Dokument-Nr. 4905
Keppler, Paul Wilhelm von an Pacelli, Eugenio
Rottenburg, 18. Dezember 1917

Euer Exzellenz
beehre ich mich, auf das geschätzte Schreiben vom 6. Dezember Nr. 2691 bezüglich der Seelsorge im Gefangenenlager Stuttgart-Berg folgendes zu erwidern.
Als im Herbst 1914 in Stuttgart Gefangenenlager errichtet und besetzt wurden, habe ich alsbald alles getan, was möglich war, um für die katholischen Gefangenen eine geordnete Seelsorge einzurichten, und ich fand hierin bei den Militärbehörden großes Entgegenkommen. Auf mein Ansuchen übernahm zunächst diese Seelsorge ein Professor der Theologie von Tübingen, der die französische Sprache völlig beherrscht.
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Als dieser als Feldgeistlicher an die Front ging, betreute ich mit der Gefangenenseelsorge in Stuttgart einen jungen, sehr tüchtigen Priester von erprobter Frömmigkeit und großem Seeleneifer, der perfekt französisch spricht und auch französisch predigen kann, namens Alfons Geiss. Er hat seit Mitte September 1914 bis auf den heutigen Tag mit immer gleichem Eifer und großer Hingebung in dem Gefangenlager gewirkt. Ich komme fast jeden Monat selbst nach Stuttgart und habe mich da jedes Mal über diese Seelsorge mit ihm besprochen und beraten. Geiss genießt nicht nur bei den amtlichen deutschen Stellen, sondern auch bei den Gefangenen großes Ansehen, und schon manche haben ihm so warm gedankt wie der Schreiber des beiliegenden Briefes (Beil.a). Ich habe ihn veranlasst, einen genauen bericht über seine Seelsorge im Lager niederzuschreiben, den ich mir beizulegen erlaube (Beil. 1) und für dessen volle Wahrheit ich mich verbürge. Mögen sich Euer Exzellenz hieraus selbst ein Urteil bilden, ob die
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schweren Anschuldigungen, die dem Heiligen Stuhl unterbreitet wurden, auf Wahrheit beruhen.
Ich darf wohl anfügen, dass in den andern Gefangenenlagern in meiner Diözese, in Eglosheim und Münsingen, ebenfalls für regelmäßigen Gottesdienst und Postoration gesorgt ist. In Ellwangen ist ein Lager für 600 gefangene französische Offiziere. Unter ihnen sind 4 Geistliche. Ich habe ihnen die Erlaubnis gegeben, in der Kapelle des Lagers das Sanctissimum aufzubewahren, und kann zu meiner Freude berichten, dass nicht bloß in den heiligen Messen, welche alle Geistlichen täglich zelebrieren, sondern auch in den andern Stunden des Tages immer einige Beter sich einfinden. Ich habe persönlich am 26. November dieses Lager besucht und in der Kapelle eine Ansprache gehalten (vgl. Beil. B Ansicht der Kapelle).
Als ich hörte, dass in Stuttgart ein zweites Offiziergefangenenlager eingerichtet werde, habe ich alsbald Schritte getan, dass auch hier eine Kapelle
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erstellt werde und 2 von den gefangenen Priestern in Ellwangen hierher versetzt werden. Am 20. Dezember wird die Hälfte der Ellwanger Offiziere mit den 2 Geistlichen nach Stuttgart transferiert; nach Ellwangen sollen italienische Offiziere kommen. Bis jetzt sind in Eglosheim und Ulm italienische Gefangene, welche von italienisch sprechenden Geistlichen pastoriert werden.
Zu weiterer Auskunft stets gerne bereit verbleibe ich in tiefster Verehrung
Euer Exzellenz
untertäniger
+ Paul Wilhelm, Bischof
Empfohlene Zitierweise
Keppler, Paul Wilhelm von an Pacelli, Eugenio vom 18. Dezember 1917, Anlage, in: 'Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929)', Dokument Nr. 4905, URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4905. Letzter Zugriff am: 24.11.2024.
Online seit 24.03.2010.