Dokument-Nr. 4451
Marx, Wilhelm an Pacelli, Eugenio
Berlin, 02. April 1925
beehre ich mich namens der Preussischen Staatsregierung Folgendes ergebenst mitzuteilen:
Der Abschluss des Konkordats, den der Heilige Stuhl mit der Republik Polen vollzogen hat, gibt der Preussischen Staatsregierung zu ihrem Bedauern Veranlassung, in Wahrung ihrer Rechte und berechtigten Interessen Widerspruch zu erheben.
Das neue polnische Konkordat ist nicht in Einklang zu bringen mit den der Bulle de salute animarum vom 16. Juli 1821 zu Grunde liegenden Vereinbarungen des Heiligen Stuhles mit dem Preussischen Staat. Es braucht nur auf die in dem polnischen Konkordat vorgesehene Zirkumskription der Diözesen sowie auf die untrennbaren Zusammenhänge hingewiesen zu werden, die nach den mit Preussen seinerzeit getroffenen Vereinbarungen zwischen der Zirkumskription und der Dotation der Diözesen bestehen.
Wie der Heilige Stuhl wiederholt und gerade noch in jüngster Zeit feierlich erklärt hat, stellen die zwischen ihm und den Staatsregierungen abgeschlossenen Konkordate zweiseitige Abkommen dar, welche beide Teile für sich und ihre Nachfolger verpflichten, und in keiner Weise auf die Initiative eines der beiden kontrahierenden Teile allein hin aufgelöst werden können. In voller Uebereinstim-
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mung hiermit hat die Preussische
Staatsregierung stets die Vereinbarungen der Bulle de salute animarum als rechtlich bindend
betrachtet und sich auch unter den schwierigsten Verhältnissen in der Zeit nach dem Kriege
nach Kräften bemüht, die übernommenen Verpflichtungen, insbesondere die Dotationen so wie
sie in der Bulle festgesetzt und vom Heiligen Stuhl gefordert wurden, zu leisten.Wenn nun der Heilige Stuhl, um die kirchlichen Verhältnisse in dem neuen polnischen Staat zu regeln, das Verlangen trug, von diesen gültigen Vereinbarungen abzugehen, so hätte die Preussische Staatsregierung es erwarten können, dass der Heilige Stuhl vor Abschluss der mit Polen seit geraumer Zeit angebahnten Verhandlungen dem Preussischen Staat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben würde. Diese Erwartung war umsomehr [sic] berechtigt, als die in der Bulle de salute animarum bestimmten Diözesengrenzen keineswegs mit den Grenzen des Preussischen Staates übereinstimmten. Und ebensowenig hatten die in dem Jahrhundert seit Erlass der Bulle erfolgten Veränderungen der Landesgrenzen Preussens dem Heiligen Stuhl einen Anlass zur Aenderung der Bulle gegeben.
In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, wie ungewöhnlich es erscheinen muss, dass als Nachbardiözese Breslau's eine Diözese "Schlesien" errichtet werden soll, deren Namen man aus einem Ortsbezirk des preussischen Teils der Diözese Breslau hergeleitet hat.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Bestimmung des Artikels 26 des polnischen Konkordats, wonach die Frage der in Polen belegenen, ausländischen juristischen Personen gehörenden Kirchen-
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güter einer besonderen Konvention vorbehalten bleiben soll.
Die staatlichen Rechte und Interessen Preussens werden hier neben den damit
zusammenhängenden kirchlichen Belangen unmittelbar aufs erheblichste getroffen. Gerade der
Aufbau der Diözese Breslau beruht nach den der Bulle de salute animarum innewohnenden
Vereinbarungen auf der wechselseitigen Ergänzung kirchlichen, zum grössten Teil ausserhalb
Preussens belegenen Güterbesitzes einerseits und staatlicher Dotationen andererseits. Jede
Störung dieser Konnexität muss die Existenzfähigkeit der Diözese und ihres ausgedehnten
Diasporagebietes in Frage stellen. Der Preussische Staat muss daher entschiedenen Wert
darauf legen, dass diese Verhältnisse sowie sie seinerzeit vereinbart sind, unverändert
bleiben. Ebenso müsste er es ablehnen, für etwaige finanzielle Ausfälle, die der Diözese aus
einer einseitig vorgenommenen Neuregelung erwachsen können, einzutreten. Demgegenüber
scheint der Preussischen Staatsregierung der in Artikel 26 vorgesehene Vorbehalt eine
genügende Sicherheit nicht zu bieten, denn es liegt auf der Hand, dass der polnische Staat,
nachdem er jetzt im Besitz des Konkordats ist, erheblich weniger als zuvor Anlass hat, die
Regelung dieser Angelegenheit aus dem Bereich des Machtstandpunktes herauszuheben. Der
Abschluss des Konkordats mit Polen unter Ausscheidung der ausländischen Kirchengüter
überrascht umsomehr [sic], als der Heilige Stuhl gegenüber dem Tschechoslowakischen Staat
grundsätzlich eine Anpassung der Diözesen an die Landesgrenze abgelehnt hat, bis zuvor die
Güterverhältnisse der Erzdiözese Gran genau geregelt sind. Aus der gegenüber Polen
eingenommenen abweichenden Haltung wird möglicherweise die tschechoslowakische
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Regierung einen für Preussen abträglichen Berufungsfall
herzuleiten suchen.Euere Exzellenz darf ich ergebenst bitten, hiervon dem Heiligen Stuhl Mitteilung machen und dabei zum Ausdruck bringen zu wollen, dass die Preussische Staatsregierung gegen das Konkordat des Heiligen Stuhles mit Polen Widerspruch einzulegen genötigt ist, und dass sie angesichts ihrer freundschaftlichen Beziehungen zum Heiligen Stuhl darauf vertraut, der Heilige Stuhl werde Massnahmen finden, um den erhobenen Bedenken abzuhelfen.
Mit der Versicherung meiner besonderen Hochschätzung
Verharre ich
Euerer Exzellenz
ganz ergebenster
(gez.) Marx.