Dokument-Nr. 4427
Übersetzung aus Nr. 226 der "Istwestija" vom 15./28. November 1917. Geheimvertrag Englands, Frankreichs, Rußlands mit Italien, in: Istwestija, Nr. 226, 28. November 1917
Der italienische Botschafter in London Marquis Imperiali hat die Ehre, im Auftrage seiner Regierung dem Herrn Minister des Auswärtigen Sir E. Grey, dem französischen Botschafter in London Herrn Cambon und dem russischen Botschafter in London Grafen Benckendorff folgende Denkschrift zu übermitteln.
Art. I. Zwischen den Generalstäben Frankreichs, Großbritanniens, Rußlands und Italiens muß sofort eine Militärkonvention geschlossen werden. Diese Konvention wird das Mindestmaß der militärischen Kräfte bestimmen, welche Rußland gegen Österreich-Ungarn aufbieten muß, für den Fall, daß letzteres die Absicht haben sollte, seine gesamten Kräfte gegen Italien zu verwenden, Rußland jedoch beschlossen haben sollte, sich hauptsächlich auf Deutschland zu stürzen. Durch die erwähnte Militärkonvention werden gleichfalls die den Waffenstillstand betreffenden Fragen reguliert, soweit sie ihrer Art zum Geschäftskreise des Oberkommandos der Armeen betreffen. Art.
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Art. II. Seinerseits verpflichtet sich Italien, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, den Feldzug im Vereine mit Frankreich, Großbritannien und Rußland gegen alle mit ihnen kämpfenden Mächte zu führen.
Art. III. Die Seekräfte Frankreichs und Großbritanniens werden eine ungeschwächte aktive Unterstützung Italien solange zuteil werden lassen, bis die Flotte Österreichs vernichtet sein wird, oder aber bis zum Moment des Friedensschlusses. Zwischen Frankreich, Großbritannien und Italien muß dementsprechend unverzüglich eine Militär-Flotten-Konvention geschlossen werden.
Art. IV. Nach dem kommenden Friedensvertrag hat Italien zu erhalten: Den Trentin; ganz Süd-Tirol bis zu seiner natürlichen geographischen Grenze nämlich bis zum Brenner; Stadt und Umgebung von Triest; die Grafschaft Görz und Gradisca; ganz Istrien bis dicht zum Quarnero einschließlich Voloska und der Istrischen Inseln Cherso und Lussin, ebenso wie die kleineren Inseln Plavnik, Unie, Kanidole, Palazzolo, die Inseln San Pietro de Nemnuli, die Inseln Asinello und Gruica mit den benachbarten kleinen Inseln.
Anmerkung 1. Zur Ausführung der Bestimmungen des Art. IV wird die Grenze über nachfolgende Punkte geführt werden: Von der Höhe Umbrile in nördlicher Richtung bis Stilvio und weiter auf der Wasserscheide der rhätischen Alpen wird sie bis dicht an die Quellen der Flüsse Etsch und Eisack durchgehen, worauf sie sich weiter über die Berge Reschen, Brenner und die Höhen Ötz und Ziller verlaufen wird. Dann wendet sich die Grenzlinie nach Süden, schneidet den Berg Toblach durch und geht bis zur jetzigen Grenze Krains, welche auf den Alpen liegt; ihr folgend erreicht sie den Berg Tarvis und überschreitet dann auf der Wasserscheide der
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Julischen Alpen über die Höhe Predil,
den Berg Mangard, die Berge Trikorno und die Gebirgspässe Podberdo, Podlamischam und Idria.
Von hier aus wird die Grenze in südöstlicher Richtung zum Schneeberg führen, sodaß das
Bassin des Flusses Save und seiner Nebenflüsse in den Bereich des italienischen Territoriums
nicht hineinfällt. Vom Schneeberg läuft die Grenzlinie herab zur Küste, Castua, Matuli und
Vloska als italienischen Besitz miteinbeziehend.Art. V. Ebenso erhält Italien die Provinz Dalmatien in ihrem jetzigen Bestande mit Einschluß im Norden von Lissarike und Trebinje, im Süden von allen Gebieten bis an eine Linie, die vom Ufer beim Kap Blanka nach Osten auf der Wasserscheide verläuft in der Art, daß zum italienischen Gebiete alle die Ebenen gehören, die am Laufe der Flüsse liegen, die in den Sebenico münden, und zwar Cikolo, Kerka und Butisniza mit allen ihren Nebenflüssen. Ebenfalls bekommt Italien alle Inseln, die im Norden und im Westen an der Dalmatinischen Küste liegen, angefangen von den Inseln Premada, Selve, Ulba, Skerda, Maon, Pago, Puntadura und weiter nach Norden und bis Meleda nach Süden und dazu die Inseln San Andrea, Busi, Lissa, Lesina, Torcola, Kurzola, Cazza und Lagosta mit allen daran liegenden Klippen und Inselchen, und nach Pelagosa, aber unter Ausschluß der Inseln Groß- und Klein-Zirona, Bua Solta und Brazza.
Der Neutralisierung unterliegen: 1. Das ganze Küstenland vom Kap Blanka im Norden bis zur südlichen Spitze der Halbinsel Sabionccello im Süden unter Einschluß der ganzen genannten Halbinsel in das neutralisierte Gebiet; ein Teil der Küste angefangen von einem Punkte, der 10 Werst nach Süden vom Kap "Alt-Raguse" und nach Süden dicht bis zum Flüßchen Vojusa liegt, so daß
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zum Bereich der neutralisierten Zone die ganze Bucht von
Kattaro mit seinen Häfen Antivari, Dulcigno, San Giovanni Di Medua und Durazzo gehören,
wobei die Rechte Montenegros, die aus den Deklarationen der vertragschließenden Parteien im
April und Mai 1909 hervorgehen, nicht verletzt werden dürfen. Jedoch in Anbetracht dessen,
daß diese Rechte nur für die jetzigen Gebiete Montenegros anerkannt waren, dürfen sie nicht
späterhin auf Gebiete oder Häfen ausgedehnt werden, welche Montenegro weiterhin zugeteilt
werden könnten. Auf diese Weise unterliegt auch weiterhin der Neutralisierung kein Teil des
Küstenlandes, welches jetzt Montenegro gehört. Es bleiben in Kraft die den Hafen Antivaris
bezüglichen Rechtsbeschränkungen, mit denen sich im Jahre 1909 Montenegro selbst
einverstanden erklärt hatte. 3. [sic] Endlich die Inseln, welche Italien nicht abgetreten
werden. Anmerkung 2. Nachfolgende Länder am Adriatischen Meer werden durch die Mächte des Vierverbandes in das Gebiet von Kroatien, Serbien und Montenegro eingeschlossen: Im Norden des Adriatischen Meeres – die ganze Küste, angefangen von der Bucht Valoska, an der Grenze Istriens, bis zur nördlichen Grenze Dalmatiens, einschließlich der ganzen Küste, welche jetzt Ungarn gehört und der ganzen Küste von Kroatien, dem Hafen Fiume und den kleinen Häfen Novo und Karlona ebenso die Inseln Veglia, Perviccio, Gregorio, Koli und Arbe, im Süden des Adriatischen Meeres, wo Serbien und Montenegro interessiert sind, die ganze Küste von Kap Blanka bis zum Flusse Drina mit den wichtigsten Häfen Spalato, Ragusa, Cattaro, Antivari, Dulcigno und San Giovanni di Medua und mit den Inseln Groß-Zirona, Klein-Zirona, Bu, Solta, Brazza, Jaklian und Kalamotta.
Der Hafen von Burazzo könnte dem unabhängigen mohammedani-
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schen Reiche Albanien abgetreten werden.
Art. VI. Italien erhält als volles Eigentum Vallona, die Insel Sasseno und ein Territorium welches groß genug ist, um sie in militärischer Hinsicht sicher zu stellen, ungefähr zwischen dem Fluß Vojusa im Norden und im Osten, und bis zur Grenze des Kreises Schimar im Süden.
Art. VII. Wenn Italien Trentino und Istrien laut Art. IV, Dalmatien und die Adriatischen Inseln laut Art. V und den Wallonischen Meerbusen bekommt, darf, falls in Albanien ein kleiner autonomer neutralisierter Staat gebildet wird, es sich dem etwaigen Wunsche Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands einer Verteilung der nördlichen und südlichen Grenzgebiete Albaniens zwischen Montenegro, Serbien und Griechenland nicht widersetzen. Das südliche Küstenland Albaniens von der Grenze des italienischen Gebietes Wallona und bis zum Kap Stilos unterliegt der Neutralisierung.
Italien wird das Recht zugestanden, die auswärtige Vertretung "Albaniens" zu führen; in jedem Falle ist Italien verpflichtet, sich einverstanden zu erklären, Albanien ein Territorium zu lassen, welches groß genug sein muß, daß seine Grenzen im Westen vom Ochrida-See sich mit den Grenzen Griechenlands und Serbiens berühren.
Art. VIII. Italien erhält als vollen Besitz alle von ihm jetzt besetzten Inseln des Dodekanes.
Art. IX. Frankreich, Großbritannien und Rußland anerkennen im Prinzip, daß Italien an der Aufrechterhaltung des politischen Gleichgewichts am Mittelmeer interessiert und daß es berechtigt ist, bei der Aufteilung der Türkei einen ebenso großen Anteil wie sie im Bassin des Mittelmeeres erhalten und zwar in dem Teil,
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der an die Provinz Adalien stößt, wo Italien
bereits besondere Rechte erworben und sich Interessen gesichert hat, welche in der
italienisch-englischen Konvention festgelegt worden sind. Die Zone, welche Italien
überlassen werden soll, wird seinerzeit näher bestimmt werden unter Berücksichtigung der
Lebensinteressen Frankreichs und Großbritanniens. Ebenso müssen die Interessen Italiens auch
in dem Falle berücksichtigt werden, wenn die territoriale Unantastbarkeit der asiatischen
Türkei auch weiterhin durch die Mächte aufrechterhalten werden sollte, und wenn nur eine
Verteilung der Einflußsphäre unter ihnen bevorstehen sollte. Falls Frankreich,
Großbritannien und Rußland im Laufe des gegenwärtigen Krieges einige Gebiete der asiatischen
Türkei besetzen sollten, muß das ganze Gebiet, welches an Adalien grenzt und welches weiter
unten näher bezeichnet wird, Italien überlassen werden, das sich auch das Recht vorbehält,
es zu besetzen.Art. X. In Libyen werden für Italien alle die Rechte und Privilegien anerkannt, welche auf Grund des Lausanner Vertrages bis jetzt dem Sultan noch eingeräumt sind.
Art. XI. Italien bekommt den Teil der Kriegskontribution, welcher der Größe seiner Opfer und Anstrengungen entspricht.
Art. XII. Italien tritt der Abmachung Frankreichs, Englands und Rußlands bei, wonach Arabien und die heiligen Stätten des Islams einem unabhängigen muselmanischen Staate überlassen werden.
Art. XIII. Im Falle einer Erweiterung des französischen und englischen Kolonialbesitzes in Afrika auf Kosten Deutschlands erkennen Frankreich und Großbritannien Italien im Prinzip das Recht zu, für sich gewisse Kompensationen zu fordern im Sinne der Erweiterung seiner Besitzungen in Erytrea, Somaliland, Libyen
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und den Kolonialgebieten,
welche an die Kolonien Frankreichs und Englands grenzen.Art. XIV. England verpflichtet sich, Italien die sofortige Unterbringung einer Anleihe von nicht weniger als 50 Millionen Pfund Sterling auf dem Londoner Markt zu günstigen Bedingungen zu erleichtern.
Art. XV. Frankreich, England und Rußland verpflichten sich, Italien in seinem Widerstande gegen die Zulassung von Vertretern des Heiligen Stuhles bei irgend welchen diplomatischen Schritten über den Friedensschluß oder über die Regelung der mit dem gegenwärtigen Kriege zusammenhängenden Fragen ihren Beistand zu leisten.
Art. XVI. Dieser Vertrag ist geheim zu halten. Was den Beitritt Italiens zu der Deklaration vom 5. September 1914 betrifft, so wird lediglich diese Deklaration sofort nach einer Kriegserklärung Italiens oder an Italien der Öffentlichkeit übergeben.
Nachdem die Vertreter Frankreichs, Großbritanniens und Rußlands diese Denkschrift zur Kenntnis genommen haben, sind sie mit dem, gleich ihnen von seiner Regierung bevollmächtigten Vertreter Italiens übereingekommen, daß Frankreich, Großbritannien und Rußland ihr volles Einverständnis mit dieser Denkschrift ausdrücken, welche ihnen die italienische Regierung überreicht hat. Inbezug auf Art. I, II und III dieser Denkschrift, wonach die militärischen Operationen der Vier Mächte zu Lande und zu Wasser in Einklang gebracht werden, erklärt Italien, daß es in möglichst naher Zukunft aktiv eingreifen wird, jedenfalls nicht später, als einen Monat nach Unterzeichnung dieses Dokuments durch die vertragschließenden Parteien.
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Die Unterzeichneten haben dieses unterschrieben und mit
ihrem Siegel bekräftigt in London, in 4 Exemplaren, den 26. April 1915Sir Ed Grey, Cambon, Marquis Imperiali,
Graf Benckendorff.