Dokument-Nr. 2855

[Knilling, Eugen Ritter von][Krausneck, Wilhelm][Matt, Franz]: [Kein Betreff]. [München], vor dem 04. August 1923

Zu Art. II.
Gegen die Auffassung des Hl. Stuhles, daß unter dem Ausdruck "Orden und religiöse Kongregationen" auch die ordensähnlichen Genossenschaften verstanden werden, besteht keine Erinnerung.
Zu Art. III § 1.
Ein sachlicher Gegensatz besteht in diesem Punkte zwischen der Auffassung des Hl. Stuhles und der der bayerischen Staatsregierung nicht. Einer Aenderung des zuletzt von der bayerischen Staatsregierung vorgeschlagenen Wortlautes im Sinne des Vorschlages des Hl. Stuhles glaubt jedoch die bayerische Staatsregierung nicht zustimmen zu können, da ihr sonst die Vertretung der fraglichen Bestimmung im Landtag und vor der Oeffentlichkeit zu sehr erschwert würde. Eine Vorschrift, wonach die in Betracht kommenden Personen im Gewissen verpflichtet werden, sich der missio canonica des Diözesanbischofes zu versichern, bevor sie sich an die Staatsregierung um Uebertragung einer Professur oder Lehraufgabe im Sinne des Art. III § 1 wenden, liegt nicht auf dem Gebiete der zwischen Staat und Kirche zu regelnden Angelegenheiten. Mit der von der bayerischen Staatsregierung vorgeschlagenen Fassung dürfte volle Gewähr dafür geboten sein, daß zu den fraglichen Lehrerstellen keine für die Ausbildung von Priesteramtskandidaten ungeeignete Personen berufen werden.
Zu Art. III § 2.
Aus dem Schreiben vom 16. ds. Mts. ist nicht ersichtlich, worin der Mangel der Uebereinstimmung des deutschen Textes des Regierungsentwurfes und seiner lateinischen Uebersetzung gefunden werden will.
Auf die Worte "unbeschadet seiner staatsdienerlichen Rechte" kann aus politischen, wie aus juristischen Erwägungen
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nicht verzichtet werden. Im Landtage wie in der Oeffentlichkeit würde es anderenfalls gerügt werden, daß durch die Vereinbarung Bayerns mit dem Hl. Stuhle, die nach dem bayerischen Verfassungsrecht als Landesgesetz zu behandeln ist, in jura quaesita von Staatsbeamten eingegriffen werden wolle oder daß diese mindestens nicht genügend sicher gestellt seien.
Zu Art. IV.
Die in der Beilage zu meinem Schreiben vom 6. März lfd. Js. in Aussicht gestellte Erklärung kann schon jetzt abgegeben werden:
Für den Fall des Zustandekommens eines neuen Konkordates zwischen dem Hl. Stuhle und Bayern sichert die bayerische Staatsregierung dem Hl. Stuhle zu, daß jeweils vor der Besetzung einer der in Art. 4 § 2 des Konkordatsentwurfes genannten Professuren das Gutachten des Diözesanbischofes erholt wird.
Zu Art. V § 5.
Dem Verlangen nach Einschaltung des Wortes "etiam" vor "instituta" wird gerne entsprochen.
Zu Art. X.
Die Ausführungen des geschätzten Schreibens vom 16. ds. Mts. richten sich nicht gegen den vorgeschlagenen Text des bayerischen Gegenentwurfes, vielmehr gegen die hierzu in der Beilage des Schreibens vom 6. März lfd. Js. gegebenen Erläuterungen und namentlich gegen die Bezeichnung gewisser dort näher angeführter Leistungen des bayerischen Staates als "freiwilliger".
Wie in den übrigen deutschen Staaten, die ähnliche Vereinbarungen mit dem Hl. Stuhle eingegangen haben, ist auch die im bayerischen Konkordate von 1817 vorgesehene Realdotation mangels Leistungsfähigkeit bis heute noch unvollzogen geblieben. An ihre Stelle sind staatliche Geldleistungen getreten. Dabei ist selbstverständlich, daß nach dem Konkordate von 1817 wie die zugesicherten Realwerte so auch die Ersatzgeldleistungen an die Bischöfe, an die Domkapitel, an die Domkirchen und – um es hier gleich vor-
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weg zu nehmen – auch die Leistungen an die sogenannten organisierten Pfarreien die Eigenschaft von Pflichtleistungen haben. Wir wollen diesen Charakter auch nicht schlechthin den Erhöhungen absprechen, die in den Jahren 1872, 1874, 1876/77, 1890 und 1908 die konkordatsmäßigen Bezüge der Erzbischöfe und Bischöfe, der Dignitäre, Domkapitulare und Domvikare erfahren haben, wenn auch die Zustimmung des Hl. Stuhles zu diesen Aenderungen der konkordatsmäßigen Sätze nicht eingeholt, diese vielmehr vom bayerischen Staate einseitig aus eigener Initiative vorgenommen worden sind. Dabei darf aber nicht verschwiegen werden, daß die einschlägigen Landtagsbeschlüsse aus den Jahren 1872-1908 diese Aufbesserungen als widerrufliche persönliche Zulagen bezeichnen, und daß in Uebereinstimmung mit diesen Landtagsbeschlüssen Erübrigungen bisher nicht etwa gemäß Art. IV Abs. IV Satz 2 des alten Konkordates der Domkirche anheimfallen, vielmehr der Staatskasse verbleiben.
Daran aber müssen wir festhalten, daß die Gleichstellung der Bezüge des Bischofes von Speyer zunächst mit jenen der Bischöfe von Eichstätt und Passau und seit 1921 die Gleichstellung der Bezüge der genannten drei Bischöfe mit jenen der Bischöfe von Augsburg, Regensburg und Würzburg, sodann die Gewährung gleich hoher Gehälter je an die Dignitäre und je an die Kanoniker an den Domkirchen aller acht Diözesen, die Bereitstellung von Gehältern für hauptamtliche erzbischöfliche und bischöfliche Sekretäre statt der geringen Funktionsbezüge bloß nebenamtlicher Sekretäre nach dem Konkordate, die jüngst zugestandene Ergänzung des Einkommens der Ordinariatsoffizianten und der hauptamtlichen Dommesner auf die Gehaltsbezüge der Klassen II und III der Staatsbeamtenbesoldung den Charakter freiwilliger Leistungen tragen.
Auch bezüglich der bischöflichen Priester- und Knabense-
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minare können wir die bisherige Auffassung nicht preisgeben, daß aus dem alten Konkordate sich Ansprüche nur für die Priesterseminare und auch da nur für den Umfang des sogenannten Alumnatsjahres ableiten lassen. Wir müssen daher daran festhalten, daß die durch den gegenwärtigen Landtag bewilligten Staatsmittel zur Ergänzung der Besoldung der Regenten und Subregenten an den jetzt 5-kursigen bischöflichen Priesterseminarien sowie der Direktoren und Präfekten an den Knabenseminarien, endlich die ebenfalls durch den gegenwärtigen Landtag bewilligten Erhöhungen der Zuschüsse an die Priesterseminarien die Eigenschaft von freiwilligen Leistungen haben.
Ebenso müssen wir bezüglich der Versorgung dienstunfähiger Priester feststellen, daß das Konkordat von 1817 keineswegs für alle wegen Krankheit oder Alters dienstunfähigen katholischen Geistlichen, vielmehr nur für die "benemeriti" eine Versorgung vorgesehen und daß diese Versorgung sich auf die Errichtung und Ausstattung eines einzigen Landeszentralemeritenhauses beschränkt hat. Da jedoch der bayerische Klerus in seiner überwiegenden Mehrheit von einer derartigen Emeritenversorgung nichts wissen wollte, hat der bayerische Landtag sich freiwillig dazu verstanden, anstelle der Dotation einer solchen Zentralanstalt Mittel zu gewähren zur staatlichen Dotation und Sustentation von Emeritenanstalten (Pensionskassen) für jede der acht Diözesen. Seit dem vorigen Jahre hat der bayerische Landtag überdies freiwillig ein förmliches, der Staatsbeamtenversorgung sich annäherndes Pensionsrecht für die katholische Seelsorgegeistlichkeit geschaffen.
Das Schreiben Eurer Exzellenz vom 16. ds. Mts. teilt die in Bayern vorhandenen Pfarreien in 3 Gruppen, nämlich in ehemalige, nach der Säkularisation wieder hergestellte Stifts- und Klosterpfarreien (sogenannte organisierte Pfarreien), dann in sonstige 1817 schon bestandene Pfarreien, endlich in seit dem Inkrafttreten des alten Konkordats neu errichtete Pfarreien. Gegen diese Eintei-
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lung haben wir nichts zu erinnern; die daran angeknüpften Erörterungen bezüglich der 2. und 3. Gruppe können wir jedoch nicht unwidersprochen lassen.
Das Schreiben vom 16. ds. Mts. will eine Verpflichtung des bayerischen Staates zur jeweiligen angemessenen Ergänzung der Einkünfte der Pfarreien der 2. Gruppe beweisen aus Vermögensminderungen, die sie erlitten hätten einmal durch die konkordatswidrige staatliche Gesetzgebung zur Ablösung der Grundlasten und sodann aus der Handhabung des konkordatswidrig beanspruchten staatlichen Pfründekuratelrechtes.
Die Grundlastenablösungsgesetzgebung in Bayern war wie in den übrigen deutschen Landen eine notwendige Folge der fortschreitenden volkswirtschaftlichen Entwicklung und zur Schaffung eines freien Bauernstandes unvermeidlich. Sie ging in verfassungsmäßiger Form vor sich, traf den gesamten mit den fraglichen Lasten beschwerten Grundbesitz und konnte den beteiligten Pfründen und Pfründeinhabern keine Ausnahmestellung gewähren. Der Art. VIII des Konkordates von 1817 begründete bei dem Charakter des Konkordates als Bestandteil der bayerischen Verfassung – s. Art. XVIII Abs. 1 des Konkordates – jedenfalls einen solchen Anspruch nicht. Uebrigens hat der bayerische Staat in den an die Ablösungsgesetzgebung anschließenden Jahren den Seelsorgepfründen, die überhaupt oder infolge der Ablösungsgesetzgebung ergänzungsbedürftig waren, nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit Congruaaufbesserungen gewährt; die Frage, ob er dazu aus der Ablösungsgesetzgebung verpflichtet gewesen wäre, kann offengelassen werden.
Ein Eingehen auf die Frage, ob der bayerische Staat seine beim Abschlusse des Konkordates von 1817 bereits bestandene Kirchen- und Pfründestiftungskuratel ohne Widerspruch mit dem Konkordat aufrecht zu halten in der Lage war oder nicht, dürfte nicht veranlaßt sein, nachdem im Konkordate von 1817 eine libe-
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ra administratio nur für die bischöflichen und domkapitelschen Vermögen ausbedungen war. Die Behauptung, daß diese Einrichtung den Pfründestiftungen staatliche Ersatzpflicht begründende Schäden zugefügt habe, möchte kaum erweisbar sein. Es sind Aeußerungen namhafter Vertreter selbst der Kirche bekannt, die in der Staatskuratel über die Kirchen- und Pfründestiftungen einen Segen für die Kirche erblickt und die Ansicht vertreten haben, daß unter der freien kirchlichen Verwaltung das Kirchenvermögen nicht in gleichem Maße erhalten geblieben wäre wie mit Hilfe der staatlichen Kuratel.
Wenn endlich bezüglich der 3. Gruppe von Pfarreien vertreten wird, daß der bayerische Staat auf Grund des Art. XII lit. f des Konkordates von 1817 zur Anweisung angemessener Bezüge für neu errichtete Pfarreien verpflichtet sei, so können wir uns dieser Auslegung nicht anschließen. Die angeführte Bestimmung des Konkordates sichert lediglich das Organisationsrecht der Kirche hinsichtlich der Neuerrichtung der Pfarreien "im Einverständnisse mit S. M. dem Könige", stellt aber keine Verpflichtung des Letzteren zur Dotation neuer Pfründen fest.
Wir müssen also daran festhalten, daß die Art und Weise der Aufbesserung des Seelsorgereinkommens, wie sie zuletzt in den Gesetzen vom 9. August 1921, 15. Februar und 27. Juli 1922 generell für alle Seelsorgegeistlichen im Einvernehmen mit den kirchlichen Stellen geregelt wurde, sich als freiwillige Leistung des Staates darstellt – unbeschadet der Frage, ob die Inhaber organisierter Pfründen in geringerem oder höherem Maße oder ob Inhaber sonstiger Pfründen überhaupt einen Rechtsanspruch auf staatliche Zuschüsse hätten.
Sicher ist, daß die staatliche Fürsorge für den Unterhalt des bayerischen Seelsorgeklerus durch die jüngste Gesetzgebung in Bayern in einem Ausmaß ausgebaut worden ist wie sonst in keinem deutschen Lande und in großzügiger Weise selbst für eine nicht geringe Zahl von Pfarreien, bei denen nach ihrer Seelenzahl und nach dem Um-
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fange der Geschäfte ein Bedürfnis ihres Fortbestandes mit Fug und Recht bestritten werden könnte. Es darf nur hingewiesen werden auf die Diözese Augsburg, in der von den über 900 Pfarreien fast die Hälfte, und auf die Diözese Eichstätt, von deren wenig über 200 Pfarreien mehr als ein Drittel weniger als 500 Seelen bis herab zu einigen Duzend zählt. Zahlreiche dieser Zwergpfarreien bringen an eigenem Einkommen nur einige hundert Mark auf, während die Ergänzung des jetzt viele Millionen betragenden Seelsorgereinkommens zu Lasten des Staates geht. Der bayerische Staat hat bisher trotz seiner großen Finanznot keinen Versuch unternommen, die Zahl dieser kleinen Pfarreien entsprechend dem tatsächlichen Bedürfnisse zu vermindern, andererseits aber – trotz der in der Reichsverfassung ausgesprochenen Trennung von Kirche und Staat – in den jüngsten Jahren die Errichtung von etwa 170 neuen Pfarreien – ungerechnet einer großen Zahl neuer Kuratien, Exposituren und sonstiger Hilfspriesterstellen – durch Uebernahme der Einkommensergänzung ermöglicht, die sonst hätte unterbleiben müssen. Er hat dies getan in der Erkenntnis der hohen Bedeutung des kulturellen Einflusses der Kirche auch auf das staatliche Leben und – in einem gewissen Gegensatze zu der seit der jüngsten Revolution herrschenden Zeitströmung – in Fortführung der auch in dem modernen bayerischen Staate nachwirkenden Ueberlieferung, die trotz scheinbar widersprechender Ereignisse im Verlaufe der bayerischen Geschichte stets eine freundschaftliche Haltung gegenüber der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen bewahrt hat. Wie sind der Meinung, daß auch in dem vorliegenden Entwurfe zu einem neuen Konkordate die Belange der Kirche, insbesondere hinsichtlich der Erhaltung und des künftigen Ausbaues der Seelsorge bestens gewahrt sind, hielten aber das Zustandekommen dieses Konkor-
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dates äußerst gefährdet, wenn der bisherige Standpunkt in der Frage der freiwilligen Leistungen des Staates von uns im Landtag verlassen und in anderem Sinne behandelt werden wollte, als in den vorstehenden und in früheren Darlegungen geschehen ist. Es dürfte daher die weitere Auseinandersetzung über diesen Punkt umso weniger von praktischer Bedeutung sein, als der Hl. Stuhl anscheinend an der von uns in den Artikeln X, XIII und XIV vorgeschlagenen Fassung der hier einschlägigen Punkte keinen Anstoß nimmt.
Zu Art. X lit. h.
Die Streichung des Wortes "bestehenden" und der Worte "nunc existentibus" zuzugestehen, sind wir angesichts der daraus sich ergebenden finanziellen Auswirkung nicht in der Lage.
Volle Klarheit muß bestehen darüber, daß ein Priesterseminar in Speyer auf die Dauer der fremden Besetzung der Pfalz aus politischen Erwägungen als ausgeschlossen gelten muß und daß staatliche Leistungen für diesen Zweck auf die Dauer der Ungunst der staatlichen Finanzen nicht in Aussicht gestellt werden können; zu gegebener Zeit mag auf diesen Gegenstand durch Einleitung neuer Verhandlungen zurückgekommen werden.
Zu Art. X § 2.
Das Wort "instituta" ist vieldeutig; es bedarf daher zunächst einer näheren Erklärung über den Begriff und über die damit verfolgten Ziele. Im Rahmen der für alle übrigen Einwohner geltenden reichs- und landesrechtlichen Vorschriften über Errichtung und Betrieb von Anstalten werden sich auch Errichtung und Betrieb solcher kirchlichen "Institute" zu bemessen haben.
Zu Art. XIII § 1 Einleitung.
Der Wunsch des Hl. Stuhles, das Wort "Besoldungen" geeignet zu ersetzen, wird gerne erfüllt und dafür das Wort "Bezüge" zum gleichmäßigen Gebrauch in Art. XIII § 1 sowie Art. XIV § 3 vorgeschlagen.
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Da jedoch die bayerische Staatsregierung den Standpunkt des Hl. Stuhles hinsichtlich der Beurteilung der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung der staatlichen Ergänzung des Seelsorgereinkommens in Bayern nach den oben zu Art. X gemachten Ausführungen nicht teilen kann, ist sie auch nicht in der Lage, dem Vorschlage des Ersatzes der Worte "quos… ponit" durch "quos… ponendos suscipit" zu entsprechen.
Zu Art. XIII § 1 lit. b.
Die Fassung des bayerischen Gegenentwurfes hat bereits den von dem Hl. Stuhle gewünschten Sinn; das Reifezeugnis einer Anstalt erhalten nämlich jene Studierende, die die Reifeprüfung an der Anstalt ablegen, gleichviel, ob sie den Jahresunterricht an der Anstalt besucht oder sich außerhalb der Anstalt nachweislich auf die Reifeprüfung vorbereitet haben.
Zu Art. XIII § 1 lit. c.
Wir haben nichts dagegen einzuwenden, daß die bischöflichen Hochschulen in Deutschland unseren philosophisch-theologischen Hochschulen gleichgestellt werden, wenn sie den im codex jur. can. vorgeschriebenen Bedingungen genügen.
Zu Art. XIV § 1.
Bei den Verhandlungen über das Konkordat von 1817 war es der Hl. Stuhl selbst, der die Aufrechterhaltung des damals gemeinrechtlichen Wahlrechtes der Domkapitel zu den bischöflichen Stühlen forderte. Wahl der Bischöfe durch Kapitel ist übrigens eine Einrichtung, die auch dem heutigen Kirchenrechte nicht grundsätzlich fremd ist, wie sich aus dem cod. jur. can. c. 329 § 2 ergibt. Der Vorschlag des bayerischen Gegenentwurfes bewegt sich also durchaus im Rahmen auch des heutigen kanonischen Rechtes und kann demnach dem Geiste der Kirche nicht zuwider sein. Gleichwohl wollen wir es versuchen, den dermaligen Wünschen des Hl. Stuhles bis zum äußersten entgegen zu kommen – selbst auf die Gefahr hin, damit im Landtage nicht durchzu-
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dringen und den Abschluß des Konkordates von dieser Seite zu gefährden. Ebenso wollen wir unter Zurückstellung erheblichster Gründe der Staatsraison auch den zweiten, zu diesem § 1 geltend gemachten Bedenken des Hl. Stuhles Rechnung tragen. Wir schlagen daher vor, den vom Hl. Stuhle vorgesehenen Wortlaut des Art. XIV § 1 zu belassen, zwischen seine beiden gegenwärtigen Sätze jedoch folgenden neuen Satz einzuschalten:
"Bei Erledigung eines erzbischöflichen oder bischöflichen Stuhles überreicht das Domkapitel eine Vorschlagsliste mit den Namen von mindestens zwei in der Reihenfolge ihrer Würdigkeit, Tüchtigkeit und Geeignetheit anzuführenden Kandidaten dem Hl. Stuhle, der einen der Vorgeschlagenen ernennt". § 1 würde hiernach seinem ganzen Texte nach lauten:
"Die Ernennung der Erzbischöfe und Bischöfe steht dem Hl. Stuhle zu. Bei Erledigung eines erzbischöflichen oder bischöflichen Stuhles überreicht das Domkapitel eine Vorschlagsliste mit den Namen von mindestens zwei in der Reihenfolge ihrer Würdigkeit, Tüchtigkeit und Geeignetheit anzuführenden Kandidaten dem Hl. Stuhle, der einen der Vorgeschlagenen ernennt. Der Hl. Stuhl wird sich vor Veröffentlichung der Bulle in offiziöser Weise bei der bayerischen Staatsregierung versichern, ob gegen den Kandidaten etwa Bedenken politischer Art bestehen."
Bei solcher Regelung liegt es in der Zuständigkeit des Hl. Stuhles, die Domkapitel eidlich zu verpflichten, daß sie nur die nach den kanonischen Satzungen würdigsten, tüchtigsten und geeignetsten Kandidaten vorschlagen; in besonderen Fällen könnte der Hl. Stuhl sogar unter Zurückweisung der eingereichten Liste vom Domkapitel die Vorlage einer neuen fordern.
Sollte der Hl. Stuhl sich nicht entschließen können, auch nur diesem Mindestvorschlage zuzustimmen, so müßten wir zu unserem größten Bedauern daraus den Schluß ableiten, daß der Hl. Stuhl in Bayern einem konkordatlosen Zustande mit all seinen Konsequenzen den Vorzug geben wollte. Wir unsererseits wüßten in einem
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solchen Falle nicht, mit welchen Argumenten wir auch nur einigermaßen noch vor der Oeffentlichkeit und im Landtage den Abschluß eines Konkordates mit so großen Opfern des Staates zu rechtfertigen im Stande wären.
Zu Art. XIV § 2.
Dieselben politischen Erwägungen wie im Vorstehenden ausgeführt, verbieten uns, von unserem Vorschlage für die Fassung des Art. XIV § 2 abzugehen. Bei der vom Hl. Stuhle zuletzt vorgeschlagenen Art der Besetzung der Kanonikate wären die Domkapitel von jeder entscheidenden Mitwirkung ausgeschlossen und wäre nicht einmal mehr das gewahrt, was ihnen im Konkordate von 1817 zugestanden war. Mit einem solchen Vorschlage vor den Landtag zu treten ist der bayerischen Staatsregierung unmöglich. Wir müssen deshalb an unserem letzten Vorschlag entschieden festhalten.
Aus der Uebersetzung des deutschen Textes des Gegenentwurfes in die lateinische Sprache sind die Worte "salva confirmatione" zu streichen, da sie in dem zuletzt von der Regierung verfaßten deutschen Texte nicht enthalten sind und der Absicht der Sicherung einer freien Wahl der Domkapitel widerstreiten würden.
Zu Art. XIV § 3.
Daß die Bestimmung nur Bezug hat auf die wirklichen Pfarrer, mithin nicht auf die übrige Pfarrgeistlichkeit und insbesondere nicht auf die Pfarrverweser des c. 458, wird anerkannt.
Dem Wunsche des Hl. Stuhles zu erklären, dass unter "forma usitata" "in der bisherigen Form" ein Ternovorschlag von Seite des Diözesanbischofes zu verstehen sei, können wir nicht entsprechen. Eine solche Erklärung wäre ein Verzicht auf das freie, bisher nur durch die kanonischen Bestimmungen beschränkte Vorschlagsrecht und würde den Staat schlechter stellen als einen Privatpatron, dem das nur durch die kanonischen Vorschriften
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beschränkte Vorschlagsrecht im übrigen frei verbliebe. Zu einer solchen Degradation des Staates bestünde umso weniger Veranlassung als die Privatpatronatspfründen sämtlich auf die vom Staate gewährte Einkommensergänzung der Inhaber angewiesen sind und ohne diese mangels ausreichender Dotation überhaupt nicht besetzbar wären. Hingegen gibt die bayerische Staatsregierung gerne die Erklärung ab, daß wie bisher dem zuständigen Diözesanbischof alle Bewerbungsgesuche zur Einsichtnahme übermittelt werden, damit er dazu gutachtliche Stellung nehmen und die ungeeigneten Bewerber ebenso wie diejenigen bezeichnen kann, die nach seiner Auffassung an erster, zweiter und dritter Stelle vor den übrigen Mitbewerbern zu empfehlen wären. Eine Bindung der Staatsregierung an dieses Gutachten müssen wir jedoch grundsätzlich ablehnen, wenn auch in der bisherigen ministeriellen Praxis die bischöflichen Gutachten mit wenigen Ausnahmen durchweg Beachtung gefunden haben. Dagegen erachten wir selbstverständlich einen vom zuständigen Diözesanbischof als indignus oder non idoneus bezeichneten Bewerber als von der staatlichen Präsentation ausgeschlossen.
Empfohlene Zitierweise
[Knilling, Eugen Ritter von], [Kein Betreff], [München] vom vor dem 04. August 1923, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 2855, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/2855. Letzter Zugriff am: 28.03.2024.
Online seit 24.10.2013.