qua non für fruchtbringende praktische Gewerkschaftsarbeit.
Dass in der "Eingabe" die tatsächliche Mitgliederzahl der katholischen Gewerkschaften auch nicht einmal andeutungsweise erwähnt wird, sei nur nebenbei bemerkt.
Wer von der höchsten kirchlichen Stelle eine Entscheidung in einer Frage, die seit 20 Jahren im Brennpunkte des öffentlichen Interesses gestanden hat, verlangt, sollte es nicht unterlassen, auch alle für die Beurteilung der Angelegenheit notwendigen Momente anzugeben. Dazu würde, wie bereits angedeutet, auch die Angabe der Mitgliederzahlen, der Kassenverhältnisse und dergl. gehören.
Die Eingabe leidet, um das schon gleich jetzt zu sagen, u. a. an zwei großen Fehlern: an einer gewissen Schönfärberei zugunsten der katholischen Gewerkschaften und an einer geflissentlichen Schwarzfärberei, soweit die christlichen Gewerkschaften in Betracht kommen.
Zur Erhärtung der Behauptung, die katholischen Gewerkschaften seien nach wie vor in der Lage, den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitglieder zu genügen, wird in der "Eingabe" gesagt, die katholische Gewerkschaft habe seit dem Jahre 1905 alljährlich eine Reihe von kollektiven Arbeitsverträgen (Tarifverträgen) für ihre Mitglieder abgeschlossen und außerdem zahlreiche außertarifliche Erfolge erzielt. Das habe sich auch nicht während des Krieges geändert, auch nach der Revolution seien ihr die gleichen Erfolge nicht versagt geblieben.
Diese Behauptung ist nur zum Teil richtig. So konnte sich die katholische Gewerkschaft schon längere Zeit vor dem
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Kriege namentlich an den zentralabgeschlossenen Tarifen für die größten Gewerbe, welche die Arbeitsbedingungen meist für das ganze Reich regelten, nicht mehr beteiligen. Die katholischen Gewerkschaften wurden fast stets wegen des Einspruches der anderen Gewerkschaften von den Verhandlungen ausgeschlossen. Die Leitung der katholischen Gewerkschaften versuchte dann meist, wenigstens dadurch einigermaßen ihr Ansehen vor den Mitgliedern zu wahren, dass sie durch einen ihrer Arbeitersekretäre an die Arbeitgeber mit einem Ersuchen herantrat, die bereits mit den anderen Gewerkschaften abgeschlossenen Verträge auch auf die Mitglieder der katholischen Gewerkschaften auszudehnen. Die Arbeitgeber entsprachen dieser Bitte in der Regel. Dadurch war erreicht, dass auch die katholischen Gewerkschaftler zu denselben Bedingungen beschäftigt wurden, wie die Mitglieder der anderen Gewerkschaften; im Berliner Verbandsorgan und in den Geschäftsberichten wurde das dann aber als ein v on der katholischen Gewerkschaft abgeschlossener Tarifvertrag aufgeführt. Eigentlich hätte man das nicht sagen dürfen; denn in Wirklichkeit hatte die katholische Gewerkschaft doch gar nicht den Tarif abgeschlossen, das hatten die anderen Gewerkschaften getan. Es gelang, wie gesagt, den Vertretern der katholischen Gewerkschaften nur, dass nachher die Arbeitgeber erklärten, auch die katholisch organisierten Arbeiter zu den in dem bereits mit den anderen Organisationen abgeschlossenen Tarifvertrag vereinbarten Bedingungen beschäftigen zu wollen, und dass sie diese Erklärung auch schriftlich abgaben. Soweit es aber den katholischen Gewerkschaften gelang, selbständig einen Tarif abzuschließen, handelte es sich oft genug nur um lokal sehr begrenzte Abmachungen, an denen in einzelnen Fällen vielleicht höchstens 100 Mitglieder beteiligt waren. Das wurde dann den
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Mitgliedern und durch das Verbandsorgan der Öffentlichkeit mit rühmenden Worten als ein durch die katholische Gewerkschaft abgeschlossener Tarif mitgeteilt, obwohl doch unter "Tarifvertrag" nach dem heutigen Sprachgebrauch Arbeitsverträge verstanden werden, die lokal nicht gar so begrenzt sind.
Auch die "zahlreichen außertariflichen Erfolge", von denen die "Eingabe" spricht, waren in der Regel auf Einzelbetriebe beschränkt und umfassten darum auch nur verhältnismäßig wenige Mitglieder. Einen bestimmenden Einfluss auf die Gesamtlage der deutschen Arbeiterschaft hatten wohl die anderen Gewerkschaften, nicht aber die katholische Gewerkschaftsrichtung.
Soweit die Unmöglichkeit, sich direkt ab dem Abschluss der Tarife zu beteiligen, durch den Widerspruch der Vertreter der anderen Gewerkschaften herbeigeführt wurde, ist das natürlich nicht zu billigen, insbesondere nicht, wenn die Ablehnung mit dem katholischen und wirtschaftsfriedlichen Charakter der katholischen Gewerkschaften begründet wurde. Die Tatsache aber, dass die katholischen Gewerkschaften seit lange nicht mehr in der Lage waren, sich wirtschaftlich am Abschluss von Tarifverträgen zu beteiligen, besteht nun einmal. Die gegenteiligen Behauptungen der "Eingabe" entsprechen nicht der Wirklichkeit.
Es darf in diesem Zusammenhange aber auch nicht verschwiegen werden, dass bei Gelegenheit von Verhandlungen mit den Arbeitgebern der eine oder der andere von ihnen an den Vertreter der katholischen Gewerkschaften des öfteren die Frage richtete: "Wieviel Mitglieder des Berufes haben Sie eigentlich hinter sich?" Dann nannte dieser Vertreter, um sich nicht durch Nennung der wirklichen Mitgliederzahl,
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bloßzustellen, entweder einfach die Gesamtmitgliederzahl des Verbandes ohne Unterschied der Berufe, oder auch die Gesamtsumme aller Verbandsmitglieder des betreffenden Berufes, die indes noch lange nicht gleichbedeutend mit der Summe der gewerkschaftlich organisierten Mitglieder ist. Hätte er die wirkliche, sehr niedrige Mitgliederzahl der katholischen Gewerkschaftler des betreffenden Berufes genannt, so hätte mancher Arbeitgeber wohl auch den nachträglichen Abschluss eines Vertrages abgelehnt.
Die wirtschaftliche Existenzfähigkeit einer Gewerkschaft hängt nicht zuletzt ab von ihren mehr oder weniger günstigen finanziellen Verhältnissen. Wie es damit steht, ist ersichtlich aus der angehängten Tabelle, welche die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, den Gesamtbestand und das Gesamtvermögen der augenblicklich bestehenden 16 katholischen Gewerkschaften angibt. Es mussten die Angaben für das Jahr 1917 gegeben werden, weil neuere Angaben nicht zur Verfügung stehen. (NB: In den letzten 2 Jahren ist keinerlei Kassen- und Geschäftsbericht von den katholischen Gewerkschaften veröffentlicht worden!)
Zieht man in Betracht, dass den Einnahmen der katholischen Gewerkschaften in Höhe von 73.723 ark im Jahre 1917 bei den sozialdemokratischen Gewerkschaften 34.768.033 Mark gegenüberstehen, so muss auch der begeistertste Freund der katholischen Gewerkschaftsbewegung mit der ernsthaften Sorge erfüllt werden, ob finanziell so beschränkte katholische Gewerkschaften auch nur einigermaßen erfolgreich mit den sozialdemokratischen Gewerkschaften – denn darauf spitzt sich doch letzten Endes der Kampf zu – in Konkurrenz treten können. Und wenn gegenüber der Einnahme der katholischen Gewerkschaften in Höhe von 73.732 Mark die christlichen Gewerkschaften im Jahre 1917 eine solche von 4.191.136 Mark hatten, so liegt
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Die finanziellen Verhältnisse der katholischen Gewerkschaften im Jahre 1917.
Gewerkschaft der Gesamteinnahme an Mitgliederbeiträgen
Mark
Gesamtbestand
Mark (1)
Gesamtvermögen
Mark (2)
1. Bauarbeiter 3.529,28 13.057,62 19.920,12
2. Bekleidungsindustrie 2.292,60 8.544,65 10.832,15
3. Bergarbeiter 9.767,41 18.417,77 18.417,77
4. Glasarbeiter 1.356,53 5.930,14 11.420,14
5. Holzarbeiter 5.292,52 12.769,81 23.292,31
6. Lederarbeiter 977,19 3.907,51 6.195,01
7. Maler, Anstreicher 334,61 495,21 495,21
8. Metallarbeiter 25.853,87 42.717,15 88.429,65
9. Steinarbeiter 4.523,90 715,18 715,18
10. Töpfer, Keramiker 346,76 586,13 586,13
11. Tabakarbeiter 172,63 106,15 106,15
12. Textilarbeiter 2.824,96 6.856,21 15.158,71
13. Verkehrs-Arbeiter 16.047,92 26.762,20 64.172,20
14. Eisenbahner 162,08 660,19 660,19
15. Landarbeiter 76,10 236,47 236,47
16. Staats- u. Gemeindearbeiter 164,76 225,93 225,93
73.723,12 140.085,02 258.960,02
Anm.1.) Dieser Gesamtbestand setzt sich zusammen aus dem Überschuss von Gesamteinnahme und Gesamtausgabe im Jahre 1917 und aus dem vom Jahre 1916 übernommenen Barbestand.
Anm.2.) Das Gesamtvermögen setzt sich zusammen aus dem Gesamtbestand Ende 1917 und aus den früheren Ersparnissen, die in Wertpapieren verzinslich angelegt sind.
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auf der Hand, dass die katholischen Arbeiter, welche den christlichen Gewerkschaften angehören, in ihrer Zusammenfassung eine ganz andere und bedeutungsvollere Macht im Kampf gegen die Sozialdemokratie wie auch für die Geltung der Arbeitsverhältnisse entfalten können.
Was dann das Vermögen der genannten Gewerkschaftsrichtungen angeht, so standen im Jahre 1917 dem Vermögen der katholischen Gewerkschaften in Höhe von 258.960 Mark das Vermögen der christlichen Gewerkschaften mit 9.902.536 Mark und das der sozialdemokratischen sogar mit 70.717.419 Mark gegenüber.
Das sind Zahlen und Unterschiede, die zu denken geben. Werden sie in einer so hochwichtigen "Eingabe", wie das diejenige der Berliner Verbandsleitung vom 24.5.1919 ist, verschwiegen, so kann die angerufene Stelle kein objektives Bild gewinnen, und es besteht die Gefahr, dass eine Entscheidung gefällt wird, die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Das könnte aber auch 1 dazu führen, dass die katholische Arbeiterschaft auch anderen Entscheidungen der höchsten kirchlichen Stelle nicht mehr die gebührende Ehrfurcht entgegenbringt. Es hat auch gar keinen Zweck, in dieser kritischen Zeit mit der Bemerkung zurückzuhalten, dass diejenigen, die mit solch einem äußerst lückenhaften Material eine Entscheidung von Rom herbeiführen wollen, eine sehr schwere Verantwortung auf sich laden.
Eine gewerkschaftliche Organisation muss auch darauf bedacht sein, ihre Mitglieder geistig zu heben. Denn der intelligente Arbeiter hat bessere Aussichten für sein Fortkommen als der unintelligente, wie denn auch nur mit Arbeitern, welche die Verhältnisse ihres Berufes genau kennen, ersprießliche gewerkschaftliche Arbeit geleistet werden kann.
Aus diesem Grunde haben die Gewerkschaften für ihre Mitglieder eigene Fachblätter ins Leben gerufen. Die christlichen Gewerkschaften verfügen augenblicklich über 29 derartige
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Fachblätter, die sozialdemokratischen über 47 solcher Fachblätter. Noch keine der katholischen Gewerkschaften hat seit ihrem Bestehen ein eigentliches Fachblatt für ihre Mitglieder herausgegeben. Ebensowenig hatten bislang die katholischen Gewerkschaften eigene Gewerkschaftssekretäre. In den 17 Jahren ihres Bestehens haben die katholischen Gewerkschaften überhaupt nur 2 eigentliche Gewerkschaftssekretäre und auch nur kurze Zeit lang (ca. 2 Jahre vor dem Kriege) gehabt; einen für die Steinarbeiter im Bezirk Mayen und einen für die Metallarbeiter im Bezirk Berlin. Augenblicklich haben sie nicht einen einzigen eigentlichen Gewerkschaftssekretär, d.h. Sekretäre, die von den betreffenden Berufsangehörigen besoldet werden. Der Grund dafür liegt ebenfalls im Mangel an Mitteln.
Die "Eingabe" gesteht nun zwar ein, dass es den katholischen Gewerkschaften noch nicht gelungen sei, "sich völlig zu entfalten" und behauptet da zunächst, dass der Grund dafür keinesfalls in der Verfassung der katholischen Organisation zu suchen sei. Bis zu gewissem Grade muss die Durchschlagskraft dieser Argumentation indes bezweifelt werden. Ein Grund für die ablehnende Haltung der anderen Organisationen gegenüber der katholischen Gewerkschaft ist nämlich die Tatsache, dass an der Spitze derselben Geistliche stehen. Die höchste Instanz für die katholischen Gewerkschaften ist die Zentralkommission. An deren Spitze steht der geistliche Verbandspräses, in seiner Vertretung ein Geistlicher, sowie 2 geistliche Beisitzer.
Diese Angelegenheit wurde schon vor längerer Zeit aktuell, nämlich bei Schaffung des Hilfsdienstgesetzes im Jahre 1916. Die Regierung anerkannte damals, gestützt auf das Urteil der anderen Gewerkschaften, nur solche Organisationen als vertretungsberechtigt an, deren Leitung in höchster Instanz in
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Händen von Arbeitern läge. Auch die in der "Arbeitsgemeinschaft" vereinigten Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen auf demselben Standpunkte. In den "Grundsätzen über Zusammensetzung, Leitung, Zweck und Mittel der Vereinigungen, die als Arbeitnehmergewerkschaften gelten wollen", heißt es:
"Die Leitung der Arbeitnehmergewerkschaften liegt sowohl in der Hauptgeschäftsstelle wie auch in den Bezirks- und örtlichen Organisationen in den Händen von Arbeitnehmern. Diese Leitungen werden von den Arbeitnehmern nach dem demokratischen Wahlverfahren gewählt."
Es wäre ein Leichtes gewesen, durch Schaffung einer anderen Organisationsform dieses Hindernis zu beseitigen. Denn es liegt kaum im Wesen einer katholischen Gewerkschaft, dass Geistliche in deren höchster Instanz an leitender Stelle stehen müssen. Anregungen, die Verfassung des Verbandes in dieser Hinsicht zu ändern, kamen wiederholt aus Mitgliederkreisen, wurden indes nicht beachtet.
Bei der Darstellung der Umstände, welche es den katholischen Gewerkschaften unmöglich gemacht haben sollen, sich völlig zu entfalten, sagt die "Eingabe", diese Unmöglichkeit rühre "lediglich von äußeren Umständen, vom Terrorismus der in der Arbeitsgemeinschaft vereinigten christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften her".
Es wäre, um das zunächst zu bemerken, richtiger gewesen, den eben zitierten Vorwurf anders zu formulieren, und nicht so kurzer Hand als Grund den Terrorismus der in der Arbeitsgemeinschaft "vereinigten christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften anzuführen." Denn diese "Arbeitsgemeinschaft" ist ja jüngsten Datums. Sie besteht erst seit dem 15. November 1918,
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also beim Abfassen der "Eingabe" 6 Monate. Die katholischen Gewerkschaften wurden innerhalb des Verbandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) aber schon seit dem Jahre 1902 ins Leben gerufen. Man hätte erwarten sollen, dass nun wenigstens alle Mitglieder des Berliner Verbandes den im eigenen Verbande eingeführten Gewerkschaften beigetreten wären. Tatsache ist jedoch, dass vor dem Kriege bei einem zeitweilig sich auf 120.000 belaufenden Mitgliederbestande nur kurze Zeit die Zahl von 17.000 katholischen Gewerkschaftlern erreicht wurde. Kurz vor dem Kriege mag sich die Zahl der katholischen Gewerkschaftler im Verbande vielleicht auf 7.000 belaufen haben. Augenblicklich soll ihre Zahl 20.000 betragen. Wenn also trotz aller Aufklärung und Agitation in Wort und Schrift die Mehrzahl der Verbandsmitglieder nicht dazu zu bewegen war, Gewerkschaftsbeiträge zu zahlen, also die gewerkschaftliche Organisation des eigenen Verbandes direkt ablehnte, so ist auch die Behauptung der "Eingabe" nicht zutreffend, die Unmöglichkeit der katholischen Gewerkschaften, sich völlig zu entfalten, rühre "lediglich von äußeren Umständen" her. Die erwähnte Tatsache des passiven Verhaltens der Berliner Verbandsmitglieder den eigenen katholischen Gewerkschaften gegenüber gibt denn doch zu denken. Zumal dann, wenn man dem augenblicklich höchsten Stande der katholischen Gewerkschaften mit 20.000Mitgliedern denjenigen der christlichen Gewerkschaften mit mehr als 1 Million und der sozialdemokratischen mit 5 1/2 Millionen gegenüber stellt. Hätten die Mitglieder des Berliner Verbandes auch nur einigermaßen die stete Mahnung, sich ihrer katholischen Gewerkschaft anzuschließen, befolgt, so könnte jetzt, unter Berücksichtigung der Kriegsverluste, mit 70–80.000 katholischen Gewerkschaftlern operiert werden: eine Zahl, mit der auch die Gegner mehr rechnen würden. Gerade die eifrigsten Freunde einer katholischen Gewerkschaftsbewegung und die rührigsten Präsides
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des Berliner Verbandes aber haben über diese Apathie der Mehrzahl der Verbandsmitglieder gegen die eigenen katholischen Gewerkschaften oft genug geklagt.
Kann demnach die "Unmöglichkeit, sich völlig zu entfalten" nicht lediglich auf "äußere Umstände" zurückgeführt werden, so bedarf auch die Behauptung der "Eingabe", dass der Terrorismus der anderen Gewerkschaften der Grund sei, weswegen die katholischen Gewerkschaften nicht zur Blüte kommen, einer gewissen Einschränkung und zwar deshalb, weil die am Schlusse des ersten und zweiten Teils der "Eingabe" formulierten und Rom zur Entscheidung vorgelegten Fragen die Angelegenheit so darstellen, als werde der Terrorismus von den gegnerischen Gewerkschaften als solchen ausgeübt. Die "Eingabe" erwähnt nämlich mit keinem Worte, dass die maßgebenden Instanzen der gegnerischen Gewerkschaften, deren Vorstände und Führer wie auch ihre Presse nie den Terrorismus gebilligt haben, sondern ihn im Gegenteil stets missbilligten. Da die "Eingabe" fast ausnahmslos die Verhältnisse der jüngsten Zeit berücksichtigt, so lehnt sich auch in Folgendem die Darstellung an die neuesten Erklärungen der anderen Organisationen an.
Auf die Beschwerde der Zentralkommission der katholischen Gewerkschaften, dass ihre Mitglieder in Berlin von den sozialdemokratischen Arbeitern terrorisiert würden, erklärte der Vorsitzende der Berliner Gewerkschaftskommission, Körsten, gegenüber Vertretern der katholischen Gewerkschaften, dass die sozialdemokratische Gewerkschaftskommission jeden Terrorismus aufs schärfste verurteile und die Koalitionsfreiheit für jeden Arbeiter gewahrt wissen wolle. Diese mündliche Erklärung wurde noch bestätigt durch ein inhaltlich gleichlautendes Schreiben, das am 11. Dezember 1918 bei der Zentralkommission der katholischen Gewerkschaften eintraf.
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In gleicher Weise erklärte der Vorsitzende des sozialdemokratischen Metallarbeiterverbandes in Berlin, Cohen, dass er jeden Terror missbillige, auf denselben Standpunkt stellte sich unter anderem auch der sozialistische Zentralrat für die Provinz Schlesien.
Auf eine schriftliche Beschwerde des Berliner Arbeitersekretärs Richter an den sozialdemokratischen Gewerkschaftssekretär Löffler in Kattowitz antwortete dieser in einem Briefe vom 22. Januar 1918. Löffler erklärte
"… dass wir jeden Terror und Gewissenszwang verurteilen. Wir haben an die in genanntem Schreiben aufgeführten Stellen berichtet, dass, wenn dort terroristische Übergriffe vorgekommen seien, diese zu unterbleiben hätten. Wir können es auch nicht als richtig befinden, wenn Mitgliedern Ihrer Organisation gegenüber versucht sein sollte, ihnen gewaltsam die Mitgliedsbücher ihres Verbandes abzunehmen und sie auf diese Weise einem anderen Verband zuzuführen. Die Gewinnung von Mitgliedern muss sich durch Aufklärung und nicht durch Terror vollziehen."
Auch das Organ der größten sozialdemokratischen Gewerkschaften, die "Metallarbeiterzeitung" verurteilte in einem Leitartikel der Nr. 3 vom 18. Januar 1919 den verschiedentlich von Mitgliedern des sozialdemokratischen Metallarbeiterverbandes gegen anders organisierte Arbeiter ausgeübten Terrorismus, indem sie u.a. schrieb:
"Darum wollen wir nach wie vor für die Ausbreitung und Verstärkung des Deutschen (d. h. sozialdemokratischen) Metallarbeiterverbandes werben, wir wollen aber keine Zwa ngsma ß nahmen gegen solche Metallarbeiter und
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Metallarbeiterinnen anwenden, die sich unseren Reihen nicht anschließen wollen. Wer nicht aus Überzeugung zu unserem Verbande kommt, der bleibe ihm lieber fern."
Ebenso hat der Generalsekretär der christlichen Gewerkschaften, Stegerwald, Vertretern der katholischen Gewerkschaften gegenüber am 31. Januar 1919 mit allem Nachdruck erklärt, er und mit ihm sämtliche Führer der christlichen Gewerkschaften missbilligten auf das Entschiedenste jeden gegen katholisch organisierte Arbeiter ausgeübten Terror. Auch die christliche "Textilarbeiterzeitung" schrieb in Nr. 20 vom Jahre 1919:
"Wir verurteilen jeden unerlaubten Zwang, würden das also auch in dem Falle tun, wenn uns bekannt würde, dass unsere Mitglieder etwa die katholischen Facharbeiter<abteiler>2 terrorisieren."
Wenn demnach Terrorismus ausgeübt wird, so geschieht dies von disziplinlosen Mitgliedern, stellenweise vielleicht auch von einzelnen untergeordneten Beamten und Agitatoren der anderen Gewerkschaften, dafür kann aber nicht, wie das in der "Eingabe" geschieht, kurzerhand die Organisation als solche verantwortlich gemacht werden. Damit entfällt auch die Berechtigung der in der "Eingabe" gestellten Frage, ob es Arbeiterorganisationen, die lediglich durch den freien Willen ihrer Mitglieder zustande gekommen sind, erlaubt sei, einen Koalitionszwang auf andersdenkende katholische Arbeiter eigenmächtig auszuüben. Es entfällt ferner die Berechtigung der anderen in der "Eingabe" gestellten Frage: "Kann katholischen Arbeitern der Beitritt zu Organisationen, welche sich an solchen ungerechten Gewaltmaßnahmen beteiligen oder solche nicht missbilligen, empfohlen
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werden?" Übrigens sind diese Fragen so leicht zu beantworten, dass man deswegen keine besondere Entscheidung von Rom zu erbitten braucht.
Dass Terrorismusfälle vorkamen und immer noch vorkommen, soll damit nicht bestritten und ebensowenig das Bedauernswerte dieser Vorkommnisse irgendwie abgeschwächt werden. Die oben gemachte Unterscheidung musste aber erfolgen, weil die "Eingabe" die Schilderung dieser Terrorismusfälle, soweit wenigstens die christlichen Gewerkschaften in Frage kommen, offensichtlich zuspitzt, um das Urteil der maßgebenden kirchlichen Instanzen in einem für diese christlichen Gewerkschaften ungünstigen Sinne zu beeinflussen. Die oben angeführten Tatsachen, aus denen hervorgeht, dass die Leitungen der anderen Gewerkschaften jeden Terror missbilligen, sind auch den Unterzeichnern der "Eingabe" bekannt. Wer wirklich ein klares Bild schaffen wollte, musste sie anführen.
Zu beanstanden ist ferner, dass die "Eingabe" den Anschein erweckt, als müssten einzig und allein die katholischen Gewerkschaftler unter Terrorismus leiden. Auch die christlichen Gewerkschaftler klagen oft genug, und stellenweise vielleicht sogar mit noch größerem Rechte, dass ihre Mitglieder von den sozialdemokratischen Gewerkschaftlern terrorisiert würden. Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaften erheben dieselbe Klage. Ja, auch die Mitglieder der sozialdemokratischen Gewerkschaften, soweit sie wenigstens den Mehrheitssozialisten angehören, sehen sich gezwungen, gegen den Terrorismus des linken bolschewistisch angehauchten Flügels schärfsten Protest und lauten Einspruch zu erheben.
Der Eindruck, als würde der beklagenswerte Terrorismus von sozialistischen und christlichen Gewerkschaften
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einzig und allein gegen katholisch organisierte Arbeiter ausgeübt, wird noch verstärkt, wenn des öfteren von dem Terrorismus "der in der Arbeitsgemeinschaft vereinigten christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaften" gesprochen wird. Diese Darstellung der "Eingabe" könnte namentlich den mit den deutschen Verhältnissen nicht genügend Vertrauten leicht zu dem Schlusse verleiten, die der Arbeitsgemeinschaft angehörenden Gewerkschaften wollten durch dieses ihr Kartellverhältnis hauptsächlich ihre eigene Position und zwar eventuell auch durch Terrorismus gegen andersdenkende Arbeiter stärken, wie denn überhaupt die "Eingabe" an all den Stellen, wo sie von der "Arbeits gemeinschaft" spricht, das stets in einer Weise tut, dass der Fernerstehende zu der Meinung kommen muss, es handele sich hier um eine Einrichtung von mindestens sehr zweifelhaftem Werte.
Zu der "Arbeitsgemeinschaft" gehören bekanntlich außer der christlichen und sozialdemokratischen Gewerkschaft noch die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine und die Polnischen Berufsvereine, wie auch noch eine Anzahl technischer und kaufmännischer Verbände. Die Mitglieder der letzterwähnten Organisationen haben gar kein Interesse an den katholischen Gewerkschaftlern, üben darum auch keinen Terrorismus aus. Zur "Arbeitsgemeinschaft" gehören auch Arbeitgeberverbände. Der Zweck der "Arbeitsgemeinschaft" selbst aber ist ein einwandfreier, nämlich Zusammenfassung aller wirtschaftlichen und geistigen Kräfte für die Wiederaufrichtung der deutschen Volkswirtschaft mit dem Bestreben, das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf friedlichem Wege zu regeln.
Es würde indes zu weit führen, im Einzelnen aufzuzählen, wie sehr die "Eingabe" geeignet ist, über die
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"Arbeitsgemeinschaft" ein falsches Bild zu entwerfen. Es sei nur auf einen Passus der "Eingabe" besonders hingewiesen, der die Vorwürfe gegen die Gewerkschaften, die der "Arbeitsgemeinschaft" angehören, noch einmal zusammenfasst. Der Passus lautet:
"Moralisch und physisch wird also versucht, die Mitglieder der katholischen Gewerkschaften zu zwingen, sich Organisationen anzuschließen, deren Tendenzen ihrer Überzeugung widersprechen; die den Arbeitern in Deutschland zustehende Koalitionsfreiheit wird in einen Koalitionszwang umgedreht. Durch diesen Koalitionszwang erstreben die der "Arbeitsgemeinschaft" angehörenden gegnerischen Arbeiterorganisationen die Errichtung eines Arbeitsmonopols, durch welches sie die Möglichkeit erhalten, alle anders gesinnten Arbeiter von der Arbeit auszuschließen, wodurch dieselben in Not und Elend geraten."
Es ist oben schon nachgewiesen, dass die Leitung keiner der betreffenden Gewerkschaften irgendwelchen Terrorismus billigt. Niemals haben auch die maßgebenden Instanzen die "Errichtung eines Arbeitsmonopols" erstrebt, durch welches sie die Möglichkeit hätten, "alle anders gesinnten Arbeiter von der Arbeit auszuschließen, wodurch dieselben in Not und Elend geraten." Das kann auch nicht durch den eventuellen Hinweis darauf behauptet werden, dass die der "Arbeitsgemeinschaft" angehörenden Verbände den Anspruch erheben, beim Abschluss von Tarifverträgen als alleinige Vertragskontrahenten der Arbeiter aufzutreten. Denn – das ist gesetzlich so festgesetzt – auch die Mitglieder der anderen Organisationen, in diesem Fall die katholischen
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Gewerkschaftler, werden ohne weiteres zu den gleichen Bedingungen beschäftigt, wie die Mitglieder der Gewerkschaften, die an dem Tarifabschluss beteiligt waren. Sie genießen also, ohne durch ihre Organisation an den meist sehr umfangreichen Vorarbeiten für den Tarif mitgewirkt zu haben, automatisch alle Vorteile des Tarifes.
Wenn die "Eingabe" sich in diesem Zusammenhange auf den selbstverständlich keineswegs erfreulichen Fall betr. die Gräflich Ballestremschen Werke in Ruda beruft, so handelt es sich zunächst um einen Einzelfall. Ferner sollten die gestellten Bedingungen nur für "neu anzulegende Arbeiter " gelten; die bisherigen Arbeiter sollten in ihrer früheren Stellung bleiben. Eine Kontrolle der Mitgliederkarten und die Möglichkeit, neue Arbeiter unter Umständen zurückweisen zu können, war aus dem Grunde beabsichtigt, um spartakistisch und bolschewistisch gesinnte Arbeiter aus dem oberschlesischen Kohlenrevier fernzuhalten. Übrigens haben die in dem Schreiben der Balestremschen Werke angedeuteten Maßnahmen, soweit wenigstens in Erfahrung gebracht werden konnte, keine dauernden Folgen gehabt. Außerdem sagt die "Eingabe" ja selbst, dass den anderen Gewerkschaften "dieses Bestreben" (d.h. "alle anders gesinnten Arbeiter von der Arbeit auszuschließen, wodurch dieselben in Not und Elend geraten") bis jetzt nur in wenigen Fällen gelungen sei. Die "Eingabe" benutzt aber diese Gelegenheit, um an Rom die Frage zu richten:
"Ist es Organisationen erlaubt, ein Arbeitsmonopol zu errichten und dadurch andersdenkende katholische Arbeiter in Not und Elend zu bringen?"
und fordert so eine Entscheidung über eine Frage, die nicht auf tatsächlichen Verhältnissen basiert ist.
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Was dann endlich das Faktum angeht, dass die katholischen Gewerkschaften nicht in die "Arbeitsgemeinschaft" aufgenommen wurden, so ist das natürlich für diese katholischen Gewerkschaften nicht angenehm. Die "Eingabe" gibt aber selbst an einer Stelle zu verstehen, dass man darin noch nicht ohne weiteres Terrorismus erblicken kann. Denn es kann den in der "Arbeitsgemeinschaft" vereinigten Gewerkschaften nicht verwehrt werden, dass sie sich zu einem Kartell zusammenschließen, und sich vorbehalten, ob sie noch andere und welche Gewerkschaften sie unter Umständen in ihren Kreis aufnehmen wollen. Und wenn zur Zeit der Gründung der "Arbeitsgemeinschaft" die katholischen Gewerkschaften höchstens ca. 7.000 Mitglieder hatten, so konnten sie von vornherein doch selbst kaum auf Zuziehung rechnen.
Wenn dann gelegentlich darauf hingewiesen wird, dass die in der "Arbeitsgemeinschaft" vereinigten Gewerkschaften den Anspruch erheben, dass sie allein für den Abschluss von Tarifverträgen in Frage kämen und forderten, die katholischen Gewerkschaften sollten auch nicht nachträglich und gesondert für sich mit den Arbeitgebern Tarife abschließen, so ist oben schon betont, dass die katholisch organisierten Arbeiter dadurch keinerlei wirtschaftliche Nachteile haben. Es muss aber insbesondere hierbei erwähnt werden, dass der Generalsekretär der christlichen Gewerkschaften, Stegerwald, dem Vertreter der katholischen Gewerkschaften, Dr.  Fleischer, gegenüber erklärte, er persönlich und seine Freunde seien nicht dagegen, wenn die katholischen Gewerkschaften gesondert mit den Arbeitgebern verhandeln würden.
Den Unterzeichnern der "Eingabe" ist diese
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Stellungnahme Stegerwalds bekannt; es hätte im Interesse einer objektiven Darstellung gelegen, sie wenigstens in der "Eingabe" zu registrieren.
Wer die "Eingabe" und ihre Klagen über den gegen die katholisch organisierten Arbeiter ausgeübten Terrorismus liest, wird ohne weiteres die Empfindung haben, dass mit diesen Klagen insbesondere die christlichen Gewerkschaften getroffen werden sollen. Dem Kenner der katholischen Gewerkschaftsbewegung ist zwar bekannt, dass das gespannte Verhältnis zwischen den katholischen und christlichen Gewerkschaften, das im Wesen grundsätzlicher Natur ist, mehr als einmal auch in der Praxis und beim Zusammentreffen der beiderseitigen Mitglieder auf den Arbeitsstätten zu unliebsamen Collisionen führte. Doch fordert die Gerechtigkeit, festzustellen, dass ein allenfallsiger Terrorismus durch die christlichen Gewerkschaftler nicht den großen Umfang angenommen haben könne, den die "Eingabe" und sonstige Verlautbarungen der Berliner Richtung glauben machen möchte.
Die Gebiete und Bezirke, in denen die katholische Arbeiterorganisation Mitglieder in größerer Menge hat, sind Oberschlesien, das Saargebiet und Berlin.
In Oberschlesien hatten die christlichen Gewerkschaften bis vor einigen Monaten nicht viele Mitglieder, konnten also keinen Terrorismus ausüben. Auch im Saargebiet hatte die katholische Arbeiterorganisation lange Zeit die Majorität und jetzt, wo die christlichen Gewerkschaften bedeutend stärker geworden sind, müssen sie einen so heftigen Kampf gegen die Roten führen, dass ihnen Zeit und Lust zum Terrorismus gegen die katholischen Gewerkschaftler fehlen dürfte. In Berlin aber ist die Zahl der christlichen Gewerkschaften auch sehr gering. Wenn hier in Berlin Terrorismus ausgeübt wird, kommt er von den Sozialdemokraten. In der Diaspora aber, wo der
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Berliner Verband auch zugleich <zahlreiche>3 Vereine hat, hatten die Christlichen bis vor -kurzem nur wenig Mitglieder, sodass also auch hier für Terrorismus kaum Gelegenheit war.
Aber auch zugegeben, dass das gespannte Verhältnis zwischen den katholischen und christlichen Gewerkschaften zu manchen unliebsamen Reibungen geführt hat, so muss doch allen Ernstes gefragt werden: War es unbedingt notwendig, gerade jetzt noch einmal alle diese Dinge aufzurühren? Es hätte doch genügt, die Diskussion und auch die "Eingabe" lediglich auf die Frage zu konzentrieren: Sind die in Weimar und Berlin getroffenen Vereinbarungen annehmbar? Welchen Zweck hat es eigentlich, just in dem Moment, wo man über eine Einigung und Verständigung verhandelt, in größter Ausführlichkeit an die erbitterten Kämpfe der Vergangenheit zu erinnern und noch dazu in einer Weise, die Richtigstellungen herausfordern muss?"
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II.
Nachdem im ersten Teil der "Eingabe" ein wenig einnehmendes Bild von den christlichen Gewerkschaften entworfen worden ist, wird im 2. Teil zunächst versucht, die Persönlichkeit, die mit den christlichen Gewerkschaften zu verhandeln beauftragt wurde, nämlich den Verbandssekretär der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) Abgeordneten Dr. Fleischer zu diskreditieren.
Dr. Fleischer trat seit Jahren in Deutschland für eine katholische Gewerkschaftsorganisation ein. Seit Anfang d. Js. 1919 ist er aber der Meinung, dass eine Einigung mit den christlichen Gewerkschaften herbeigeführt werden könne und im Interesse der katholischen Arbeiter auch herbeigeführt werden müsse. Zu dieser Meinung ist er gekommen auf Grund der Verhandlungen mit den Führern der christlichen Gewerkschaften, wobei er die Überzeugung gewann, dass es ihnen ernst ist, die gewerkschaftliche Tätigkeit und Organisation der christlichen Gewerkschaften nach wahrhaft christlichen Grundsätzen zu gestalten, sodass also auch die bisherigen Bedenken gegen letztere hinfällig geworden sind.
Ob es unumgänglich notwendig war, sich in einer "Eingabe" an die höchste kirchliche Stelle so ausführlich mit Dr. Fleischer und seiner Tätigkeit bei der Einigungsaktion zu befassen, soll dahingestellt bleiben, wenn es aber einmal geschah, so hätte man auch mit genügender Ausführlichkeit die wahrlich nicht unwichtigen Gründe anführen sollen, die für Dr. Fleischer maßgebend waren und die den Unterzeichnern der "Eingabe" bekannt sind. Zum mindesten hätte man erwarten müssen, dass seine Tätigkeit nicht in einer Weise dargestellt wird, die der Wirklichkeit nicht entspricht.
So wird gesagt, Dr. Fleischer habe in der Vorstandssitzung vom 3. Februar 1919 lediglich den Auftrag erhalten, mit Stegerwald wegen Beseitigung des Terrorismus und Zulassung
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der katholischen Organisationen zu der "Arbeitsgemeinschaft" zu verhandeln. Dr. Fleischer habe aber nach seinem eigenen Bericht in der Vorstandssitzung vom 13. März 1919 mit Stegerwald wegen einer Auflösung der katholischen Gewerkschaften und einer Überführung der Mitglieder in die christlichen Gewerkschaften verhandelt.
Diese Darstellung ist zunächst lückenhaft. Dr. Fleischer hatte in der Sitzung vom 3. Februar 1919 nämlich nicht nur den Auftrag erhalten, mit Stegerwald wegen Beseitigung des Terrors und wegen Aufnahme in die "Arbeitsgemeinschaft" zu verhandeln, sondern er erhielt direkt auch den weiteren Auftrag, über eine "Verständigung" zu verhandeln. Am 16. Februar 1919 war dann Generalsekretär Fournelle selbst in Weimar und gab hier Dr. Fleischer den weiteren direkten Auftrag, mit den christlichen Gewerkschaften über eine "Einigung" zu verhandeln. Grund für diesen Auftrag des Generalsekretärs waren alarmierende Nachrichten, die namentlich aus dem Eichsfelde kamen, und die dahin gingen, dass die Verbandsmitglieder sich hier über den Kopf der Verbandsleitung den christlichen Gewerkschaften anschließen wollten, wenn die Verhandlungen mit letzteren nicht beschleunigt würden. Über diese Verhandlungen in Weimar, bei denen Dr. Fleischer von Generalsekretär Fournelle den erwähnten Auftrag erhielt, liegt übrigens eine Niederschrift vor, unterzeichnet von den Abgeordneten und Arbeitersekretären Kossmann, Puschmann, Sagawe und dem Arbeitersekretär Hammelmann-Heiligenstadt. Dass es aber Generalsekretär Fournelle mit seinem Auftrag an Dr. Fleischer, mit den Christlichen in Verhandlungen über eine "Einigung" zu treten, ernst war, geht aus der weiteren Tatsache hervor, dass er dem Arbeitssekretär Hammelmann für das Eichsfeld die Anweisung gab, die Gewerkschaftsarbeit vorläufig ruhen zu lassen und sich nur darauf zu beschränken, die Vereine beim Verband zu halten.
Es ist also nicht wahr, wenn die "Eingabe" behauptet, Dr. Fleischer habe nur den Auftrag erhalten, über die
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Beseitigung des Terrorismus und über Zulassung zur "Arbeitsgemeinschaft" zu verhandeln. Es muss weiter gegenüber der "Eingabe" gesagt werden, dass Dr. Fleischer bei den Verhandlungen mit Stegerwald, über die er am 13. März 1919 berichtete, die Frage einer Auflösung der katholischen Gewerkschaften und einer Überführung derselben in die christlichen Gewerkschaften gar nicht berührt hat. Er hat vielmehr mit Stegerwald die gegenseitigen Differenzpunkte behandelt und versucht, ob nicht hier zu einer Verständigung zu gelangen sei. Eine solche Aussprache war notwendig, denn der jahrelange Zwist zwischen den beiden Organisationen, der eben auch zu Friktionen bei der praktischen Gewerkschaftsarbeit führte, war begründet in grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten. War es möglich, diese auszumerzen, so lag auch kein Grund mehr zu Differenzen in der Praxis vor. Es lag also im Wesen des ganzen Gewerkschaftsstreites, erst einmal den Versuch einer grundsätzlichen Verständigung zu machen. Über die Frage, wie die Verständigung in der Praxis erfolgen könne, wenn man sich erst einmal grundsätzlich geeinigt habe, hat Dr. Fleischer erst viel später einmal und zwar nach einer nochmaligen grundsätzlichen Aussprache, und dann auch nur nebenbei mit Stegerwald verhandelt. Veranlassung, auch die praktische Seite der Angelegenheit gelegentlich mit Stegerwald zu besprechen, war übrigens, weil der 1. Geistliche Beisitzer im Verbandsvorstande, Pfarrer Beyer, bei der Vorstandssitzung vom 13. März an Dr. Fleischer die direkte Anfrage gestellt hatte, wie sich denn das weitere Verhältnis zwischen den katholischen und christlichen Gewerkschaften praktisch gestalten solle, wenn erst einmal die grundsätzlichen Einigung erfolgt sei. Irgendwelche bindende Erklärungen hat Dr. Fleischer Stegerwald gegenüber zudem in dieser Beziehung nicht abgegeben, er hat vielmehr in der Vorstandssitzung vom 13. März und 7. April
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1919 dem Vorstand über den Gang der Verhandlungen Kenntnis gegeben und dann erklärt, das Weitere und insbesondere Beschlüsse über die praktische Einigung (eventuelle Überführung der Mitglieder in die christlichen Gewerkschaften) zu fassen, sei Aufgabe des Vorstandes.
Dr. Fleischer hat endlich mit Stegerwald ganz offen darüber gesprochen, dass der Berliner Verbandsvorstand die ganze Angelegenheit wahrscheinlich erst der Genehmigung der Bischöfe, vielleicht auch dem Urteile des Apostolischen Stuhles unterbreiten werde, wogegen Stegerwald nicht das Geringste einzuwenden hatte.
Weiter wird Dr. Fleischer vorgeworfen, er habe es unterlassen, wie ihm das in der Vorstandssitzung vom 7. April 1919 aufgetragen worden sei, mit Herrn Stegerwald darüber zu verhandeln, ob nicht die die praktische Verständigung beispielsweise in der Form eines Kartells der katholischen mit den christlichen Gewerkschaften möglich sei. Die "Eingabe" unterlässt es aber, die Gründe anzugeben, die Dr. Fleischer nach seiner eigenen Aussage in der Vorstandssitzung veranlasst haben, die Frage der Anstrebung eines Kartells nicht anzuschneiden. Wären nämlich die katholischen Gewerkschaften, so wie sie heute sind, mit den christlichen Gewerkschaften lediglich in ein Kartellverhältnis getreten, so hätten wegen der zahlenmäßigen Schwäche der katholischen Gewerkschaften bei Verhandlungen über Arbeitstarife innerhalb der "Arbeitsgemeinschaft" und dergl. die christlichen Gewerkschaften die katholischen Arbeiterorganisationen einfach mit vertreten. Dann hätten die katholischen Gewerkschaftler gesagt: "Unsere wirtschaftlichen Angelegenheiten werden doch nun einmal durch die christlichen Gewerkschaften vertreten. Warum sollen wir dann denselben nicht auch direkt beitreten?"
Viel wichtiger ist aber auch noch folgendes Moment: Es kommt darauf an, den Versuch zu machen, durch grundsätzliche
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Aussprache die Gegensätze zu beseitigen, die zu dem unheilvollen Gewerkschaftsstreit geführt haben. Wurde nur lediglich ein Kartellverhältnis angestrebt, ohne zuvor eine grundsätzliche Klärung der Streitpunkte herbeigeführt zu haben, so blieben eben die Differenzpunkte und damit der ganze Gewerkschaftsstreit bestehen. Und die Folge davon wäre gewesen, dass auch das Kartellverhältnis keinen Bestand gehabt hätte.
Weiter wird Dr. Fleischer in der "Eingabe" vorgeworfen, er habe nicht die seinerzeit zwischen dem Verbandsvorstand und Monsignore Walterbach vereinbarten Grundsätze zur Unterlage der Verhandlungen mit Stegerwald genommen. Es ist doch für die Beurteilung der ganzen Angelegenheit und für die von Rom verlangte Entscheidung wahrlich ein überaus nebensächliches Moment, ob nun Dr. Fleischer seine Verhandlungen an der Hand der mit Walterbach vereinbarten Leitsätze führte, oder ob er seine Gedankengänge selbständig und in einer anderen ihm geeignet erscheinenden Form, die aber ganz im Einklange mit diesen Leitsätzen stand, gruppierte. Und wenn der Vorstand glaubt, eine solche Unterlassung an Herrn Dr. Fleischer tadeln zu müssen, so ist das doch eine Angelegenheit, die im Rahmen einer Vorstandssitzung zu erledigen wäre. Unerfindlich ist aber, warum so etwas in einer "Eingabe" nach Rom, an die höchste kirchliche Stelle, ausführlich behandelt wird. Was in Rom interessiert, ist doch nicht die Frage, ob Dr. Fleischer als Unterhändler genau nach den Weisungen des Vorstandes verfahren hat, sondern nur, ob das Resultat der Verhandlungen, die Dr. Fleischer und zwar nur als vorbereitende Persönlichkeit geführt hat, vor der Kritik besteht.
Wer die "Eingabe" genau durchliest, stößt auch immer wieder auf den Schluss: Die katholischen Gewerkschaften dürften so lange nicht aufgelöst werden, als die Enzyklika Singulari quadam noch ihre verpflichtende Kraft habe. Wenn nun von Dr. Fleischer immer wieder behauptet wird, er habe
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eigenmächtig über eine Auflösung verhandelt, so liegt darin ziemlich offen der Vorwurf, Dr. Fleischer habe sich bei seinen Verhandlungen einer Tätigkeit schuldig gemacht, die für einen Katholiken unerlaubt sei.
Die Behauptung der "Eingabe", Dr. Fleischer habe dem Verbandsvorstand die Auflösung der katholischen Gewerkschaften nahegelegt, weil er bestimmt wisse, dass auch der Hochwürdigste Herr Fürstbischof von Breslau das wünsche, entspricht ebenfalls nicht den Tatsachen. Dr. Fleischer hat lediglich mitgeteilt, dass er dem Herrn Fürstbischof von Breslau auf dessen eigenes Ersuchen über seine mit Stegerwald gepflogenen Verhandlungen betreffend Anstreben einer Verständigung Bericht erstattet habe. Ferner, dass der Hochwürdigste Herr die in Weimar vereinbarten Leitsätze, wenn sie richtig verstanden würden, für annehmbar und mit der Enzyklika Singulari quadam vereinbar halte, freilich auch wünsche, dass die Einigungsverhandlungen im Interesse der katholischen Arbeiter mit größter Beschleunigung fortgeführt werden möchten.
Es entspricht endlich nicht den wirklichen Vorgängen, wenn in der "Eingabe" behauptet wird, Dr. Fleischer habe gesagt, "auch Rom" wünsche die Auflösung der katholischen Gewerkschaften und die Ueberführung ihrer Mitglieder in die christlichen Gewerkschaften. Auch nicht einmal andeutungsweise hat Dr. Fleischer das gesagt. Was er gesagt hat, war folgendes: Über die Einigungsaktion – die ja kein Geheimnis mehr war – sei, soviel er wisse, auch schon von anderer Seite nach Rom berichtet worden. Weiter gab Dr. Fleischer seiner Ansicht dahin Ausdruck, dass, wenn Rom katholische Gewerkschaften wünsche, das sicherlich nur unter der Voraussetzung geschehe, dass diese katholischen Gewerkschaften in Wirklichkeit wirtschaftlich leistungsfähig seien. Auch
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Pius X. habe das als selbstverständlich vorausgesetzt, wie das seine Sanktion des Hirtenschreibens der westdeutschen Bischöfe vom 13. Februar 1914 beweise, in welchen als Voraussetzung für katholische Gewerkschaften die Forderung erhoben wird, "dass sie mit einem zum Schutze der wirtschaftlichen Interessen genügendem Erfolge eingeführt sind oder eingeführt werden können". Weil er (Dr. Fleischer) aber der Meinung sei, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der katholischen Gewerkschaften unter den jetzigen Verhältnissen sehr zu bezweifeln sei, so warne er davor, eine Entscheidung zugunsten der katholischen Gewerkschaften unter den obwaltenden Umständen herbeiführen zu wollen.
Auch das sieht doch wesentlich anders aus, als die Darstellung in der "Eingabe". Unwillkürlich fragt man sich: Warum eigentlich diese auffallende Darstellung der ganzen Angelegenheit und des Ganges der Verhandlungen? Indes der ganze Aufbau der Eingabe ist ja allzu durchsichtig.
Erst wird behauptet, die katholischen Gewerkschaften genügten nach wie vor den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitglieder, sodass also eine Verständigung und Vereinigung mit den christlichen Gewerkschaften nicht notwendig wäre.
Dann wird der Nachweis zu erbringen gesucht, dass gerade diese christlichen Gewerkschaften, mit denen nach vielseitigem Wunsche eine Einigung stattfinden soll, sich an "schmählichen kulturkämpferischen Bedrückungen" der katholischen Arbeiter beteiligten, die "zum Himmel schreien" und derentwegen "vor dem ganzen katholischen Volke, vor den Bischöfen, vor dem Apostolischen Stuhle" Protest erhoben werden müsse.
Alsdann wird die als Unterhändler beauftragte Persönlichkeit, Dr. Fleischer, und seine Tätigkeit in einer Weise geschildert, dass man zu dem Resultat seiner Verhandlungen kein Vertrauen haben kann, wenn diese Schilderung den Tatsachen entspräche. (1)
Doch damit nicht genug. Es wird nunmehr auch der Herr Fürst-
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Bischof von Breslau in einer Weise in der "Eingabe" apostrophiert, die in einem an die höchste kirchliche Stelle gerichteten Schreiben doch stärkstes Befremden erregen muss.
Dass die Dr. Fleischer unterschobene Bemerkung, auch der Herr Fürstbischof von Breslau wünsche die Auflösung der katholischen Gewerkschaften, nicht der Wirklichkeit entspricht, ist schon erwähnt worden. Beachtenswert in diesem Zusammenhange ist aber besonders folgender Absatz in der "Eingabe":
"Als Resultat der darauf erfolgten Verhandlungen erklärte Herr Dr. Fleischer am 7. April d. Js. dem Verbandsvorstand, dass er nicht über die vorgenannten Grundsätze (d.h. die Walterbachschen Leitsätze) verhandelt habe; er legte vielmehr dem Verbandsvorstand die bekannten vier Weimarer Leitsätze vor, dieselben hätten bereits die Billigung des Herrn Fürstbischofs von Breslau, nachdem derselbe einige Abänderungen getroffen habe.
Der Verbandsvorstand betonte noch einmal, dass er für eine Verständigung sei, weil er diese für ein großes Gut halte, nur müsse diese Einigung sich vollziehen unter voller Wahrung der in den päpstlichen Enzykliken Rerum novarum und Singulari quadam niedergelegten Grundsätze. Nachdem der Herr Fürstbischof von Breslau aber in seinem Schreiben vom 3. April 1919 das eindringliche Ersuchen gestellt habe, diese Einigung auf Grund der vier
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Weimarer Leitsätze schleunigst herbeizuführen, beschloss der Verbandsvorstand, mit dem Vorstand des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften auf Grund der zwischen den Herren Dr. Fleischer und Generalsekretär Stegerwald vereinbarten Leitsätze, welche jedoch nur einen Teil der bisherigen Differenzpunkte umfassen, in Verhandlungen zu treten."
Nach Empfang der Mitteilung, dass der Herr Fürstbischof von Breslau nach einigen Abänderungen die Weimarer Leitsätze gebilligt habe, betonte der Verbandsvorstand also laut des eben angeführten Absatzes der "Eingabe" in der Sitzung vom 7. April, dass er sehr wohl für eine Verständigung sei, weil er diese für ein großes Gut halte. Es wird aber hinzugefügt, "nur müsse diese Einigung sich vollziehen unter voller Wahrung der in den päpstlichen Enzykliken Rerum novarum und Sigulari quadam niedergelegten Grundsätze."
Eine derartige Betonung hat doch aber nur dann Sinn und Zweck, wenn der Verbandsvorstand befürchtete, zum mindesten aber bezweifelte, dass bei Anerkennung der in Weimar vereinbarten und vom Hochw. Herrn Fürstbischof von Breslau gebilligten Leitsätze die erwähnten Grundsätze nicht gewahrt seien!!
Und doch hatte der Verbandsvorstand in seiner Sitzung vom 7. April 1919 "nach eingehender Prüfung aller in Betracht kommenden Fragen" folgenden protokollarisch festgelegten Beschluss gefasst:
"Herr Dr. Fleischer berichtet über seine Verhandlungen mit Herrn Stegerwald. Er legt als Ergebnis einen Entwurf vor. Der Vorstand erklärt, diesen Entwurf, richtig verstanden, als geeignete Unterlage für weitere grundsätzliche und praktische Verhandlungen, die zwischen den Vorständen der Organisationen geführt werden sollen."
Dieser Verbandsbeschluss wurde dem Herrn Fürstbischof von
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Breslau auch mitgeteilt. Es entsteht nun die Frage, wo denn nun eigentlich die wahre Meinung des Berliner Verbandsvorstandes über die Weimarer Leitsätze zu finden ist. In dem Brief an den Herrn Fürstbischof, der eine Zustimmung enthält, oder in der "Eingabe" nach Rom, wo schwere Bedenken erhoben werden? Sieht das nicht einem Doppelspiel äußerst ähnlich?
War es denn nicht auch ein Doppelspiel, wenn am 7. April der Berliner Verbandsvorstand beschloss:
"Der Vorstand erklärt diesen Entwurf (die Weimarer Leitsätze) als geeignete Unterlage für weitere grundsätzliche und praktische Verhandlungen, die zwischen den Vorständen der Organisationen geführt werden sollen."
und wenn am 24. April 1919 der Gewerkschafts<General>4 sekretär des Berliner Verbandes ein Zirkular versandte, in welchem er "aufklären will über die neueste gegen die katholische Arbeiterorganisation gerichtete Aktion, die man als "Verständigungsaktion" zu bezeichnen beliebt."
Also dem Herrn Fürstbischof von Breslau gegenüber die Erklärung, dass man weitere Verhandlungen zu führen geneigt sei. Bei den Mitgliedern aber wird der Eindruck zu erwecken versucht, als sei eine neue gegen ihre Organisation gerichtete Aktion im Gange, die sich zudem noch in das Mäntelchen einer wohlgemeinten "Verständigungsaktion" hülle!
Nachdem aber in der "Eingabe" die erwähnten Zweifel bezw. Befürchtungen geäußert worden sind, wird fortgefahren:
"Nachdem der Herr Fürstbischof von Breslau aber (NB: man beachte dieses "aber"!!) in seinem Schreiben vom 3. April 1919 das eindringliche Ersuchen gestellt hatte…"
Wenn Worte noch einen Sinn haben, so kann das nur heißen:
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Der Verbandsvorstand hielt die Weimarer Leitsätze nicht für einwandfrei; er vermisste in ihnen besonders eine volle Wahrung der in den päpstlichen Enzykliken Rerum novarum und Singulari quadam niedergelegten Grundsätze; durch das Schreiben des Hochw. Herrn Fürstbischofs von Breslau aber sei er in die Zwangslage versetzt, trotzdem jetzt in eine Verhandlung mit den christlichen Gewerkschaften einzutreten.
Dass aber diese Darstellung, der Verbandsvorstand habe sich durch den Brief des Herrn Fürstbischofs von Breslau in eine Zwangslage versetzt geglaubt, nicht auf subjektiver Kombination beruht, erhellt aus der Tatsache, dass dieser Ausdruck "Zwangslage" in der Vorstandssitzung vom 7. April direkt und mit Bezug auf den bewussten Brief gebraucht wurde. Und nicht nur das! Als Dr. Fleischer in der erwähnten Vorstandssitzung zu einem wiederholten Male auf den Wunsch des Herrn Fürstbischofs hinwies, die Einigungsverhandlungen nicht zu verzögern, hatte Herr Generalsekretär Fournelle dafür mehrmals den Ausdruck "so eine Unverschämtheit". (2)
Die Art und Weise, wie das Schreiben des Herrn Fürstbischofs in einer "Eingabe" an die höchste kirchliche Stelle missbraucht wird, muss aber im Interesse der historischen Wahrheit noch weiter beleuchtet werden. Es heißt in der "Eingabe":
"Nachdem der Herr Fürstbischof von Breslau aber in seinem Schreiben vom 3. April 1919 das
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eindring liche Ersuchen gestellt hatte, diese Einigung auf Grund der 4 Weimarer Leitsätze schleunigst herbeizuführen..."
Diese Darstellung ist nicht weit entfernt von einer bewussten Fälschung des betreffenden Briefes, der auch in der Verhandlung am 7. April verlesen wurde, denn es steht kein Wort in demselben, die Einigung auf Grund der 4 Weimarer Leitsätze schleunigst herbeizuführen. Und was die Weimarer Leitsätze angeht, so sagt der Herr Fürstbischof von Breslau zwar, dass er dieselben "richtig verstanden" für annehmbar und mit der Enzyklika Singulari quadam vereinbar halte. Der Hochwürdigste Herr gesteht aber in seinem Schreiben nichtsdestoweniger die Möglichkeit zu, dass noch Bedenken bestehen könnten und bittet dringend, diese zu beheben, damit dann die Einigung zum Abschluss gebracht werden könnte.
Was die Einigung selbst angeht, so wünschte der Herr Fürstbischof dieselbe "in Anbetracht der Verheerungen, die der unter den beiden Richtungen bestehende Zwist angerichtet hat", ferner weil die Notwendigkeit einheitlicher Zusammenfassung der katholischen Kreise in unserer Zeit des Umsturzes unleugbar sei, und weil mit der Einigung auch die treu katholischen Elemente in den christlichen Gewerkschaften eine größere Festigkeit in ihrer Haltung erhalten.
Also einerseits nicht im Geringsten das in der "Eingabe" behauptete "eindringliche Ersuchen", die Einigung auf Grund der Weimarer Leitsätze "schleunigst" herbeizuführen, andererseits aber überaus zeitgemäße Mahnung und Bitten eines deutschen Bischofs, die ihm der Gedanke an die Not der Zeit nahelegte. Diese letzt erwähnten Gründe für die Stellungnahme des Herrn Fürstbischofs werden abermals mit Bewusstsein und sicherlich nicht ohne Absicht unterschlagen. Muss der Apostolische Stuhl unter diesen Umständen nicht ein völlig falsches Bild über die Stellung des Herrn
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Fürstbischofs in einer so wichtigen Frage erhalten?
Wie aus dem weiteren Wortlaut der "Eingabe" hervorgeht, und später noch eingehender dargelegt werden wird, hält der Berliner Verbandsvorstand diese Weimarer Leitsätze für sehr verbesserungsbedürftig, namentlich an der Stelle (Punkt 2), wo von der Arbeitseinstellung die Rede ist. Die Formulierung der Weimarer Leitsätze ist ihm hier gleichbedeutend mit einer "Verschleierung der wirklichen Tatsachen und einer Irreführung ". Den Unterzeichnern der "Eingabe" scheint eben nicht im Geringsten zum Bewusstsein gekommen zu sein, welche Insinuation damit auch gegen den Herrn Fürstbischof von Breslau, der doch in vorsichtig formulierter Weise den Leitsätzen zugestimmt hatte, erhoben wird. Oder ist das nur ein weiteres Glied in der Kette? Erst werden in der "Eingabe" die christlichen Gewerkschaften in den düstersten Farben geschildert. Darauf wird die Vertrauenswürdigkeit des Unterhändlers, Dr. Fleischers, zu erschüttern versucht, um dann endlich von den Weimarer Leitsätzen, die der Herr Fürstbischof von Breslau bedingterweise ("wenn sie richtig verstanden werden") billigte, zu sagen, dass sie an einer wichtigen Stelle gleichbedeutend mit einer Verschleierung der wirklichen Tatsachen und einer Irreführung seien!
Die "Eingabe" schildert nunmehr in ziemlicher Ausführlichkeit den Gang der Sitzung vom 3. Mai 1919 zu Berlin, in welcher sich die offiziellen Vertreter der beiden Richtungen zu einer Aussprache trafen. Diese Schilderung will anscheinend ein Bild von dem rastlosen Bemühen geben, das die Vertreter des Berliner Verbandes für eine nach ihrer Ansicht unbedingt notwendige For<Umfor>5 mulierung der Weimarer Leitsätze aufwandten. Zunächst wurde deren einleitender Satz beanstandet: Er lautet:
"Die Revolution hat sowohl für das Wirtschaftsleben wie auch für die Arbeiterbewegung ganz neue Verhältnisse geschaffen. Dadurch ist eine gewerkschaftliche Zusammenfassung aller christlichen Arbeiter und
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Angestellten zur gebieterischen Notwendigkeit geworden."
Dass dem in Wirklichkeit so ist, kann doch wohl nicht bestritten werden. Ernsthafte Gründe, von diesen Tatsachen nicht auszugehen, bestehen also nicht. Die "Eingabe" glaubt aber betonen zu müssen, weder die Revolution noch die durch dieselben geschaffenen Verhältnisse könnten der Ausgangspunkt für die Einigungsaktion sein. Wohl aber müssten die katholischen Grundsätze für alle Zeiten und unter allen Verhältnissen Geltung haben. Soll damit gegen diejenigen, welche die in Weimar angenommenen Leitsätze als eine annehmbare Grundlage für Verhandlungen und eine eventuelle Verständigung ansehen, und also auch dem Herrn Fürstbischof von Breslau, wieder einmal ein Vorwurf erhoben werden? Im Anschluss an den gemachten Tadel bezüglich der Formulierung des Einleitungssatzes wird weiter betont, der katholische Arbeiterverband wolle zwar auch die Einigkeit der katholischen Kreise, "aber unter Wahrung der unverfälschten und unversehrten katholischen Lehre." Liegt nicht auch darin der versteckte Vorwurf, als seien mindestens einzelne Freunde der Einigung bereit, die Verständigungsaktion mitzumachen, auch ohne dass die unverfälschte und unversehrte katholische Lehre gewahrt würde?
Besonders gewichtige Gründe zu Abänderungen glaubte der Berliner Verbandsvorstand bei Punkt 2 der Weimarer Vereinbarung zu haben. Dieser Punkt lautete:
"Gegen die gemeinsame Arbeitseinstellung ist vom Standpunkt der Moral an sich nichts einzuwenden. Sie kann allerdings durch die Umstände verwerflich werden."
Der Berliner Verbandsvorstand vermisst hier eine Differenzierung von Arbeitsniederlegung und Streik und sagt, einer solchen Fassung zuzustimmen, wäre "gleichbedeutend mit einer Verschleierung der wirklichen Tatsachen und einer Irreführung."
Der Herr Fürstbischof von Breslau hatte nun bei seiner Unterredung mit Dr. Fleischer folgende Fassung vorgeschlagen:
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"Dass jede gemeinsame Arbeitseinstellung verwerflich sei, kann vom Standpunkt der Moral nicht behauptet werden. Sie kann allerdings durch Absicht, Umstände und Mittel, insbesondere solche, die ungerechte Gewalt anwenden, verwerflich werden."
Diese Formulierung war dann später im 2. Teil nach Rücksprache mit den christlichen Gewerkschaftsführern und unter Zustimmung des Herrn Fürstbischofs von Breslau wie folgt geändert worden:
"Sie kann aber durch Absicht, Umstände und Mittel verwerflich werden. Insbesondere ist die Anwendung ungerechter Gewalt zu verwerfen."
Für jeden, der sich mit der Frage der Arbeitseinstellung und des Streikes und namentlich mit dem Unterschiede, der zwischen beiden besteht, eingehend beschäftigt hat, sollte namentlich die eben erwähnte zweite Fassung vom moral-theologischen Standpunkt aus einwandfrei erscheinen. Doch glaubte der Berliner Verbandsvorstand, auch ihr gegenüber noch betonen zu müssen, dass "streng darauf zu achten sei, dass jede Verschleierung des Tatbestandes vermieden" werden müsse.
Der Verbandsvorstand hatte dem gegenüber folgende Fassung vorgeschlagen und verteidigte sie in der Sitzung vom 3. Mai mit allen Kräften:
"Gegen die gemeinsame Arbeitseinstellung an sich ist vom Standpunkt der Moral nichts einzuwenden. Sie kann allerdings durch die Umstände verwerflich werden.
Eine gemeinsame Arbeitseinstellung aber mit Anwendung von Boykott ist verwerflich."
Ein Vergleich mit der zwischen Dr. Fleischer und den christlichen Gewerkschaften vereinbarten Formulierung ergibt zunächst ohne weiteres, dass diese für die moralische Erlaubtheit des Streiks weit engere Grenzen zieht, als die von der Berliner Verbandsleitung vorgeschlagene Fassung. Eine "Verschleierung
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des Tatbestandes" könnte also viel eher und mit größerem Rechte dem Berliner Verbandsvorstand als Dr. Fleischer, den christlichen Gewerkschaften und dem Herrn Fürstbischof von Breslau zum Vorwurf gemacht werden.
Die Formulierung des Berliner Verbandsvorstandes: "Eine gemeinsame Arbeitseinstellung aber mit Anwendung von Boykott ist verwerflich", konnte von diesem aber nach eingehender Debatte selbst nicht aufrecht erhalten werden, da er sich davon überzeugen musste, dass die Anwendung des Wortes "Boykott" ohne eine nähere Definition zu großen Missverständnissen führen müsse. Denn nach dem Sprachgebrauch werden unter Boykott auch sittlich einwandfreie Abwehrmaßnahmen verstanden. Andererseits ließ diese Fassung des Berliner Verbandsvorstandes gerade den wesentlichsten Grund außer acht, der die gemeinsame Arbeitseinstellung so oft als unmoralisch erscheinen lässt: die Anwendung ungerechter Gewalt. Unter diesen Umständen sah sich der Berliner Verbandsvorstand schließlich genötigt, folgender Formulierung zuzustimmen:
"Gegen die gemeinsame Arbeitseinstellung an sich ist vom Standpunkt der Moral nichts einzuwenden. Sie kann allerdings durch Absicht, Umstände und Mittel verwerflich werden. Eine Arbeitseinstellung unter Anwendung ungerechter Gewalt ist zu verwerfen."
Ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser Fassung und der auch vom Herrn Fürstbischof vorgeschlagenen kann doch wohl kaum behauptet werden. Und doch war gegen letztere der Vorwurf "einer Verschleierung des Tatbestandes" erhoben worden.
Wenn aber die "Eingabe" eine objektive Darstellung von dem Standpunkte der christlichen Gewerkschaften zum Streik geben wollte, so hätte sie auch noch erwähnen sollen, was Stegerwald gleich bei der ersten Verhandlung mit Dr. Fleischer erklärte, und was die Stellung der christlichen Gewerkschaften in einer Weise beleuchtet, die einer Verständigung die Bahn öffnet.
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Stegerwald sagte nämlich, nachdem er die theoretischen Ausführungen Dr. Fleischers über den Streik im Sinne des 2. Satzes der Weimarer Leitsätze angehört und ihnen zugestimmt hatte:
"Hinsichtlich der über den Streik obwaltenden Differenzpunkte lässt sich schon deshalb leicht eine Formel für die Verständigung finden, weil wir für die Gegenwart und auch für absehbare Zukunft den Streik im deutschen Wirtschaftsleben überhaupt nicht mehr aufkommen lassen dürfen. Durch den Krieg und angesichts der zu erwartenden überaus drückenden Friedensbedingungen sind wir gezwungen zu arbeiten und immer nur zu arbeiten. Es darf einfach nicht mehr gestreikt werden! In dieser Beziehung sind auch die Führer der sozialdemokratischen Gewerkschaften völlig eines Sinnes mit uns christlichen Gewerkschaftsführern. Insbesondere sind wir heute ebenso wie die katholische Organisation gezwungen, gegen die spartakistischen und bolschewistischen Arbeitseinstellungen – denn um solche handelt es sich doch eigentlich nur – mit aller Entschiedenheit Front zu machen. Kommen noch Differenzen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vor, so dürfen sie im Interesse der deutschen Volkswirtschaft und im Interesse der deutschen Arbeiterschaft nicht mehr durch Streiks zum Austrag gebracht werden, sondern müssen durch Schiedsgerichte geschlichtet werden."
Wenn das in der "Eingabe" mitgeteilt worden wäre, so hätte das zu einer wohlwollenderen Beurteilung der christlichen Gewerkschaften und deren Stellung zur Streikfrage beigetragen. Diese Stellungnahme Stegerwalds zur Streikfrage war den Unterzeichnern der "Eingabe" bekannt.
Wäre diese erwähnte Erklärung Stegerwalds in der "Eingabe" mitgeteilt, so hätte dieselbe auch einen guten Kommentar zu Nr. 3
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der Leitsätze abgegeben, wo von dem Anstreben der gewerblichen Einigungsämter mit weitestgehenden entscheidenden Vollmachten die Rede ist. Warum aber eigentlich bei den Besprechungen am 3. Mai von dem Berliner Verbandsvorstand die Streichung des Wortes "weitestgehenden" verlangt wurde, ist nicht recht ersichtlich, da doch gerade die Auswahl dieses Wortes die Befugnisse der gedachten Einigungsämter so weit wie nur irgend möglich stecken [sic] will.
Wenn ferner der Verbandsvorstand die Streichung der Worte: "die auch die bisherigen Mittel des wirtschaftlichen Machtkampfes zurücktreten lässt" beantragte, weil diese Formulierung die Deutung zulasse, dass zwar infolge der veränderten Wirtschaftsverhältnisse Streiks in der Zukunft importun seien und sie infolgedessen immer mehr zurücktreten, die Streiks aber grundsätzlich nicht als verwerflich bezeichnet würden, so muss demgegenüber zunächst wieder an den doch klaren Wortlaut des akzeptierten 2. Leitsatzes, dann aber auch an die oben wiedergegebene Erklärung Stegerwalds erinnert werden. Es kommt doch schließlich auch zur Beurteilung der ganzen Sachlage sehr viel darauf an, wie die Gewerkschaftsführer die Praxis zu gestalten gesonnen sind, womit sich auch der in der "Eingabe" benützte, einer neuen Schrift über die christlichen Gewerkschaften entnommene Einwand zum größten Teil von selbst erledigt.
Die im Anschluss hieran in der "Eingabe" gemachte Bemerkung betr. die Leitsätze über "Zusammensetzung Zweck und Mittel der Vereinigungen, die als Arbeitnehmergewerkschaften gelten wollen", aber ist zunächst insofern unrichtig, als diese Leitsätze nicht, wie das die "Eingabe" behauptet, lediglich von den christlichen Gewerkschaften aufgestellt wurden. Diese Leitsätze sind aufgestellt worden von den 4 der "Arbeitsgemeinschaft" angehörenden Verbänden, nämlich den
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sozialdemokratischen und christlichen Gewerkschaften, den Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereinen und der polnischen Berufsvereinigung, stellen also das Ergebnis eines Kompromisses von vier unter sich sonst grundsätzlich sehr verschiedenen Verbänden dar. Der inkriminierte Satz lautet:
"Zur Erreichung des Zweckes der Arbeitnehmergewerkschaft kommen in Betracht…b) die Arbeitseinstellung (der Streik), wenn die Verhandlungen zu keinem annehmbaren Ergebnis führen."
Die "Eingabe" des Berliner Verbandsvorstandes sucht den Eindruck zu erwecken, als ob dadurch die Mitglieder der der "Arbeitsgemeinschaft" angehörenden Gewerkschaften auf eine unmoralische Streikpraxis verpflichtet werden sollten. Demgegenüber muss zunächst daran erinnert werden, dass die "Arbeitsgemeinschaft" doch nicht zuletzt auch zu dem Zweck gegründet worden war, um Streiks hintanzuhalten. Die Formulierung der bewussten Stelle der Leitsätze gestattet ferner die Deutung, dass "Arbeitseinstellung" nicht immer gleichbedeutend mit "Streik" zu sein braucht. Soweit aber der Streik nur eine gemeinsame Arbeitseinstellung darstellt, kann er, wie die "Eingabe" des Berliner Verbandsvorstandes an einer anderen Stelle das selbst zugibt, nicht ohne weiteres als sittlich unerlaubt verurteilt werden. Dass aber die christlichen Gewerkschaften Arbeitseinstellungen, die durch Absicht, Umstände und Mittel, insbesondere durch Anwendung ungerechter Gewalt verwerflich werden, durchaus ablehnen, beweist ja die mit dem Berliner Verbandsvorstand getroffene Vereinbarung, wodurch die von letzterem gegen den für die "Arbeitsgemeinschaft" maßgebenden Leitsatz geführte Polemik gegenstandslos wird. Und übrigens wurde ja den von der Berliner Verbandsleitung bei den Verhandlungen am 3. Mai vorgetragenen Bedenken gegen die Formulierung des Absatzes 3
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in jeder Beziehung Rechnung getragen.
Bei Formulierung des Punktes 4 erhob der Berliner Verbandsvorstand Einspruch gegen den Satz der Weimarer Leitsätze: "Darum sollen die Bemühungen, die Mitglieder der christlichen Gewerkschaften den konfessionellen Arbeitervereinen zuzuführen, mit Nachdruck fortgesetzt werden." Der Vorstand sei nämlich der Meinung, dass eine Empfehlung auch der protestantischen Arbeitervereine nicht Sache von Katholiken sei, zumal in denselben oft Bestrebungen gegen die katholische Lehre und gegen katholische Einrichtungen verfolgt würden. Es solle deshalb statt "konfessionell" gesetzt werden "katholisch". Keinem der bei den Verhandlungen tätigen Persönlichkeiten, auch nicht denen, die sonst <noch>6 ihre Zustimmung zu den Weimarer Leitsätzen ausgesprochen hatten, wird es wohl in den Sinn gekommen sein, bei Anwendung des Wortes: "konfessionellen Arbeitervereinen" an eine Empfehlung von Vereinen auch nur irgendwie zu denken, die im Sinne des erwähnten Einwurfes auftreten. Zum Überfluss sei aber noch daran erinnert, dass die Einleitung zu den Weimarer Leitsätzen mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hatte, dass eine Aussprache lediglich über die unter den deutschen Katholiken auf gewerkschaftlichem Gebiete bestehenden Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse stattgefunden habe. Mit den Protestanten und deren Organisationsverhältnissen hat man sich bei der Aussprache in Weimar gar nicht beschäftigt. Nichtsdestoweniger stimmten die Vertreter der christlichen Gewerkschaften dem Berliner Verbandsvorstand ohne weiteres zu, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Am Schluss glaubt die "Eingabe" noch ausdrücklich hervorheben zu müssen, "dass in den genannten vier Leitsätzen nicht alle wesentlichen Differenzpunkte zwischen der katholischen Organisation und den christlichen Gewerkschaften gefasst sind."
Auch diese Auffassung muss in höchstem Grade befremden.
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Zweck der Zusammenkunft am 3. Mai 1919 war doch "eine Aussprache über die unter den deutschen Katholiken auf gewerkschaftlichem Gebiete obwaltenden Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse", um so den Versuch zu machen, die unglückseligen Differenzen unter den deutschen katholischen Arbeitern endlich aus der Welt zu schaffen. Wer wirklich das wollte, musste auch entschlossen sein, bei der nach 20 jährigem Zwiste endlich erfolgten Annäherung der beiden feindlichen Lager nun auch gleich ganze Arbeit zu machen. Man musste die Aussprache auf alle wirklichen und vermeintlichen Differenzpunkte ausdehnen. Wenn tatsächlich, wie <jetzt>7 in der "Eingabe" behauptet wird, in den 4 Leitsätzen nicht alle Differenzpunkte enthalten sind, so würde doch der Gang der Dinge folgender werden:
Angenommen, der Apostolische Stuhl erklärt, es sei gegen die 4 Leitsätze nichts einzuwenden, so wird der Berliner Verbandsvorstand einige andere Differenzpunkte ausfindig machen, über die nach seiner Meinung eine Klärung noch nicht erfolgt sei. Hierüber wären wieder neue Verhandlungen notwendig. Hat man sich dann auch darüber wieder geeinigt, so wird das Resultat der neuen Verhandlungen ebenfalls wieder nach Rom berichtet. Würde auch darüber eine zustimmende Erklärung von Rom kommen, so werden vielleicht noch einmal neue Differenzpunkte ausfindig gemacht, die wieder erneute Verhandlungen und eine nochmalige Anfrage in Rom notwendig machen.
So wird kostbarste Zeit versäumt, und das in einer Situation, die gebieterisch auf schnellstes Handeln drängt. Die Methode der Berliner Verbandsleitung aber, erst in Einigungsverhandlungen einzutreten und dann am Schlusse derselben zu erklären, es seien noch nicht alle Differenzpunkte geklärt, lässt aber keinen anderen Schluss zu als den: Die Berliner Verbandsleitung will keinen Frieden. Wer die scharfe Polemik des Berliner "Arbeiter" gerade in der Zeit, wo über Einigung und
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Verständigung verhandelt wurde, aufmerksam verfolgt hat; wer die Zirkulare kennt, welche Generalsekretär Fournelle zu derselben Zeit, da Beauftragte des Berliner Verbandes mit der anderen Partei verhandelten, versandte, und in denen das Führen von Einigungsverhandlungen rundweg abgeleugnet wurde; wer endlich die wenig objektive Darstellung der wirklichen Sachlage in der "Eingabe" selbst beachtete: der muss zu der Ansicht kommen, dass ein ehrlicher Friedenswille bei der Berliner Verbandsleitung nicht zu finden ist.
Wäre es nicht auch zu empfehlen gewesen, wenn der Berliner Verbandsvorstand in der "Eingabe" nun auch wenigstens gleich alle anderen, nach seiner Meinung bestehenden Differenzpunkte aufgezählt, begründet und dem Apostolischen Stuhl unterbreitet hätte? Die "Eingabe" erwähnt indes nur einen derartigen Differenzpunkt, nämlich die Frage der Garantien für die Zuständigkeit der kirchlichen Autorität.
Besteht der hiermit erhobene Einwand zu Recht? Der in der Sitzung vom 3. Mai 1919 angenommene erste Leitsatz lautet doch bekanntlich:
"Eine Gewerkschaft, die für katholische Arbeiter geeignet sein soll, muss so beschaffen sein, dass sie als solche ihren Mitgliedern die Möglichkeit bietet, die gewerkschaftliche Tätigkeit auch vom Standpunkte der Religion und Moral zu beurteilen, zu beeinflussen und dementsprechend zu handeln."
Damit ist doch gesagt, dass katholische Arbeiter in der Gewerkschaft sich nicht nur an die Grundsätze der Kirche gebunden fühlen, sondern auch dementsprechend handeln sollen. Wer die oben erwähnte Fassung des 2. Leitsatzes ohne Künstelei interpretiert, wird zugeben müssen, dass nichts einen katholischen christlichen Gewerkschaftler hindert, wenn einmal die kirchliche Autorität eine besondere Anweisung geben sollte, auf Grund
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derselben seine gewerkschaftliche Tätigkeit nicht nur zu beurteilen und zu beeinflussen, sondern auch dementsprechend zu handeln.
In der von Dr. Fleischer formulierten, von den christlichen Gewerkschaften angenommenen und dem Herrn Fürstbischof von Breslau gebilligten Weimarer Fassung war überdies noch folgender Absatz enthalten:
"Um möglichst enge und lebendige Beziehungen zwischen den konfessionellen Arbeitervereinen und den christlichen Gewerkschaften herzustellen und aufrechtzuerhalten, sind die bisherigen Bemühungen, die Mitglieder der Gewerkschaften den konfessionellen Arbeitervereinen zuzuführen, mit Nachdruck fortzusetzen. Die Lösung der den Arbeitervereinen und Gewerkschaften gemeinsamen Aufgaben soll dadurch gefördert werden, dass einerseits Mitglieder des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften dem Vorstand des Kartellverbandes der katholischen Arbeitervereine und andererseits gewerkschaftlich organisierte Funktionäre der Arbeitervereine dem Vorstand des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften angehören."
Damit sind gewisse Forderungen, welche seinerzeit die Enzyklika Singulari quadam erhob, und die gerade den Einfluss der kirchlichen Autorität sichern wollten, nicht nur anerkannt, sondern auch noch besonders unterstrichen worden. Bekanntlich knüpfte die Enzyklika Singulari quadam die Tolerierung der christlichen Gewerkschaften an die Bedingung, dass "geeignete Vorsichtsmaßregeln zur Fernhaltung der Gefahren angewandt werden, welche… derartigen Vereinigungen anhaften."
Die Enzyklika schrieb in diesem Zusammenhang:
"An erster Stelle ist dafür zu sorgen,
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dass katholische Arbeiter, die Mitglieder solcher Gewerkschaften sind, zugleich jenen katholischen Vereinigungen angehören, die unter der Bezeichnung "Arbeitervereine" bekannt sind."
In den erwähnten Weimarer Leitsätzen erklärten auch die Führer der christlichen Gewerkschaften, dass die Bemühungen, die Mitglieder der Gewerkschaften den konfessionellen Arbeitervereinen <zuzuführen,>8 nicht nur lediglich fortgesetzt, sondern mit Nachdruck fortgesetzt werden sollen. Es wird also eine Zusage gemacht, welche über die in der Enzyklika Singulari quadam erhobene Forderung noch hinausgeht. Was aber den erwähnten Ausschuss angeht, so sei erlaubt, daran zu erinnern, was die Enzyklika Singulari quadam schrieb:
"Ferner ist notwendig, dass die Gewerkschaften, damit sie so sind, dass die Katholiken ihnen beitreten können, von allem sich fernhalten, was grundsätzlich oder tatsächlich mit den Lehren und Geboten der Kirche wie der zuständigen kirchlichen Obrigkeit nicht im Einklang steht, ebenso ist alles in Schriften oder Reden oder Handlungen zu meiden, was aus diesem Gesichtspunkte tadelnswert ist. Darum mögen die Bischöfe es als ihre heilige Pflicht ansehen, sorgfältig das Verhalten dieser Vereinigungen zu beobachten und darüber zu wachen, dass den Katholiken aus der Anteilnahme an ihnen kein Schaden erwächst."
Wäre ein Ausschuss im Sinne der Weimarer Leitsätze errichtet worden, so könnten die Bischöfe durch die katholischen Arbeitervereine, an deren Spitze von ihnen ernannte Geistliche (Präsides, Diözesanpräsides, Generalpräsides) stehen, eine erhöhte Möglichkeit gewinnen, sorgfältig das Verhalten der christlichen Gewerkschaften zu beobachten und darüber zu wachen, dass den Katholiken aus der Anteilnahme an ihnen kein Schaden erwächst.
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Der Berliner Verbandsvorstand hatte in den von ihm vorgelegten Leitsätzen gerade den Passus der Weimarer Leitsätze, der diesen Ausschuss forderte, und seine Zusammensetzung festlegte, gestrichen. Wäre derselbe geblieben, so wäre damit eine weitgehende Garantie für die Zuständigkeit der kirchlichen Autorität gegeben.
Die "Eingabe" glaubt schließlich am Schluss des Berichtes über die Konferenz vom 3. Mai 1919 ausdrücklich betonen zu müssen, die Unterzeichner seien
"einmütig der Ansicht und halten sich in ihrem Gewissen für verpflichtet, es auch ausdrücklich in diesem Berichte zu betonen, dass die christlichen Gewerkschaften ihren Standpunkt und ihre bisherigen Auffassungen vom Zweck und den Aufgaben der Gewerkschaft, insbesondere vom Streik, nicht geändert haben. Dass sie vielmehr lediglich, um den katholischen Gewerkschaften den Übertritt zu ihnen leichter zu machen, in der Formulierung, nicht aber im Wesen der Sache eine Änderung vorgenommen und sich mit den in den Verhandlungen vom 3. Mai d.Js. festgestellten Leitsätzen einverstanden erklärt haben."
Es kann doch nicht bestritten werden, dass sich die Vertreter der christlichen Gewerkschaften in mehrfachen tagelangen ernsthaften Verhandlungen um eine Einigkeit bemüht und auch erklärt haben, die Zustimmung des Apostolischen Stuhles abwarten zu wollen. Was aber hier den Führern der christlichen Gewerkschaften vorgeworfen wird, ist nichts anderes als infamste Heuchelei.
Die Vertreter des Berliner Verbandes haben den christlichen Gewerkschaftsführern erklärt, sie müssten die getroffenen Vereinbarungen mit einem Bericht über die Verhandlungen erst noch dem Apostolischen Stuhl vorlegen lassen. Haben sie auch
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durchblicken lassen, dass sie ihre "Eingabe" und ihren Bericht auf diesen Ton stimmen würden? Sind sie aus der Sitzung vom 3. Mai gegangen mit einer Erklärung im Sinne des eben erwähnten Passus der "Eingabe"? Oder gingen sie nicht vielmehr, nachdem Worte gewechselt waren, aus denen man entnehmen musste, dass auch die Vertreter des Berliner Verbandes nunmehr auf Frieden nach langem Hader und Streit hofften?
Wenn Worte noch einen Sinn haben, so bedeuten die zitierten Sätze der "Eingabe": Wir, die Unterzeichner der Anfrage an den Apostolischen Stuhl, haben keine Hoffnung auf die Zustimmung Roms. – Man hätte dann aber auch den Mut haben sollen, das offen vor den Verbandsmitgliedern und vor der breitesten Öffentlichkeit der deutschen Katholiken auszusprechen. So aber hat man durch die Meldungen von den stattgefundenen Verhandlungen und von der Eingabe nach Rom, wie auch mit Pressenotizen, dass nach Eingang der Entscheidung des Apostolischen Stuhles "die Verhandlungen weitergeführt und zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden" sollen, in hunderttausenden von Herzen Hoffnung erweckt, an deren Erfüllung die Unterzeichner selbst nicht glauben mögen.
Die Fragen aber, die am Schlusse der "Eingabe" gestellt werden, treffen, wie das schon bei der Besprechung des ersten Teiles ausgeführt wurde, entweder nicht den Kernpunkt der Sache oder operieren mit einer Verschiebung der wirklichen Tatsachen.
Die Frage, die zur Diskussion steht und über die in diesem Falle das Urteil Roms einzuholen wäre, ist die:
a) Verstoßen die am 3. Mai 1919 zwischen den Vorständen der christlichen Gewerkschaft und des Berliner Verbandes getroffenen Vereinbarungen gegen die katholische Doktrin?
Wenn dies nicht der Fall ist:
b) Dürfen dann die katholischen Arbeiter
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Deutschlands den christlichen Gewerkschaften zugeführt werden, zumal da erwiesenermaßen die katholischen Gewerkschaften den wirtschaftlichen Bedürfnissen der Mitglieder nicht mehr genügen?
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Die Weimarer Leitsätze.
Die Revolution hat sowohl für das Wirtschaftsleben wie auch für die Arbeiterbewegung ganz neue Verhältnisse geschaffen. Dadurch ist eine gewerkschaftliche Zusammenfassung aller christlichen Arbeiter und Angestellten zur gebieterischen Notwendigkeit geworden. Von dieser Erwägung ausgehend, hat zwischen den Herren Generalsekretär Stegerwald, Minister für Volkswohlfahrt, und Redakteur Joos einerseits und Dr. Fleischer vom Verbande der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) andererseits eine freundschaftliche Aussprache über die unter den deutschen Katholiken auf gewerkschaftlichem Gebiet obwaltenden Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse stattgefunden. Dabei ergab sich Übereinstimmung in folgender Auffassung:
1.) Eine Gewerkschaft, die für katholische Arbeiter geeignet sein soll, muss so beschaffen
sein, dass sie ihren Mitgliedern die Möglichkeit bietet, die gewerkschaftliche Tätigkeit auch vom Standpunkt der Religion und Moral zu beurteilen und zu beeinflussen.
2.) Gegen eine gemeinsame Arbeitseinstellung ist vom Standpunkt der Moral an sich
nichts einzuwenden. Sie kann allerdings durch die Umstände verwerflich werden.
3.) Wir stehen vor einer Neuformung unseres Wirtschaftslebens. Die Schaffung von
wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörpern auf gesetzlicher Grundlage und freien Arbeitsgemeinschaften von Arbeitgebern und Arbeitnehmern haben eine stärkere Bindung unserer Wirtschaft zur Folge, die auch die bisherigen Mittel des wirtschaftlichen Machtkampfes zurücktreten lässt und andere friedliche Mittel an ihre Stelle setzt, insbesondere gewerbliche Einigungsämter mit weitestgehenden entscheidenden Vollmachten.
4.) Um möglichst enge und lebendige Beziehungen zwischen den konfessionellen
Arbeitervereinen und den christlichen Gewerkschaften herzustellen und aufrechtzuerhalten, sind die
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bisherigen Bemühungen, die Mitglieder der Gewerkschaften den konfessionellen Arbeitervereinen zuzuführen, mit Nachdruck fortzusetzen. Die Lösung der den Arbeitervereinen und Gewerkschaften gemeinsamen Aufgaben soll dadurch gefördert werden, dass einerseits Mitglieder des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften dem Vorstand des Kartellverbandes der katholischen Arbeitervereine und andererseits gewerkschaftlich organisierte Funktionäre der Arbeitervereine dem Vorstand des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften angehören.
Weimar, den 29. März 1919.
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Die auf der Verständigungskonferenz zwischen dem Berliner Verband und den christlichen Gewerkschaften am 3. 5. 1919 in Berlin angenommenen Leitsätze.
Die Zusammenfassung aller christlichen Arbeiter und Angestellten ist eine gebieterische Notwendigkeit. Von dieser Erwägung ausgehend, hat zwischen einer Vertretung des Vorstandes des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands und einer Vertretung des Vorstandes des Verbandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) eine Aussprache über die unter den deutschen Katholiken auf gewerkschaftlichem Gebiete obwaltenden Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse stattgefunden. Dabei ergab sich Übereinstimmung in folgender Auffassung:
1.) Eine Gewerkschaft, die für katholische Arbeiter geeignet sein soll, muss so beschaffen sein, dass sie als solche ihren Mitgliedern die Möglichkeit bietet, die gewerkschaftliche Tätigkeit auch vom Standpunkt der Religion und Moral zu beurteilen, zu beeinflussen und dementsprechend zu handeln.
2.) Gegen die gemeinsame Arbeitseinstellung an sich ist vom Standpunkt der Moral nichts
einzuwenden. Sie kann allerdings durch Absicht, Umstände und Mittel verwerflich werden.
Eine Arbeitseinstellung unter Anwendung ungerechter Gewalt ist zu verwerfen.
3.) Wir stehen vor einer Neuformung unseres Wirtschaftslebens. Die Schaffung von
wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörpern auf gesetzlicher Grundlage und freien Arbeitsgemeinschaften von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hat eine stärkere Bindung unserer Wirtschaft zur Folge, welche die Bildung friedlicher Einrichtungen zur Regelung der Arbeitsverhältnisse, insbesondere gewerbliche Einigungsämter mit entscheidenden Vollmachten fordert. Diese Forderung wird sowohl von den katholischen Arbeitervereinen wie auch von den christlichen Gewerkschaften mit Nachdruck vertreten.
4.) Die Lösung der den Arbeitervereinen und
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Gewerkschaften gemeinsamen
Aufgaben soll dadurch gefördert werden, dass aus Vertretern beider Organisationen ein Ausschuss gebildet wird.
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Abschrift.
Verhandlungen mit Mgr. Walterbach.
Verhandelt: Berlin, den 26. Juni 1917.
Anwesend sind: Prälat Walterbach, Generalsekretär Fournelle, Dr. Fleischer, Baron von Savigny, Pfarrer Windolph, Abgeordneter Koßmann, Arbeitersekretär Götz, Domvikar Kutscher-Trier, Pfarrer Baron.
1. Prälat Walterbach erklärt, dass er die Verhandlungen im Einverständnis mit dem
Vorstand des Verbandes der Katholischen Arbeitervereine Süddeutschlands sowie mit dem
Vorstand des Kartellverbandes der Katholischen Arbeitervereine West-, Süd- und Ostdeutschlands führt. Desgleichen führen die Vertreter des Verbandes der Katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) die Verhandlungen im Einverständnis mit dem Vorstand dieses Verbandes.
2. Durch die Verhandlungen soll festgestellt werden, worin beide Parteien
übereinstimmen und worin sie auseinandergehen. Das Ergebnis der Verhandlungen ist den
Vorständen der zuständigen Organisationen vorzulegen. Bei Meinungsverschiedenheiten können diese eine Fortführung der Verhandlungen veranlassen, um eine Einigung über die strittigen Punkte herbeizuführen. Auf jeden Fall verpflichten sich die Beteiligten, das Ergebnis der Verhandlungen dem Apostolischen Stuhl zur endgültigen Entscheidung zu unterbreiten und sich dieser Entscheidung im Interesse der Einigkeit und des Friedens der deutschen Katholiken rückhaltlos zu unterwerfen.
3. Man einigt sich dahin, die Enzyklika Singulari quadam zur Grundlage der
Verhandlungen zu machen.
Fortsetzung der Verhandlungen am 26., 27., 29. Oktober 1917.
Anwesend waren auch die Vorstandsmitglieder Richter und Mutschke.
Es wurde festgestellt:
Die soziale Frage und die mit ihr verknüpften Streitfragen
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über Charakter und Dauer der Arbeit, über die Lohnzahlung, über den Arbeiterstreik sind nicht rein wirtschaftlicher Natur und somit nicht zu denen zu zählen, die mit Hintansetzung der kirchlichen Obrigkeit beigelegt werden können: "da es im Gegenteil außer allem Zweifel steht, dass die soziale Frage in erster Linie eine sittliche und religiöse ist und deshalb vornehmlich nach dem Sittengesetz und vom Standpunkt der Religion gelöst werden muss."
1. Die Gewerkschaften müssen so eingerichtet und aufgebaut sein, dass ihre Tätigkeit, welche entsprechend ihrem Zweck auf die Regelung des Lohn- und Arbeitsverhältnisses beschränkt ist, die persönlich sittliche Seite der Arbeit nicht von der wirtschaftlichen Seite trennt.
2. Die gewerkschaftliche Tätigkeit ist nicht rein wirtschaftlicher Natur, sondern muss sich nach den Forderungen des christlichen Sittengesetzes vollziehen.
3. Diesen Forderungen entspricht es nicht, wenn sich die von den Organisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer betriebene Regelung des Lohn- und Arbeitsverhältnisses auf der Gleichstellung der Arbeit mit einer Ware aufbaut und demgemäß nur nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage richtet.
Alle, die sich als Einzelpersonen oder in Vereinigungen des christlichen Namens rühmen, dürfen, wofern sie ihrer Pflicht eingedenk sein wollen, keine Feindschaften und Zwistigkeiten unter den Ständen der bürgerlichen Gesellschaft schüren, sondern müssen untereinander Frieden und wechselseitige Liebe befördern.
Der Streik, von dem hier die Rede ist, hat folgende wesentliche Merkmale. Er ist
1. Eine gemeinsame, durch Verabredung erfolgte Arbeitseinstellung,
2. Ein freiwilliges Feiern,
3. Die Unterbindung der Möglichkeit für den Arbeitgeber, Arbeiter desselben Berufes zu beschäftigen, um dadurch
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4. eine Änderung des bisherigen Arbeitsvertrages zugunsten der Arbeiter vom Arbeitgeber zu erzwingen.
1. Das Arbeitsgebot verpflichtet sowohl den einzelnen Menschen wie auch die menschliche Gesellschaft.
2. Das Arbeitsgebot ist dem Menschen unter dreifacher Bedingung auferlegt:
a) Die Arbeit darf dem natürlichen und positiv göttlichen Gesetz nicht widersprechen.
b) Der Lohn muss zur Erlangung des zum Leben Notwendigen ausreichen.
Dieses Existenzminimum ist kein allgemein feststehender Begriff, sondern wird bestimmt durch Ort, Zeit, Umstände, Individuum, Familie, Kulturstand.
c) Die Arbeit darf die Kräfte des Arbeiters nicht übersteigen und sein Leben und seine Gesundheit nicht gefährden.
Wird eine der vorstehenden Bedingungen verletzt, so ist in diesem Falle der Arbeiter nicht mehr gehalten, das Arbeitsgebot zu erfüllen, und die gemeinsame Arbeitseinstellung ist unter diesen Umständen erlaubt.
Der Arbeiter ist berechtigt, auch einen Lohn zu fordern, der über das zum Leben Notwendige hinausgeht, und zwar bis zur Höchstgrenze des gerechten Lohnes. Wird diese Forderung nicht erfüllt, so liegt kein Rechtstitel vor, durch gemeinsame Arbeitseinstellung diese Forderung zu erfüllen.
Würde aber demgemäß den Arbeitern dauernd nur das zum Leben Notwendige gewährt, während die Arbeitgeber steigende Gewinne machen, die ihnen die Zahlung eines höheren Lohnes ermöglichen, so ist es Aufgabe des Staates, als des Schützers des allgemeinen Wohles, dafür zu sorgen, dass die billigen Forderungen der Arbeiter erfüllt werden.
3. Die Streikenden feiern in der Absicht, später an derselben Arbeitsstätte weiterzuarbeiten.
4. Deshalb kann kein <soll>9 anderer Arbeiter an ihrer bisherigen Arbeitsstätte tätig sein.
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5. Sie wollen also durch das freiwillige Feiern jedes Mitglied des Berufsstandes von dem betreffenden Betriebe ausschließen.
6. Demnach beabsichtigen sie, den ganzen Berufsstand von dem betr. Betrieb auszuschließen. Insoweit soll also die Betätigung des Berufsstandes in dem betreffenden Betriebe unterbunden werden.
7. Da die Betätigung des Berufsstandes als eines Organes der Gesellschaft öffentlich-rechtlichen Charakter trägt, unterliegt auch die Beurteilung der Behemmung der Tätigkeit des Berufsstandes öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten, und zwar ist sie eine Störung der sozialen Ordnung.
8. Insoweit die Feiernden der Arbeitspflicht als Einzelpersonen nicht genügen berührt das freiwillige Feiern zugleich ihr privates Wohl und ist insofern auch nach den Regeln zu beurteilen, die sich auf das Privatwohl beziehen.

(1) Es darf in diesem Zusammenhange wohl der allseitigen Klarheit halber auch erwähnt werden, dass man gelegentlich sogar nicht vor der ehrenrührigen Behauptung zurückschreckt, Dr. Fleischer sei von der "Gegenseite", d.h. von den christlichen Gewerkschaften, "gekauft" worden. Ebenso wird von dem Arbeitersekretär und Abgeordneten Kossmann, der gleichfalls für die Einigung eintritt, behauptet, er sei mit 20.000 M bestochen worden, damit er die Einigung fördere.
(2) Wenn sich an dieser Stelle unsere Erwiderung auf die "Eingabe" sehr zuspitzt, so möge man bedenken, dass die zur Diskussion stehende Angelegenheit, nämlich eine Einigung in dem seit 20 Jahren geführten Gewerkschaftsstreit, doch von eminenter Wichtigkeit und demnach restlose und auch allseitige Klarheit notwendig ist.
1Hds. gestrichen von unbekannter Hand.
2Hds. gestrichen und eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
3Hds. gestrichen und eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
4Hds. gestrichen und eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
5Hds. gestrichen und eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
6Hds. eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
7Hds. eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
8Hds. eingefügt, vermutlich vom Verfasser.
9Masch. gestrichen und eingefügt vom Verfasser.
Empfohlene Zitierweise
[Windolph, Josef], Die Eingabe des Vorstandes der katholischen Arbeitervereine (Sitz Berlin) betr. Verständigung und Einigung in der Gewerkschaftsfrage vom 24.5.1919 vom 24. Mai 1919, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2815, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2815. Letzter Zugriff am: 19.04.2024.
Online seit 04.06.2012, letzte Änderung am 01.02.2022.