Dokument-Nr. 381
Pacelli, Eugenio an [Deutscher Episkopat]
München, 08. Dezember 1917

Inmitten der unsäglichen Schmerzen und der beständig wachsenden Betrübnis, welche das Herz des Heiligen Vaters angesichts der durch diesen schrecklichen Krieg verursachten Uebel niederdrücken, gereicht es seiner Heiligkeit zu großem Troste, feststellen zu können, daß der Klerus aller Nationen voll priesterlichen Eifers ist und in diesen so schwierigen Zeitverhältnissen ein bewunderungswürdiges Beispiel von Tugend und Opfersinn gibt. Insbesondere hat sich der deutsche Klerus, sowohl der Säkular- als der Regularklerus, in der Seelsorge der Soldaten, in der Pflege der Kranken und Verwundeten in den Lazaretten, und wenn es sich um einfache Kleriker und Theologiestudierende handelt, auch im Dienste mit der Waffe, wozu sie das Gesetz heranzieht, würdig gezeigt seiner glorreichen Ueberlieferungen von Glaube, Frömmigkeit, Abtötung und kirchlicher Disziplin. Hiefür gebührt ein ganz hervorragendes Lob dem hohem Episkopate Deutschlands und vornehmlich jenen Prälaten, welche vermöge ihres hohen Amtes als Feldpröpste mit nie ermüdendem Eifer und mit väterlicher Sorgfalt sich um jene Priester und Kleriker annehmen, welche sich gegenwärtig auf dem Schlachtfelde oder in den Feldlagern und Etappen, auf den Schiffen oder in den Lazaretten oder Lazarettzügen befinden. Weil sich jedoch dieser ungeheure Kampf über jede menschliche Voraussicht hinaus in die Länge zieht, werden einerseits die Gefahren, denen die Tugend des Klerus ausgesetzt ist, immer größer, anderseits pflegt sich leicht im Laufe der Zeit, wenn nicht geeignete Mittel belebend einwirken, der rege Eifer abzuschwächen; daher scheint es angezeigt, den bereits bestehenden und so segensreich wirkenden Einrichtungen neue und noch tiefgreifende Maßnahmen anzureihen. Um nun in Allen, welche in diesen so traurigen Zeiten genötigt sind, ihren heiligen Dienst, das Seminar oder das Kloster zu verlassen und verschiedene militärische Dienste zu leisten, den kirchlichen Geist und die Disziplin aufrechtzuerhalten, um anderseits die Bischöfe und Oberen der religiösen Orden und Kongregationen über das Verhalten ihrer Untergebenen während des Militärdienstes besser auf dem laufenden zu halten, erachten wir es als unsere Pflicht, entsprechend den Anweisungen, die uns von Seiten des Heiligen Stuhles geworden sind, die Sorge und das Augenmerk der erwähnten hochwürdigsten Bischöfe und Ordensoberen Deutschlands auf folgende Anweisungen zu lenken: (*)
I. Was die in Frage stehenden Priester, Kleriker und Religiosen, welche innerhalb der Grenzen Deutschlands sich befinden, betrifft, so ist zu bemerken, daß dieselben zwar unter der Jurisdiktion des Feldpropstes stehen, daß aber deswegen doch nicht jede Aufsicht und Obsorge des Ordinarius loci, wo sie sich aufhalten, ausgeschlossen sein soll. Der Ordinarius loci wird es als eine seiner vornehmsten Pflichten betrachten, seine ganz besondere Sorge allen jenen zuzuwenden, die in seiner Diözese verweilen und solange sie dort bleiben. Um den Ordinarien selbst die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, haben
1. die genannten Priester, Kleriker und Religiosen sich bei ihrer Ankunft in einer Diözese sofort schriftlich unter Angabe ihrer Personalien bei dem betreffenden Ordinariate anzumelden. Außerdem haben sie die Pflicht, sich nicht bloß dem Militärpfarrer oder Lazarettseelsorger, sondern auch dem zuständigen Ortspfarrer und in Städten mit einem Bischofsitze dem Ordinariate persönlich vorzustellen; die Religiosen aber haben sich überdies, wenn in ihrem Aufenthaltsorte ein Kloster ihres Ordens oder ihrer Kongregation sich befindet, dem Oberen dieses Hauses zu stellen. In gleicher Weise haben sich alle Vorgenannten vor ihrer Abreise wenigstens schriftlich zu verabschieden und mitzuteilen, wohin sie sich begeben.
2. Ihrerseits sollen die erwähnten Pfarrer und Vorgesetzten dieselben mit Liebe und Wohlwollen aufnehmen, sollen ihnen in all ihren Anliegen an die Hand gehen, Gelegenheit zur Zelebration und zum Empfange der heiligen Sakramente geben und werden hierüber den obenerwähnten locorum Ordinarii genauen Bericht erstatten.
3. Wenn irgendein im Militärdienst stehender Priester, Kleriker oder Religiose ein schweres Vergehen sich zuschulden kommen ließe, und besonders wenn seine Aufführung Anlaß zum Aergernisse geben
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würde, wird der Ordinarius loci sich an den mit der Militärseelsorge betrauten kirchlichen Oberen wenden, damit derselbe den Schuldigen, je nach den Umständen, durch Ermahnungen oder durch Bußen und Strafen zurechtweise. Weiterhin muß er ohne Verzug dem Heimatsbischof (Ordinarius proprius) oder dem Ordensoberen, und wenn der Betreffende noch während seiner Militärdienstzeit in eine andere Diözese versetzt wurde, dem Ordinarius derselben Diözese berichten.
II. Was die Priester, Kleriker und Religiosen anbelangt, die während des Krieges im Okkupationsgebiet sich befinden, so haben dieselben genau die Anweisungen zu befolgen, die sie vom Feldpropste, vom Heimatsbischofe oder vom Ordensoberen erhalten haben.
Insbesondere werden sie
1. Bei ihrer Ankunft unverzüglich sich bei dem zuständigen Militärpfarrer, Divisionspfarrer oder Kommandanturpfarrer oder Lazarettgeistlichen vorstellen und mit demselben in Verkehr bleiben; ist eine persönliche Vorstellung nicht möglich, haben sie sich schriftlich anzumelden.
2. Diese Militärgeistlichen hingegen werden mit aller Sorgfalt sich derselben annehmen und sich bemühen, dieselben zu stärken und zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten aufzumuntern und über deren Verhalten verlässige Berichte dem Heimatsbischof oder dem Ordensoberen zukommen lassen.
3. Sollte, was Gott verhüte, ein solcher im Militärdienst stehender Geistlicher, Kleriker oder Religiose eines großen Vergehens sich schuldig machen oder seines Standes unwürdig wandeln, so ist Bericht an den Feldpropst zu erstatten, der analog I. 3 verfahren wird.
III. Wo der lobenswerte Brauch besteht, zeitweise die Priester, Kleriker und Religiosen, die in militärischen Diensten stehen, zu frommen Vereinigungen und Konferenzen zu versammeln, möge derselbe nicht bloß aufrechterhalten, sondern in jeder Weise gefördert und geordnet werden; wo er aber noch nicht in Uebung ist, mögen die einschlägigen kirchlichen Vorgesetzten sich in geeigneter Weise um die Einführung desselben bemühen.
IV. Alle ohne Ausnahme, Priester und Kleriker, die sich in militärischen Diensten befinden, sind gehalten, ihren Heimatsordinarien wenigstens alle drei Monate einen Brief zu senden, in welchem sie Rechenschaft ablegen über die Art, wie sie ihren religiösen Pflichten gerecht werden. Dasselbe haben die Religiosen ihren Oberen gegenüber zu beobachten. Ihrerseits aber haben die Ordinarien und die Ordensoberen ihre Untergebenen mit väterlichen Schreiben aufzurichten und sie mittelst klugen Ratschlägen und frommen Aufmunterungen anzuleiten zur Tugend und zur Ausdauer in allen Schwierigkeiten und Gefahren, in welchen sie sich befinden. Auch die Seminaristen sollen ihren Seminarvorständen fleißig Bericht erstatten über ihr religiöses Leben im Felde oder im Lazarette; die Vorstände aber wollen einen beständigen Verkehr unterhalten, sei es mit Briefen an die einzelnen, sei es mit zeitweiligen allgemeinen und an alle gerichteten Aufmunterungen.
V. Zur Ordination von Klerikern während des Militärdienstes wollen die Ordinarien mit größter Umsicht schreiten, d. h. nur in Fällen wirklicher Notwendigkeit, und vorausgesetzt, daß der Kleriker die vorgeschriebenen Studien ganz vollendet und genügende Zeit hat sich, wie üblich, mit geistlichen Uebungen vorzubereiten, um würdig die heiligen Weihen zu empfangen.
VI. Mit der Demobilisation sollen sowohl die Feldpröpste als auch die Ordinarii der Diözesen, in denen die Priester, Kleriker, Seminaristen und Religiosen längere Zeit verweilt haben, den Heimatsbischöfen und den Ordensoberen alle sachdienlichen Mitteilungen zugehen lassen, die sie über die Haltung der betreffenden Untergebenen haben, damit so ein Urteil sich bilden lasse in welcher Weise die Priester wieder in ihr Amt, die Religiosen in ihren Konvent, die Kleriker in die Seminarien eingewiesen werden können, und welche Kautelen anzuwenden seien bei der Zulassung dieser letzteren zu den heiligen Weihen.
Möge die treue Beobachtung dieser Normen mit dem Segen Gottes dazu beitragen, daß Säkular- und Regular-Klerus die seinem Stande angemessenen Tugenden bewahre, denn von der Tätigkeit desselben hängt zum großen Teil nicht nur das religiöse, sondern auch das bürgerliche Wohl Deutschlands ab. Mögen in dieser Meinung inbrünstig und unaufhörlich die Gebete der kirchlichen Oberen, der Priester und der religiösen Genossenschaften sowie aller Gläubigen emporsteigen zu Gott und zur jungfräulichen und unbefleckten Patronin des Klerus und auf ihn die Fülle der göttlichen Gnade herabflehen!
Gegeben zu München, am Feste der Unbefleckten Empfängnis Mariä, 8. Dezember 1917.
+ Eugen Erzbischof von Sardi
Apostolischer Nuntius
(*)Wenn hier von Religiosen die Rede ist, wollen diese Anweisungen bezogen werden nicht nur auf die Religiosen, welche bereits heilige Weihen empfangen oder Prozeß abgelegt haben, sondern auch auf die Novizen und Postulanten, soweit es ihrem Stande entsprechend angängig ist.
1Seitenzählung von den Editoren eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Pacelli, Eugenio an [Deutscher Episkopat] vom 08. Dezember 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 381, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/381. Letzter Zugriff am: 27.12.2024.
Online seit 24.03.2010, letzte Änderung am 10.09.2018.