Dokument-Nr. 3979

Aufzeichnung, vor dem 24. September 1917

Die Belgische Regierung scheint von der Annahme auszugehen, als ob die Deutsche Regierung die Internierung der 20 belgischen Kolonialinteressenten deshalb verfügt hätte, um für die schlechte Behandlung der in belgische Gefangenschaft geratenen Deutschen aus Ostafrika Vergeltung zu üben. Diesen Standpunkt hat sie in der Presse mehrfach vertreten lassen; auch der Herr Nuntius weist in seinem Briefe darauf hin, daß die Belgische Regierung die schlechte Behandlung der Kolonialdeutschen beharrlich leugnet.
Die Deutsche Regierung muß diesem Standpunkt der Belgischen Regierung als unbegründet aufs bestimmteste entgegentreten. Für die Deutsche Regierung kommt es lediglich darauf an, sämtlichen in Deutsch-Ostafrika in die Hand der belgischen Truppen gefallenen und nach Frankreich verbrachten Deutschen mit Rücksicht auf die von ihnen überstandenen Leiden, die sie besonderer Fürsorge bedürftig machen, zur unverzüglichen Wiedererlangung der Freiheit zu verhelfen.
Die von der Belgischen Regierung vorgebrachten Behauptungen über die angeblich gute Behandlung der Beteiligten ändern nichts daran, daß diese durch eine zwei Jahre lange dauernde Kriegszeit in angreifendem Klima geschwächten Personen, darunter Kinder im zartesten Alter und Frauen, die unmittel-
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bar vor ihrer Niederkunft standen, gezwungen waren, unter Schwierigkeiten und Entbehrungen eine mehr als 10 Wochen dauernde selbst unter normalen Verhältnissen anstrengende Reise durch die Sumpfniederungen des Kongo zurückzulegen, und daß viele der Abbeförderten von diesen Strapazen dauernden Schaden davongetragen haben und auch jetzt noch an schweren Krankheiten, darunter der Schlafkrankheit leiden. Mit ihrer sofortigen Freilassung, die eine angemessene Sühne für die erlittenen Leiden gewesen wäre, hätte die Belgische Regierung eine selbstverständliche Pflicht der Menschlichkeit erfüllt. Da sie dies nicht getan hat, sind wir gezwungen gewesen, durch Internierung von Belgiern in Deutschland in dieser Richtung auf sie einen Druck auszuüben. Dabei haben wir aber uns jeder unnötigen Härte enthalten, ja sogar weitgehendes Entgegenkommen gezeigt, indem vier der Belgier, ihrem vorgerückten Alter und ihrer geschwächten Gesundheit entsprechend, bereits nach kurzer Zeit wieder nach Belgien zurückgeschickt worden sind.
Wir müssen daher zunächst auf der Ausführung des Punktes 1 des vom Herrn Nuntius übermittelten Vorschlags der Belgischen Regierung bestehen, wonach die von den belgischen Behörden aus Ostafrika nach Frankreich verbrachten Deutschen freizulassen wären, wogegen den noch in Deutschland verbliebenen 16 belgischen Notabeln selbstverständlich die unver-
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zügliche Rückkehr nach Belgien gestattet werden würde.
Zu Punkt 2. Die Frage der Freilassung von belgischen Frauen und Kindern, soweit sich solche etwa tatsächlich noch in deutschen Internierungslagern befinden und es sich nicht um strafrechtlich verurteilte Personen handelt, wird einer wohlwollenden Prüfung unterzogen, kann aber nur in das unter Punkt 3 erwähnte allgemeine Abkommen einbezogen werden.
Mit den in Punkt 3 angeregten Verhandlungen über den von der Belgischen Regierung schon früher gemachten Vorschlag einer Vereinbarung über die gegenseitige Freilassung von Zivilpersonen sind wir an sich vollkommen einverstanden. Indessen müßten wir eine Bindung sowohl über den Grundsatz selbst als auch über die Einzelheiten der Verständigung der Besprechung deutscher und belgischer Vertreter in der Schweiz vorbehalten.
Empfohlene Zitierweise
Anlage vom vor dem 24. September 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 3979, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/3979. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.03.2010.