Dokument-Nr. 4436

Trendelenburg, Friedrich: [Kein Betreff], vor dem 19. März 1927

Nach sich mehrenden Nachrichten tschechoslowakischer Presseorgane (z. B. "Deutsche Presse" vom 1., 3., 4. und 5. Dezember 1926, vom 8. Januar 1927, vom 4., 5., 13. und 19.  Februar 1927; "Prager Presse" vom 12. Februar 1927) sollen seit einiger Zeit Verhandlungen zwischen dem Vatikan und der Tschechoslowakischen Regierung über kirchenpolitische Fragen eingeleitet und bereits ziemlich weit geführt worden sein. Diese Verhandlungen sollen sich unter anderem mit der Frage der Diözesangrenzen und des kirchlichen Eigentums in der Tschechoslowakei befassen<t haben.>1 In der Frage der Diözesen soll nach der Erklärung des Aussenministers Dr. Bennesch der Vatikan bereits seine Zustimmung erteilt haben, wenn dabei auch gewisse Bedingungen gestellt worden seien, wegen deren die Verhandlungen ins Stocken geraten <seien> ("Prager Presse" Nr. 42 vom 12. Februar d. Js.).
Parallel hiermit gehen neuere beunruhigende Nachrichten über die bekannten Parzellierungspläne des tschechoslowakischen Bodenamts. In dieser Beziehung fällt auch eine ähn <angeb>2liche Äusserung des Erzbischofs von Prag auf, wonach gegen das Prinzip der Bodenreform selbst auch Rom nichts einzuwenden habe, dass nämlich grosse Latifundien an Besitzlose abgetreten werden, jedenfalls aber nur so viel, als die Staatsraison fordere; gegen das Prinzip der Bodenreform sei nichts einzuwenden, sondern nur gegen einige Modalitäten ihrer Durchführung. ("Deutsche Presse" Nr. 7 vom 11. Januar 1927).
In diesen Nachrichten und Gerüchten ist nicht nur die Frage der Zirkumskription der preussischen Diözese Breslau, sondern auch des althergebrachten Eigentums des Bischöflichen Stuhles dieser Diözese berührt.
58r
Dieses in der Tschechoslowakei belegene Eigentum des Bischöflichen Stuhles von Breslau steht, wie dem Apostolischen Stuhl bekannt ist, urkundlich so fest, dass Ansprüche eines Dritten weder nach bürgerlichem noch nach kanonischem Rechte irgend in Betracht kommen können. Kirchenrechtlich liegt die Frage so klar, dass auf sie zweifellos der Grundsatz des Apost. Stuhles Anwendung finden muss, den er noch neuerdings in dem Notenwechsel mit der Preussischen Staatsregierung über die in Polen belegenen Güter der Breslauer Domkirche als stets von ihm vertreten anerkannt hat (Pro memoria mit Schreiben des Apost. Nuntius an den Preussischen Ministerpräsidenten vom 7. Juli 1926 – Nr. 35.547 – )
Dieser Standpunkt kann nicht etwa durch Massnahmen der tschechoslowakischen Bodenreform-Gesetzgebung erschüttert werden, und dies umso weniger, als diese Gesetzgebung gegen international anerkennte [sic] Rechtsgrundsätze der Unverletzlichkeit des Eigentums verstösst.
Ebenso würde es dem vorerwähnten Grundsatze über das kirchliche Eigentum geradewegs widersprechen, wenn in Zusammenhang mit der Frage der Diözesangrenzen nichtpreussische kirchliche Stellen mehr oder weniger Anspruch auf diese Güter erheben sollten, wie sie von polnischer Seite anscheinend schon vorgemerkt und von tschechoslowakischer Seite unter Umständen zu besorgen sind.
Preussischerseits muss – wie seit alters her – der grösste Wert darauf gelegt werden, dass die Sicherungen, die in dieser Beziehung zugunsten der Diözese Breslau in den mit der Kurie bestehenden Vereinbarungen enthalten sind, unangetastet bleiben, dass vor allen Dingen der in Rede stehende Güterbesitz selbst,
59r
der für die kirchliche Versorgung der Diözese Breslau und der ausgedehnten von ihr abhängigen Gebiete unentbehrlich ist, gegen jeden Dritten unbedingt geschützt werde.
1Von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser, ausradiert und masch. eingefügt.
2Hds. von unbekannter Hand, vermutlich vom Verfasser gestrichen und eingefügt.
Empfohlene Zitierweise
Trendelenburg, Friedrich, [Kein Betreff] vom vor dem 19. März 1927, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4436, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4436. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 25.02.2019.