Dokument-Nr. 2943
Sebastian, Ludwig an Pacelli, Eugenio
Speyer, 07. August 1923
Hochwürdigster Herr Apostolischer Nuntius!
Gnaedigster Herr Erzbischof!
Als ich gestern abend von einer mehrtägigen dienstlichen Abwesenheit wegen einer Kirchenkonsekration zurückkehrte, fand ich das Telegramm Eurer Excellenz vom 4. Aug. vor. Wegen Postsperre, Rheinsperre, Briefkontrolle der Besatzungsbehörden erleiden die Postsendungen bedeutende Verzögerungen. Auch den hochgeschätzten Auftrag vom 27. Juli erhielt ich am 31. Aug. und obwohl ich zu einer Kirchenkonsekration in einem weitentlegenen Dorfe verreisen mußte, zu der ich, da wir mit Rücksicht auf die Stimmung der Bevölkerung die von den Franzosen jetzt betriebene Bahn nicht benützen dürfen, drei volle Tage brauchte, ließ ich es mir in nächtlichen Arbeiten angelegen sein die Antwort fertig zu stellen und gab sie während der Reise in Landstuhl als Einschreibesendung auf. Ich möchte hoffen, daß sie unterdessen bei Eurer Excellenz einge-
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troffen ist. Es war darin ausgeführt, daß ich bei dem Katholikentag in Saarbrücken keine politischen Manifestationen bemerkt habe. Es war ein elementarer Aufschrei des Volkes gegen die Chikanen [sic] gewisser französ. Kräfte, welche das Saargebiet auch kirchlich trennen wollen. Wenn nun alles Volk beteuert, es wolle bei den Diözesen Trier und Speyer bleiben, so kann ich das nicht als politische Manifestation erkennen. Meine Priester im Saargebiet berichten mir, die französ. Kräfte der Regierungskommission des Saargebietes hätten die bereits beschlossene Gehaltsregulierung wieder unerledigt gelassen wegen Beteiligung der Geistlichen beim Katholikentag. Ob das zutrifft, weiß ich nicht. Tatsächlich steht diese Gehaltsfestsetzung noch aus trotz der großen Teuerung, unter der auch die Geistlichen leiden. Bezeichnend ist, daß man derartiges der Regierungskommission zutraut. Auch ich habe das Empfinden, daß sie sich einzelne als will-21r
fährige Günstlinge gewinnen will, die dann für ihre "Gesinnungstüchtigkeit" belohnt werden. Alle dagegen, die auf solche Werbungen nicht eingehen wollen, werden sofort als politische Gegner behandelt.Seine Eminenz der hochwürdigste Herr Kardinalstaatssecretär wolle geruhen, die unliebsame Verzögerung der Antwort teils meiner dienstlichen Abwesenheit teils unseren ungünstigen Verkehrseinrichtungen zuschuld zu schreiben.
Genehmigen Euer Excellenz die Versicherungen tiefster Ehrfurcht und Hochachtung
Eurer Erzbischöflichen Excellenz
ehrerbietigst ergebenster
+ Ludwig
B. v. Speyer